Brief 3

11 Tage ohne dich

Lieber Kian,

Ich war heute in der Bibliothek. Jap, richtig gelesen. Dein Vater hat uns erlaubt, uns auf dem Palastgelände frei zu bewegen. Ich nerve ihn schon seit Tagen mit Fragen über die Todeszone. Ich will wissen, wie es da ist, weil ich mir absolut nicht vorstellen kann, was du gerade so machst. Am liebsten wäre ich dabei. Okay, zugegeben „Todeszone" und die ganzen Geschichten darüber... das klingt nicht nach einem entspannten Urlaub. Und ich wäre wahrscheinlich alles andere als nützlich. Aber ich fühle mich so verloren, wenn ich hier dumm rumsitze und weiß, dass du irgendwo da draußen bist und dein Leben riskierst.

Dein Vater hat nicht die Zeit, sich mit mir und meiner Fragerei auseinanderzusetzen, aber er meinte, ich darf in der Bibliothek schauen, ob ich dort etwas finde, das mich ruhigstellt. Er hat echt die Nase voll von mir. Ethan hat mir die Bücher gezeigt, die du dazu gelesen hast und ich habe deine Notizen darin gefunden und die ganzen Vermerke zu dem verrückten Kasimir. Ich würde gerne mit ihm reden, aber ich glaube, ich muss deinem Vater ein paar Tage Ruhe gönnen, bevor ich wieder anfange, ihm auf die Nerven zu gehen. Also habe ich mir vorgenommen, für die nächste Zeit weiter in der Bib abzuhängen. Vielleicht finde ich da auch was über Jäger und Druiden. Und ich will mehr über Gefährtenverbindungen rausfinden. Vielleicht gab es ja schon mal ein Gefährtenkind, das einen Nachkommen von Jägern nicht berühren konnte, ohne ihn beißen zu wollen? Und am besten finde ich gleich noch eine Anleitung dazu, wie man das Problem loswird?

Stell dir mal vor, das funktioniert. Du kommst zurück und ich kann dich richtig umarmen, ganz ohne Vorsicht. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich mich da zurückhalten könnte. Ich will so gern wissen, wie es ist, dich zu berühren. Ohne Stoff dazwischen. Ich will wissen, wie sich deine Haut anfühlt. Und deine Lippen.

Seit wir darüber geredet haben, hört mein Kopf einfach nicht mehr auf, darüber nachzudenken... Also noch mehr als zuvor. Ich glaube, ich würde es mögen, dich zu küssen. Nicht nur auf den Mund. Wow, es ist mega komisch, sowas aufzuschreiben. Und vor allem, mich davon abzuhalten, andere Dinge zu schreiben, die in meinem Hirn rumschwirren. Ich will aber nicht riskieren, dir die Briefe vor Scharm nicht geben zu können. Deshalb: Themawechsel.

Ich bin zu deiner Hochzeit eingeladen. Irgendwie will ich, glaube ich, nicht ganz verstehen, dass du wirklich heiraten wirst.

Du bist verlobt!

Das fühlt sich falsch an. Nein, falsch ist noch eine gewaltige Untertreibung. Aber ich will nicht wieder anfangen, darauf herumzureiten. Du hast es mir erklärt und so wenig ich es begreifen will, ich verstehe, was dir dabei durch den Kopf geht. Es ist nur seltsam, dabei zuzusehen, wie all diese Vorbereitungen getroffen werden, während ich nachts in deinem Bett liege und über eine Zukunft phantasiere, die so nicht kommen wird.

Ich frage mich, ob anderen auffällt, dass diese Hochzeit nur eine Farce ist. Immer, wenn sie zur Sprache kam, dann war da dieser dunkele Schatten um dich herum. Keine Ahnung, ob ich mir das nur eingebildet habe oder, ob es daran liegt, dass ich dich ziemlich gut durchschauen kann. Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich dir wünsche, dass andere es nicht bemerken. Ich will natürlich nicht, dass deine Familie an Integrität verliert, aber so sehr ich auch versuche zu erkennen, wie du auf diesem Wege glücklich werden kannst, ich schaffe es einfach nicht. Und ich weiß, dass es dir genauso geht und dass dir das egal ist. Aber mir nicht.

Ich bin mir nicht mal sicher, ob das alles darauf hinauslaufen wird, was dein Vater sich wünscht. Klar sind es gerade schwierige Zeiten. Aber genau deshalb bringt es doch nichts, den einfachen Weg zu gehen. Die Hochzeit wird ja wohl kaum alle Probleme verschwinden lassen.

Oh Mann, ich versuche schon wieder mit dir zu diskutieren. Obwohl du nicht mal da bist. Tut mir leid. Das beschäftigt mich einfach. Aber es gibt Dinge, die gerade wichtiger sind. Du musst erstmal sicher und hoffentlich erfolgreich zurückkommen, dann soll deine Mama gesundwerden und vielleicht lösen sich bis dahin manche Sorgen von selbst.



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