Aussicht auf Freiheit
Es war nun schon so dunkel, dass ich die Hand vor Augen nicht mehr sehen konnte. Also stolperte ich mehr oder weniger durch den Wald und hatte sogar einen immer größer werdenden Vorsprung ergattert, da ich alle 100 Meter die Richtung änderte. Ich wagte mich nicht, nach hinten zu schauen, aber wenn ich es doch täte, würde ich wahrscheinlich nur noch den Schein der Taschenlampen sehen, die wild umherschwankten.
Ich hoffe, die Mutantengruppe hat es erst verspätet erfahren... Sonst könnte es kritisch werden.
Ich lief und lief weiter. In der Hoffnung, irgendwann eine Stadt zu erreichen, dort hätte ich wenigstens etwas Schutz oder war der Wald doch besser?
Gedankenvertieft stolperte ich über eine Wurzel, konnte mich aber noch ungeschickt fangen.
Verdammt, konzentrier dich!
Nach einer langen Zeit des gehetzten Weiterrennens musste ich stoppen, da ich überhaupt keine Puste mehr hatte.
Ich lief ja auch mindestens eine halbe Stunde oder so und gezwungen zu sein durch die Nase zu atmen, erleichterte es nicht sonderlich.
Natürlich konnte ich nicht einfach hier stehen bleiben, also entschied ich mich, auf einem Baum Zuflucht zu suchen. Ich fand einen großen kräftigen und machte mich bereits auf, hinaufzuklettern. Zum Glück gab es viele Äste, sodass ich mit den Handketten und Krallen halbwegs voran kam. Oben angekommen setzte ich mich zwischen viel Laub und lehnte mich gegen den Stamm. Es dauerte eine Weile bis sich meine Atmung regulierte, aber auch nur weil ich Schritte hörte und somit gezwungen war, möglichst leise zu sein.
Selbstverständlich kämmten die nicht jeden einzelnen Baum eines Riesenwaldes ab, weswegen die Schritte wieder leiser wurden.
Ich schnaufte lautlos aus und versuchte dieses Ding von meinem Kopf zu bekommen. Ich tastete es entlang und kam letztendlich hinten an der Stelle an, wo es verschlossen wurde. Auch fühlte ich einen kleinen Schlitz, doch so sehr ich es versuchte, ich bekam es einfach nicht auf.
Also ließ ich es sein und ruhte mich erstmal aus. Ich wäre beinahe eingeschlafen, als ich von sehr weit weg Gebell vernahm.
Na super.
Ich versuchte so schnell es ging nach unten zu klettern, doch auf halber Strecke fiel ich den Rest hinunter.
Das machte einen erschreckend lauten Knall und ich horchte auf.
Das Bellen der Spürhunde wurde lauter und näherte sich rasant schnell, weswegen ich mich sofort aufrichtete und weiterrannte.
Nach und nach wurde es wieder leiser, bis ich letztendlich nur noch meinen Atem und meine Schritte hören konnte, also beschloss ich mein Rennen in Joggen umzuwandeln, damit ich weitere Strecken zurücklegen konnte. Doch da selbst das nach einer Weile zu anstrengend war, ging ich langsam vorwärts.
Es herrschte Totenstille, was mir ein wenig Unbehagen einjagte und als sich mein Atem etwas beruhigt hatte, versuchte ich die Handschellen zu knacken, und zwar mit der selben Technik wie damals in meinem "Zimmer" auf dem Helicarrier.
Noch dazu lenkte es mich ein wenig ab, da meine volle Konzentration darauf lag, sodass sich der Stress etwas legte.
Die Schellen waren schwieriger als die Tür, somit legte ich währenddessen eine ganz schöne Strecke zurück.
*Klick*
Die erste war ab.
Ich lief irgendwann beinahe gegen einen Baum, doch konnte noch im letzten Moment ausweichen.
*Klick*
Geschafft. Immerhin etwas.
Mein Magen meldete sich zu Wort.
Oh Gott... Schlechter Zeitpunkt.
Dann hörte ich etwas. Ich blieb abrupt stehen und lauschte. Schon wieder. Es war eine eine Art Rauschen, welches ich sofort wiedererkannte. Ich rannte in dessen Richtung und fand mich auf einem Straßenrand mit Aussicht auf ein Lichtermeer wieder.
Wie gelähmt starrte ich die Stadt an und vor Freude sammelten sich sogar ein paar Tränen in meinen Augen.
Reiß dich zusammen. Du musst jetzt sofort zur Polizei. Die werden dir diesen "Maulkorb" entfernen und dich in Sicherheit bringen, wenn du ihnen alles schilderst.
Ich rannte die Straße entlang der Richtung meines Zieles und war so getränkt von Hoffnung und Glück, dass ich neue Kraft schöpfte. Es war ein langer Weg, doch das hinderte mich nicht daran, das Tempo beizubehalten.
Irgendwann erreichte ich dann die Innenstadt und kassierte viele verwirrte Blicke, doch das interessierte mich nicht, denn ich hatte ein klares Ziel.
Ich kam an eine kleine Gruppe von vier Leuten vorbei, von denen mich einer urplötzlich festhielt. Ich wehrte und schlug um mich.
"Ruhig. Komm runter. Alles ist gut. Wir wollen dir nur helfen."
Zögerlich tat ich was er sagte. Vielleicht könnten sie mir ja wirklich helfen...
"Was ist das für ein Ding auf ihrem Mund?"
"Woher soll ich das denn wissen?"
"Sie ist total dünn... Ob sie wohl entführt wurde, oder so?"
"Meinst du echt? Glaubst du nicht, dass das ein bisschen übertrieben ist?"
"Naja, sie lief als ginge es um ihr Leben, also denke ich mal nicht, dass es übertrieben ist. Außerdem wer macht sich denn freiwillig so etwas um?"
Ich guckte ihn an und nickte hastig mit dem Kopf.
"Scheiße! Dann müssen wir sie schnell zur Polizei bringen!"
Wieder nickte ich.
"Oh Gott... Ja ok."
Einer nahm mich plötzlich hoch und trug mich. Sie rannten los, in die komplett andere Richtung, als ich eingeschlagen hatte.
Jup... Orientierungssinn: erste Klasse.
Ich suchte die Umgebung währenddessen nach meinen Verfolgern ab. Es sind bestimmt überall welche in der Stadt verteilt. Doch ich konnte keine auffälligen Personen sehen. Generell waren sehr wenige zu sehen, da es ja auch schon sehr spät war.
"Da ist es!"
"Du brauchst nun keine Angst mehr zu haben, ab jetzt wird alles gut, versprochen."
Obwohl es naiv war, glaubte ich ihm. Dennoch beschlich mich ständig das Gefühl, dass die Polizei vielleicht doch nicht so eine gute Idee war... Sie betraten das Gebäude und wurden sofort von zwei Männern abgefangen.
"Sie müssen uns helfen! Dieses Mädchen lief total aufgeschreckt die Straßen entlang. Wir wissen nicht was passiert ist."
Einer der Polizisten kam näher und wollte mich übernehmen, doch ich krallte mich nur fester an den Jungen.
"Keine Angst, die Polizisten werden dir helfen. Hier bist du in Sicherheit. Ich verspreche es dir."
Ich schaute ihm in die Augen und glaubte ihm. Der Polizist nahm mich dem Jungen nun ab und ging ein paar Schritte zurück, währenddessen wandte sich der andere weiter den vier Jungs zu.
"Ok. Ihr könnt sie uns nun überlassen. Wir werden versuchen das Teil auf ihrem Mund zu entfernen, um weitere Informationen von ihr zu erhalten. Wir danken Ihnen sehr für Ihre Hilfe und sie ist Euch auch des Dankes verpflichtet."
"Ja... Gerne."
"Dann heißt wohl jetzt Abschied nehmen. Viel Glück, Kleine."
Die vier verabschiedete sich und der eine Polizist trug mich durch eine Tür in den Hinterraum. Unsicher schaute ich den anderen hinterher. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob das eine so gute Idee war. Er setzte mich auf einen Stuhl und der andere kam nach wenigen Sekunden mit einer Zange herbeigeeilt. Ich guckte erschrocken das Teil an und bekam Angst.
"Du musst uns jetzt vertrauen, ja? Wir wollen dir nur helfen."
Ich schaute den Mann an und nickte zögerlich, nun kam der andere und ich kniff die Augen zu. Ein lautes Geräusch an meinem Ohr ertönte und ich spürte einen leichten Schmerz an meiner Wange.
"Du kannst die Augen nun öffnen."
Ich sah in das erleichterte Gesicht des Mannes, der das Ding in seiner Hand hielt. Tränen füllten meine Augen und ich lächelte zurück.
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