51
Silas
Wie einen Karren zog Benedict mich hinter sich her. Ich hatte versucht, ihn von mir zu schlagen und brüllte ihn an, aber er riss mich nur noch gröber mit sich.
Was auch immer Benedict plötzlich von Kian wollte, mir war es lieber, dass er mich für immer unter Schmerzen durch den Palast zerrte, als Kian in diesem Zustand zu erwischen.
Im Thronsaal warf er mich auf den Boden. Ich schlidderte etwa einen halben Meter auf der Seite und spürte die Paste von meinen Wunden reißen. Mein schmerzerfülltes Keuchen hallte durch den Saal, ebenso, wie Benedicts Schritte.
Er kniete sich zu mir, packte sich mein Gesicht und drehte es zu beiden Seiten, während er mich musterte.
„Finger weg!" Ich versuchte seine Hand wegzuschlagen, aber er fing sie ab und drehte sie mir auf den Rücken, sodass ich mit dem Bauch auf dem Boden lag. Dann riss er an meinen Haaren, so, dass er sich meinen Nacken ansehen konnte.
„Wo ist sie, mh?"
Er lockerte seinen Griff und gab mir somit die Gelegenheit, von ihm wegzukriechen.
Ich wusste, dass er nicht aufhören würde, bis er gefunden hatte, wonach er suchte und wollte einfach nur möglichst viel Abstand zwischen uns bringen, hoffte, ich könnte genug Zeit schaffen, mir einfallen zu lassen, wie ich mich gegen ihn wehren konnte.
Als die Türen aufgingen und Benedict dorthin sah, rappelte ich mich auf und rannte zu Kian. Er sah selbst nicht so aus, als wäre er in einer besseren Lage als ich. Seine verängstigten Blicke sprangen zwischen seinem Vater und mir hin und her, während Charlie ihn mit sich zerrte. Kurz bevor ich ihn erreichte, ließ Charlie ihn los.
Kian ging auf mich zu. Er streckte die Arme nach mir aus und ich wollte nichts lieber, als mich an ihn zu pressen.
Bevor ich ihn erreichen konnte, hatte Benedict mich an den Haaren gepackt und daran zu sich gezogen.
„Dachtest du, ich merke es nicht?", zischte er Kian zu.
„Benedict, Silas wehzutun, bringt grade keinem was."
„Rede!", brüllte der König, ohne auf Charlies Worte einzugehen.
Kians Blick hatte sich an mir festgesetzt. Er machte den Mund auf und ich sah ihm an, dass er es versuchte, aber er brachte keinen Ton hervor.
„Verdammt, Benedict!", schrie nun auch Charlie. „Lass den Jungen los!"
Benedict schnaube abfällig und schubste mich zur Seite, als würde er einen Müllsack wegwerfen.
Kian machte einen Schritt in meine Richtung. Er wollte sich zu mir beugen, aber sein Vater holte aus und knallte ihm in einem Schlag die Rückhand über das Gesicht.
„Bist du wahnsinnig?!" Charlie packte sich Benedicts Arm noch in der gleichen Bewegung und zerrte ihn von Kian weg.
Ich saß fassungslos am Boden, während Kians Hand zu seiner Wange glitt und er die Flüssigkeit an seinen Fingerspitzen musterte.
Sein Vater hatte ihm mit seinen Krallen vier Schnitte verpasst, die sich über seine rechte Wange zogen. Einer davon hatte sein Auge nur knapp verfehlt, setzte sich aber dafür an seiner Augenbraue fort.
Ich zwang mich auf die Beine und eilte zu ihm. Sobald ich ihn erreicht hatte, nahm ich ihn in den Arm, ohne zu beachten, was Charlie und Benedict einander zubrüllten.
Kians Körper war hart vor Anspannung. Ich löste mich von ihm, nur so weit, dass ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Er schaute regungslos auf seine Fingerspitzen.
Drei seiner Wunden waren so tief, dass das Blut begann, ihm vom Kiefer und auf die Brust zu tropfen. Ich zog mir den Ärmel über die Hand und wollte es vorsichtig wegwischten. Kian wich zurück, sein Gesicht vor Schmerz verzogen und seine Augen mit Angst gefüllt.
Schnell erkannte er, dass ich es war, der die Hand vor ihm gehoben hatte. Er ließ den angehaltenen Atem in einem Stoß entweichen, murmelte meinen Namen und presste mich an sich.
Dass es hinter mir polterte und krachte, weil Benedict die Einrichtung durch den Raum schleuderte, blendete ich aus. Ich drückte mich an Kian Brust, versuchte mit ihm zu einem Teil zu verschmelzen. Alles, was ich hören wollte, war sein Herzschlag. Selbst, wenn das bedeuten würde, für alles andere taub zu werden.
„Was ist hier los?!", donnerte plötzlich Victorias Stimme plötzlich den Saal.
Benedicts Schreie verstummten, ebenso wie Charlies Versuche, auf ihn einzureden.
Kian drehte sich zu seiner Mutter, ohne mich loszulassen.
Ich konnte nicht sehen, wie sie auf Situation reagierte, wollte mich nicht von Kian lösen. In seinen Armen zu sein fühlte sich sicher an. Die Schmerzen, die Benedict mir zugefügt hatte, konnten mich hier nicht erreichen, wie genauso wenig wie die Furcht davor, was er noch im Stande war zu tun.
„Ethan, such nach Austin."
Die Türen knallten zu und ich hörte Victorias Absätze auf dem Stein klackern. Sie kam Kian und mir näher. Ich drückte mich noch fester an ihn.
„Mein Junge", hauchte Victoria. Ich konnte sehen, dass sie ihre Hand nach Kian ausstreckte, aber auch, dass sie sie auf halbem Wege wieder zurückzog.
Kian umklammerte mich fest und zog mich mit sich, einen Schritt zurück.
„Dein Mann ist durchgedreht", teilte er seiner Mutter mit.
„Natürlich, beschwer dich bei deiner Mutter. Aber sag ihr auch, was du angerichtet hast."
„Ich habe nichts getan, das das hier rechtfertigen könnte." Kians Stimme bebte. Alles, was ich tun konnte, war ihn umso fester zu drücken.
„Du hast ihn markiert!"
Kian schluckte hart.
„Willst du mir sagen, das hast du nicht mal bemerkt?! Wie dumm kann man sein?!"
Kian legte die Hände auf meine Schultern, um mich daran zurück zu schieben. Mit zitternden Fingern strich er mir die Haare aus dem Gesicht. Ich versuchte ihm durch meinen Blick zu versichern, dass ich okay war. Es ging mir alles andere als gut, aber ich war okay.
„Kannst du bitte dein Oberteil ausziehen?"
„Warum sollte ich?"
Kian schaute über mich hinweg, dorthin, wo sein Vater stehen musste.
Ich machte einen Schritt zurück, unsicher darüber, ob Kian überhaupt registrierte, was gerade passiert war. Nichts, was sein Vater sagen oder tun konnte würde mich dazu veranlassen, jemals wieder in irgendeiner Art und Weise mit ihm zu kooperieren.
„Der Biss heute Nacht..." Kian begann den Satz ohne zu wissen, wie er ihn beenden wollte.
Ich sah zu Victoria, die mich schwach anlächelte. Darüber konnte ich nur schnauben. Ihr Lächeln konnte sie ihrem gewalttätigen Mann in den Arsch schieben. Dort konnte es vielleicht etwas bewirken.
Ich wusste nicht, was mich dazu veranlasste, mir mein Oberteil auszuziehen. Am ehesten konnte es daran liegen, dass ich mir erhoffte, dann eine Erklärung zu bekommen.
Dass Kian aufgehört hatte, mich festzuhalten und auf die Vorwürfe seines Vaters eingegangen war, hieß für mich nichts anderes als, dass er nach wie vor nicht wusste, auf welcher Seite er stand.
Bisher hatte ich mich selbst davon überzeugt, dass wir alle eigentlich das Gleiche wollten. Frieden. Harmonie. Liebe. Glück. Aber Benedict hatte durch seinen Übergriff eine Grenze gezogen, über die ich nicht treten würde, solange ich für mich selbst auch nur das kleinste Bisschen Respekt übrighatte.
Kian kam näher zu mir. Erst dadurch bemerkte ich, wie weit ich mich von ihm entfernt hatte. Er legte eine Hand an meinen Arm hob ihn hoch, dass er sich die Innenseite meines Oberarms ansehen konnte.
Für mich sah es nicht anders aus als die Bisse, die Boris und ich uns beim Kämpfen zugefügt hatten. Nur die Form der Zähne war anders. Doch im richtigen Licht, und das sah ich erst, als mir jemand von hinten die Hände auf die Schultern legte, erkannte ich eine dunkle Verfärbung um den Biss herum.
Ich schlug die Hände von mir, ohne zu wissen, ob es Charlies oder Benedicts gewesen waren und wich einige Schritte von allen anderen zurück.
„Kann mir jetzt einer erklären, was das alles soll?"
„Kian hat dich markiert", sagte Charlie.
„Was zum Fick soll das bedeuten?!" Ich richtete meinen Blick zu Kian, verlangte nach einer Antwort. Ich hatte seine Wortlosigkeit noch nie so verflucht wie in diesem Moment. Alles, was ich daraus lesen konnte, war, dass er überfordert war. Aber das war ich auch.
„Das bedeutet, dass jeder Erwachte riechen oder instinktiv wissen wird, dass du zu Kian gehörst, wenn sie in deine Nähe kommen."
„Durch den Biss?"
Charlie schüttelte den Kopf. „Es muss viel mehr gewesen sein als das."
Ich war mir nicht sicher, was Charlie damit meinte. Ob er wusste, dass wir Sex hatten oder ob die Markierung damit überhaupt zu tun hatte.
Ich schaute zu Kian, aber er starrte wie besessen auf den Boden.
„Na und?", fragte ich, als ich begriff, dass ich mir von ihm hier keine Unterstützung erwarten konnte. Ich zog mir meinen Pullover wieder an und richtete mich ausnahmslos an Charlie.
Ich wollte hier weg und das so schnell wie möglich.
Benedict wiederholte meine Worte herablassend: „Na und? Du bist so respektlos. Dass Kian dich markiert hat, ist entwürdigend. Wir machen das rückgängig, so schnell wie möglich!" Er spuckte mir seine Worte nur so entgegen.
Für jeden Schritt, den er sich mir annäherte, ging ich einen zurück.
„Du willst nicht ernsthaft versuchen, vor mir wegzulaufen."
Gar keine so schlechte Idee. Aber so weit kam es nicht. Benedict wurde zurückgerissen.
Kians Rücken tauchte vor meinen Augen auf. Sein Vater wollte an ihm vorbei zu mir, aber Kian stellte sich erneut dazwischen und schubste seinen Vater zurück.
„Kian", drohte er.
„Wage es nicht, ihn nochmal anzufassen."
Er lachte bitter auf. „Sonst was?"
Ich zog Kian am Arm von seinem Vater weg, während Charlie Benedict an den Schultern nach hinten drückte.
„Das Problem wird nicht verschwinden, wenn ihr euch bekämpft", sagte Victoria und teilte eine Runde vorwurfsvolle Blicke aus. Ich konnte nichts anders als festzustellen, dass sie mich mit diesem Problem meinte.
„Du hast recht", sagte Benedict zu ihr. Er zupfte sein Oberteil zurecht und deutete Charlie durch das Heben seiner Hände, dass er sich beruhigt hatte.
„Setzen wir uns und überlegen uns eine Lösung." Er schaute jeden von uns an.
Charlie nickte, ebenso wie Victoria und Kian. Ich konnte nicht fassen, dass er es seinem Vater so leichtmachen wollte, ihn, nein uns, wie Prügelsäcke zu behandeln.
„Einen Scheiß werde ich." Ich verschränkte meine Arme und starrte Benedict verhasst an.
Kian drehte sich zu mir. Ich wich zurück, wollte nicht hören, wie er vorhatte, mich davon zu überzeugen, nach einer Lösung zu suchen, für die es meiner Meinung nach kein Problem gab.
Bei der ADGD gab es keine Erwachten, die irgendetwas an mir wahrnehmen und mich so mit Kian in Verbindung bringen konnten. Und selbst wenn... Kian hatte letzte Nacht selbst gesagt, dass von ihm aus die ganze Welt wissen konnte, was wir taten.
Ich war es leid so tun zu müssen, als seien unsere Gefühle füreinander etwas, das wir verstecken mussten. Etwas, das es um jeden Preis zu verbergen galt.
Benedict musste einsehen, dass es wichtigeres gab als über die Beziehungen seines Sohnes zu bestimmen. Er sollte sich um seinen Königsscheiß kümmern und Kian und mich in Ruhe lassen.
Kian verstand, dass ich gerade nicht in seiner Nähe sein wollte. Ich musste einen klaren Kopf bewahren, wenn ich aus dieser Situation rauskommen wollte ohne mich dafür hassen zu müssen, welche Entscheidungen ich währenddessen getroffen hatte.
Er blieb stehen und ich tat das gleiche.
„Diese Markierung bringt dich in Gefahr, Silas."
Ich schüttelte den Kopf, versuchte einfach nicht hinzuhören, während er redete, als würde er einem Kind erklären, dass es nicht den ganzen Tag nur Süßigkeiten essen konnte.
„Jeder, der mir schaden will, wird auch dir schaden wollen. Und jeder, der mich unterstützt, wird alles tun, damit ich mich von dir lossage."
„Damit kann ich leben."
Er schüttelte den Kopf.
Ich sah ihm an, wie gerne er zu mir wollte, mich irgendwie berühren. Aber ich wusste, in seinen Händen würde ich schmelzen. Und das konnte ich nicht zulassen. Nicht, wenn ich auch nur die geringste Chance auf eine Zukunft mit ihm wollte.
Er konnte oder wollte nicht für uns kämpfen. Also musste ich es tun. Selbst, wenn das bedeutete, mich gegen ihn zu stellen.
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