03.11.2017

Frau Andersen, unsere stellvertrende Klassenlehrerin, hatte sich direkt vor der ersten Tischreihe aufgebaut. Ihre knallrot gefärbten Haare umwölkten ihr käsiges Mondgesicht und kombiniert mit ihren buschigen, dunklen Augenbrauen war sie alles andere als eine Schönheit. Nein, stattdessen wirkte sie viel eher wie eine Furie. "Wir ihr sicherlich alle wisst, steht nächste Woche die Projektwoche an und genau deswegen kommen gleich einige Oberstufenschüler mit Losen, die ihr ziehen werdet! Auf diesen Losen stehen Nummern, die nach und nach aufgerufen werden! Wenn eure Nummer aufgerufen wird, geht ihr bitte in die Aula zum schwarzen Brett und tragt euch für ein Projekt ein! Es ist verboten, die Lose zu tauschen oder jemand anderes in die Listen einzutragen! Bitte verhaltet euch angemessen! Jeder kommt dran! Noch Fragen?" Nachdem sie aufgehört hatte, uns in ohrenbetäubender Lautstärke anzubrüllen, schweifte ihr giftgrüner Blick nun forschend durch die Klasse. 

Niemand gab einen Mucks von sich. Mit Frau Andersen sollte man sich nun einmal nicht anlegen, wenn man nicht unbedingt eine gesamte Woche nachsitzen oder einen Klassenbucheintrag kassieren wollte ... 

Die Furie stemmte sich ihre Hände in die breiten Hüften. "Gut! Dann können wir ja jetzt endlich fortfahren ..." 

Grace lehnte sich zu mir hinüber und strich sich eine dunkelblonde Locke aus der Stirn. "Das ist totale Scheiße", maulte sie. "Wir werden niemals zusammen in ein Projekt kommen! Was ist, wenn ich die Nummer eins ziehe und du zweihundert? Dann ist so gut wie alles belegt! Pro Projekt können es nur höchstens zwanzig Schüler sein ..." 

Ich stützte mein Kinn auf meine Hand und ignorierte Jenna, die mir einen bösartigen Blick zuwarf und mit Nele tuschelte. "Dann müssen wir einfach ein richtig, richtig unbeliebtes Projekt nehmen", überlegte ich. "Etwas, in das niemand freiwillig gehen würde! Ich wette, dann würde sogar die Nummer 357 noch einen Platz bekommen." 

Grace runzelte ihre Stirn. "Theoretisch könnten wir das machen ... Nein, wir müssen es machen, wenn wir nicht getrennt werden wollten!" 

Meine Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. "Ich glaube, mir fällt da auch ein passendes Projekt ein ..." Ich beobachtete die rothaarige Furie, die vor der Tafel auf- und abstampfte und vor sich hin bellte. 

"Schwanenbergs Schönheit", murmelten Grace und ich wie aus einem Mund. 

Mit einem Blick auf den Zettel vergewisserte ich mich, dass sich Grace auch wirklich bei "Schwanenbergs Schönheit" eingetragen hatte. 
Abgesehen von Frau Andersen,  die das Projekt beaufsichtigte, würde es sicherlich nicht so schlimm werden.
Was konnte schon großartig schief gehen?

Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, als ich meinen Namen und meine Klasse eintrug. Wenigstens würden Grace und ich so nicht getrennt werden,  denn es war gekommen,  wie es kommen musste.

Während Grace eine richtig, richtig gute Nummer gezogen hatte, mit der sie wirklich eines der beliebtesten Projekte hätte wählen können, war ich eine der letzten. 

Ich warf einen Blick über meine Schulter und begegnete dunkelbraunen Augen, die mich nach wie vor an geschmolzene Schokolade erinnerten. 

Kai wartete ungeduldig darauf, dass ich endlich fertig wurde. Dabei hatten wir beide eigentlich gar keine andere Wahl mehr, als Schwanenbergs Schönheit zu wählen, denn alle anderen Projekte waren sowieso schon fast voll belegt. 

Als mir klar wurde, dass ich Kai noch immer anstarrte, wandte ich mich hastig ab und riss dabei beinahe die Listen hinunter. "Was glotzt du so blöd? ", fauchte ich und marschierte so schnell wie möglich an ihm vorbei.

Sein schiefes Grinsen entging mir dabei nicht. 

Als ich noch einmal einen Blick über die Schulter warf, beobachtete ich fassungslos, wie Kai seine Unterschrift ebenfalls unter Schwanenbergs Schönheit setzte. 

"Du willst mich doch verarschen, oder?", zischte ich gerade so laut, dass mich der Aufsichtslehrer nicht verstehen konnte und trat wieder ein wenig näher an ihn heran. 

Porter zog eine Augenbraue nach oben. "Ich weiß leider nicht, was du meinst, Primaballerina", behauptete er, doch sein amüsierter Tonfall machte deutlich, dass er log. 

Ich verschränkte meine Arme. "Als ob du dich jetzt auch für Schwanenbergs Schönheit anmeldest!" 

"Wieso denn nicht? Wird sicherlich ungeheuer witzig", murmelte Kai und trug in seiner üblich krakeligen Schrift auch noch seine Klasse in die Liste ein. 

"Könntest du bitte ein anderes Projekt nehmen? Irgendetwas mit deinen unterbemittelten Freunden? Oder nehmen sie dasselbe und machen mir das Leben zusätzlich auch noch in der Projektwoche  zur Hölle?" 

Porter runzelte seine Stirn und starrte auf mich hinab. Seine braunen Augen verdunkelten sich. "Du setzt aber auch alles daran, ja nicht mit mir in eine Gruppe zu kommen, was? Und überhaupt, hast du meine Freunde gerade als unterbemittelt bezeichnet? Weißt du, ich dachte echt, du wärest endlich zur Vernunft gekommen, nachdem du dich vom feigen Anwaltssöhnchen getrennt hast ..." 

Ich knirschte so heftig mit meinen Zähnen, dass es schmerzte. 

"Pass mal auf, Primaballerina. Ich bin auch nicht begeistert von Frau Andersens Projekt, aber ganz im Ernst, schau dich doch mal um! Ich habe gar keine andere Wahl! Die meisten anderen Projekte sind bereits belegt und wenn ich mir angucke, was hier noch übrig geblieben ist, ist das hier das kleinste Übel, auch wenn das bedeutet, deine Launen ertragen zu müssen. Im Ernst, mach doch nicht immer gleich so einen Aufstand."

Ich wusste genau, dass Kai Recht hatte. Und zugegeben, das ärgerte mich schon ziemlich. Warum hatte ich nicht einfach meine Klappen halten können? Nein, stattdessen musste ich ihm jetzt auch noch den Triumph gönnen, dass ich mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten machte!

Schnaubend drehte ich mich um.

"Ach, noch etwas, Primaballerina."

Ich warf einen tödlichen Blick über meine Schulter.

Wieder einmal umspielte dieses schiefe Grinsen seine vollen Lippen und kleine Grübchen hatten sich in Kais Wangen gegraben. Er fuhr sich kurz durch seine dunkelbraunen Haare, sodass sie in alle Richtungen abstanden, bevor er murmelte: "Schon witzig, dass du dir einbildest, ich würde nur für dich in so ein beschissenes Projekt gehen." Er machte noch einen Schritt auf mich zu. 

Einen winzigen Wimpernschlag lang spürte ich seinen warmen Atem auf meinen Lippen und eine leichte Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Unwillkürlich hielt ich den Atem an und schlug meine Augen nieder. Plötzlich war ich nicht einmal in der Lage, auch nur meinen kleinen Finger zu bewegen und meine Kehle war wie zugeschnürt.

Dann war der Moment auch schon wieder vorbei. 

Kai schüttelte seinen Kopf und entfernte sich wieder ein Stückchen von mir. Als er dann jedoch an mir vorbeiging, streiften seine Schultern mich noch einmal. 

Sofort zuckte ich zusammen, als hätte er mich geschlagen, während Kai selber nicht einmal mit der Wimper zuckte und unbeeindruckt davon marschierte. 

Auch als Kai längst verschwunden war, stand ich noch immer an derselben Stelle in der Aula, vor diesem schrecklichen, schwarzen Brett und fragte mich, ob das gerade wirklich passiert war. 

Wie betäubt hob ich meine Finger an meine Lippen, die sich plötzlich eiskalt anfühlten. 

Seit wann ließ ich mich so von Kai Porter aus der Bahn werfen? Wieso war mir nichts Schlagfertiges eingefallen? Gott, war das peinlich ... 

Stöhnen vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen und versuchte, den Blick des Aufsichtslehrer zu ignorieren, der sich in meinen Rücken brannte.
Am liebsten hätte ich die Listen vom schwarzen Brett gerissen, genauso, wie ich es vor einiger Zeit mit den Postern der Tänzer bei mir im Zimmer getan hatte.
Es hatte irgendetwas Befriedigendes an sich gehabt, das, was einen so aufwühlte, in Fetzen zerrissen am Boden zu sehen...

Aber die Wahrheit war, dass ich noch immer nicht wusste, wie ich mich verhalten sollte. Warum verwirrte Porter mich nur so? 

Genervt wischte ich mir eine meiner honigblonden Strähnen aus der Stirn und starrte auf den Aushang von Schwanenbergs Schönheit. 

Anscheinend würde ich diesen Idioten niemals loswerden. 

Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was mich nächste Woche erwarten würde ... 

Hey! ^^ 

Wie findest du das Kapitel? :) Und freust du dich auch schon genauso auf die "Projektwoche" wie ich? 

Das bringt mich auch schon zu einer Frage: Hast/hattest du an deiner Schule auch Projektwochen? Und wenn ja, an was für Projekten hast du teilgenommen? 

Ich hoffe jedenfalls, dass dir die Idee gefällt! Wenn ja, wag ruhig den kurzen Klick auf das Sternchen oben und wenn nicht, hinterlass mir bitte konstruktive Kritik!

Ansonsten wünsche ich dir natürlich ein wundervolles Wochenende, 

Kathy. ^^

(Unglaublich, mir fällt gerade auf, dass das hier schon das 19. Kapitel ist! *-*)