ღ Kapitel 21 - Fortschritte ღ

07.11.2017

Es wäre belogen, wenn ich behauptet hätte, ich würde mich darauf freuen, mit meiner Projektgruppe durch Schwanenberg zu ziehen und irgendwelche "Sehenswürdigkeiten" zu fotografieren. 

Schwanenberg hatte doch sowieso nichts zu bieten außer seiner Aussichtsplattform auf einem kleinen Berg am Stadtrand! Gut, natürlich gab es auch einige Läden wie unser geliebtes Express-O oder die kleine Bäckerei CakeBreak, aber auch das war nichts besonderes, wie ich fand. 

Und trotzdem zog ich gerade mit Grace, der dauerkranken Janina und dem schlecht gelaunten Porter durch die vielen, kleinen Straßen unserer hässlichen Stadt und knipste irgendwelche unnötigen Orte. 

Wir hatten bei Express-O und CakeBreak angefangen und waren dann zur Stadtbücherei und dem Schwanenberger Park übergegangen. Obwohl wir jetzt schon einige Stunden unterwegs waren, hatten wir die meiste Zeit geschwiegen. 

Doch als wir die Stadt verließen und die nähere Umgebung abklapperten, änderte sich das. Ich wusste es nicht, ob es an den Wäldern lag, durch die wir gerade stampfen und die eine märchenhafte Atmosphäre beschworen, aber plötzlich lachten wir sogar hin und wieder, wenn wir ein besonders hässliches Foto schossen. 

Versteh mich nicht falsch, Graces, Janinas und meine Fotos waren hässlich. Kai dagegen war ein wahres Talent. Am Anfang war er zwar noch ziemlich zurückhalten und stampfte nur mit düsterer Miene hinter uns her, doch nun fing er langsam wieder an, mich zu ärgern, auch wenn er nicht so gemein war wie sonst. 

"Du machst es schon wieder", meinte er genau in diesem Augenblick hinter mir. "Immer, wenn du über etwas nachdenkst, runzelst du deine Stirn, Primaballerina. Worüber zerbrichst du dir jetzt schon wieder den Kopf?" 

Ich drehte mich blitzschnell um, um eine schlagfertige Antwort zu liefern, doch dabei stolperte ich über eine Wurzel, die wie aus dem Nichts vor mir aufgetaucht war. Fluchend ruderte ich mit meinen Armen. Tränen schossen mir in die Augen, als der Schmerz in meinen Knien explodierte, weil ich sie so verdreht hatte. 

Nein!, dachte ich mir nur noch, als ich an die harten Steine hinter mir dachte. Vor meinem inneren Auge sah ich mich schon mit aufgeschlagenen Hinterkopf im Dickicht liegen ... 

Kais Hand schnellte vor und packte mich fest am Ellbogen, bis ich wieder Halt fand. Sanft, aber bestimmt, zog er mich nach vorne, bis ich wieder vernünftig stand und meinen Fuß von der Wurzel befreite. 

Ich japste nach Luft und spürte die Röte, die meinen Hals hinaufkroch. Ein merkwürdiger Schauer rieselte über meinen Rücken als mir klar wurde, dass ausgerechnet Porter mich gerade vor einem ziemlich unsanften Sturz bewahrt hatte ... Ich blinzelte einige Male. "Danke", nuschelte ich schließlich und zum ersten Mal meinte ich das ihm gegenüber wirklich ernst. Dass ich das noch einmal erleben durfte ... 

Kai schien von sich selber überrascht zu sein, denn plötzlich ließ er mich so schnell los, als hätte er sich an mir verbrannt. Plötzlich schien er etwas an seiner teuren Kamera einstellen zu müssen und fuhr sich beinahe nervös durch seine dunkelbraunen, zerzausten Haare, während er langsam vor mir zurückwich. 

Meine Haut kribbelte dort, wo er mich berührt hatte, obwohl ich meine dicke Herbstjacke und einen Pullover trug. Verlor ich jetzt endgültig meinen Verstand? Mein Herz pochte heftiger. Was für ein Schwachsinn! 

"Kommt ihr beiden Turteltauben?", rief Grace, die vorgegangen war, in diesem Moment und lächelte spöttisch. "Wir müssen noch zur alten Brücke und zur Höhle, aber wenn ihr euch weiter schöne Augen macht, wird das heute nichts mehr!" 

Mittlerweile musste mein Gesicht wie eine Tomate glühen. "Verdammt, Grace", murmelte ich nur vor mich hin und schor mir, meiner besten Freundin nachher noch einmal die Meinung zu geigen, denn im Ernst ... wie peinlich war das denn? 

Anscheinend wusste Kai auch nicht wirklich, was er darauf noch erwidern sollte, doch dann machte er mit seiner freien Hand, die nicht seine Kamera festhielt, eine ausladende Geste. Seine dunkelbraunen Augen erinnerten mich an geschmolzene Schokolade, als sie sich in mich bohrten. "Nach dir, Püppchen." 

Einige Minuten später erreichten wir die alte Brücke, die ziemlich verborgen im Wald lag. 

Plötzlich schien die Zeit still zu stehen. 

Das Erste, was wir hörten, war das Rauschen des kleinen Flusses. Als wir die letzten Bäume hinter uns zurückließen und über eine winzige Lichtung stiefelten, die von einer dicken Schicht Laub bedeckt war, stieg mir der Duft von Gras, Moos und Natur in die Nase. Irgendwie bereute ich es plötzlich, nicht öfter in den Wald zu gehen. 

Obwohl ich immer an Schwanenbergs Schönheit gezweifelt hatte, wurde mir in diesem Moment bewusst, dass meine Heimat sehr wohl hübsche Ecken besaß. Man musste sie nur finden und ganz genau hinsehen. 

Die einsturzgefährdete Holzbrücke ragte nun direkt vor uns auf. 

Janina zog begeistert ihr Smartphone aus der Jackentasche und begann, einige Fotos zu schießen. Nach einem kurzen Zögern und Blickaustausch, machten Grace und ich es ihr nach. 

Kai hielt so dicht neben mir, dass sich unsere Schultern beinahe berührten und stellte seine Kamera erneut ein. 

Angestrengt schoss ich mit meinem Handy ein Bild nach dem anderen, auch wenn ich selber zugeben musste, dass keines wirklich gelungen war. Stattdessen wirkten sie einfach nur wie ein Farbenbrei aus Braun, Orange und Grau. 

"Du musst die Brücke in den Fokus nehmen", meinte Kai plötzlich. "Nicht den Baum davor." 

Überrascht hob ich meinen Blick. 

"Da", er deutete auf meinen Display. "Du fokussierst falsch. Es kommt auf den Blickwinkel an. Wenn du nur ein Stückchen weiter nach hier kommen würdest", er zog mich sanft ein wenig näher zu sich. "Funktioniert es sogar mit deiner Handykamera. Siehst du? Schon viel besser." 

Wie erstarrt beäugte ich mein Handy und räusperte mich leise, als mir bewusst wurde, wie nahe wir uns plötzlich waren. Ich spürte seine Wärme eindeutig in meinem Rücken, doch seltsamerweise ... war es nicht unangenehm? Ich schüttelte meinen Kopf und biss mir auf meine Unterlippe. Dann konzentrierte ich mich wieder auf die Fotos, anstatt auf den Jungen hinter mir. Kai hatte Recht. Von seinem Blickwinkel aus sahen meine Fotos schon viel besser aus. Er hatte wirklich ein Auge dafür. 

"Danke", murmelte ich machte einen Schritt von ihm weg, bevor ich meinen Kopf über meine Schulter wandte, um ihn anzusehen. "Du kannst das echt gut." 

Kais dunkelbraunen Augen richteten sich überrascht auf mich und er wirkte ein wenig verlegen. Wurde er etwa rot? 
Nein, das musste ich mir einbilden! Porter wurde doch nicht rot! 

"Weißt du, Alyssa", sagte er nach einigen Sekunden nachdenklich. "Ich mag das Fotografieren einfach. Es ist beinahe, als wären meine Fotos lebendig gewordene Erinnerungen. Das mag ich an ihnen, denke ich. Alles um mich herum verändert sich andauernd. Menschen verändern sich. Aber auf meinen Fotos kann ich alles so festhalten, wie es einmal war. Und dann, wenn ich sie irgendwann in meine Hand nehme, kann ich mich genau in diesen Moment zurück versetzen, genauso, wie er war." Kai runzelte seine Stirn, als wäre er von seiner eigenen Aussage überrascht, dann schoss er hastig einige Fotos und entfernte sich von mir. Vielleicht, um einen noch besseren Winkel zu finden. Vielleicht aber auch, weil es ihn peinlich war, was er eben gesagt hatte. 

Ohne es wirklich zu bemerken, beobachtete ich ihn dabei. Es war einfach faszinierend, wie ruhig und friedlich er wirkte, sobald er abdrückte. Als gäbe es nichts außer ihm, seiner Kamera und dem nächsten Foto. 

Mein Herz wurde schwer, als ich mich daran erinnerte, dass ich dieses Gefühl ganz genau kannte. Immer, wenn ich meine Spitzenschuhe angezogen und mich der Musik hingegeben hatte, war ich genauso gewesen wie er. Dann existierte plötzlich nichts mehr außer den nächsten Schritten, der nächsten Figur, der wunderschönen Melodie im Hintergrund und Perfektion. 

Vielleicht gab es ja doch Gemeinsamkeiten zwischen Kai und mir, auch wenn ich es nie geglaubt hätte Wir beide schienen alles zu geben, um unsere Träume ausleben zu können. 

Plötzlich blickte Kai auf und warf mir einen langen Blick aus seinen dunklen Schokoladenaugen zu. 

Letztendlich waren wir doch beide nur Menschen, besessen von dem Wunsch, irgendwie das zu erreichen, was wir uns immer erträumt hatten - Erinnerungen so schön wie möglich festzuhalten, zu tanzen. 

Doof nur, dass vermutlich nur einer von uns seine Ziele erreichen würde ... 

Verbittert riss ich mich von Kais Anblick los und starrte auf mein kaputtes Knie. Würde ich es jemals schaffen? 

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Kai seine Stirn runzelte. "Habe ich etwas im Gesicht, oder warum guckst du so, Ballerina?", fragte er schließlich, aber seine Stimme klang ausnahmsweise einmal nicht spöttisch oder gemein, nein. Stattdessen klang sie genauso warm wie die Herbstsonne, die sich über uns ihren Weg durch die Baumwipfel suchte. Und spätestens, als ich das kleine, schiefe Lächeln und die Grübchen sah, die sich in seine Wangen gruben, konnte ich es Kai nicht übel nehmen, mich "Ballerina" genannt zu haben. 

Meine schlechte Laune war wie weggewischt, auch wenn mein Herz noch immer schmerzte. Spielerisch verdrehte ich meine Augen. "Sei still, Porter, und schieß deine verdammten Fotos", murmelte ich und konnte mir ein kleines Lächeln nicht mehr verkneifen. 

Als ich mich umdrehte und auf die Brücke blickte, die in goldenes Sonnenlicht getaucht war, wurde mir etwas bewusst: 

Etwas zwischen Kai und mir hatte sich verändert und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. 

Aber ich hieß die Veränderungen willkommen. 

Hey!

Dieses Mal ein längeres Kapitel! ^^ Irgendwie hat es mir so viel Spaß gemacht, diese Szenen zu schreiben, dass ich kaum ein Ende gefunden habe, haha xD

Meine Frage an dich: Hast du einen Traum, den du unbedingt erreichen möchtest?

Und wie gefällt dir das neue Cover? 

Bin mal gespannt, was du antwortest! :) 

Alles Liebe, 

Kathy.











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