2 - Alle guten Dinge sind drei
„Gut", lächelt nun auch Anni, dass vor ihnen liegende Waldstück musternd, „Der Schatten hat anscheinend kein Problem mit schnellen Wendemanövern, wenn er so schnell zwischen diesen Bäumen verschwinden konnte. Gerade, wenn die Bäume so eng und kreuz und quer wachsen."
„Das heißt, wir sollten den unbekannten Schatten auf jeden Fall nicht unterschätzen!", schlussfolgert nun auch Violene.
„Am besten schauen wir mal, ob wir hier in der Nähe vom Wald irgendwelche Spuren finden. Vielleicht hat der Schatten ja unabsichtlich welche verursacht", dabei geht Annis Stimme gen Ende hin mehr zu einem Murmeln über.
Einverstanden mit dem Plan nickt Violene unmerklich, als Anni zusammen mit Zickzack den Boden und die näheren Pflanzen nach frischen Spuren absucht.
Nur dass sie es den beiden nicht gleichtut. Stattdessen hebt sie den Blick mehr und sieht konzentriert zu den Bäumen. Der Schatten ist dorthin verschwunden. Und sehr wahrscheinlich werden sie ihn auch dort finden. Während sie mit dem Blick Richtung Wald verharrt, merkt sie, wie alles in ihr unbedingt in den Wald gehen will. Dem mysteriösen Schatten hinterher, um endlich sein Geheimnis lüften zu können. Aber gerade eben noch hat sie Anni ein Versprechen gegeben. Und das direkt wieder zu brechen, würde den beiden keineswegs helfen.
Mit langsamen Schritten nähert sie sich der Grenze, weiterhin fokussiert zu den Bäumen und zwischen ihnen tiefer in den Wald blickend. Dabei sich vorrangig auf das Hören konzentrieren. Auch Schocker hat eine wachsame Haltung eingenommen und lässt seinen Blick – wie seine Reiterin – vorrangig Richtung Wald ruhen.
Es kann doch nicht sein, dass diese Insel unbewohnt ist. Wenigstens ein paar redselige Schreckliche Schrecken müssten hier doch zu finden sein... Oder der Schatten selbst. Wenn es ein Drache wäre und reden würde, dann hätten wir eine Chance schon jetzt mehr zu erfahren. Dann wüsste ich wenigstens, worauf wir uns einstellen müssen.
Nur war weder Annis Suche nach frischen Spuren noch Violenes Versuch Drachenlaute zu erahnen, erfolgreich. „Der Schatten ist anscheinend direkt im Wald verschwunden. Weder der Boden noch die Pflanzen hier weisen irgendwelche Spuren, geschweige denn umgeknickte Äste oder Ähnliches auf", kopfschüttelnd schließt sie dabei mit Zickzack zu Violene und Schocker auf.
„Wir haben auch keine Spuren finden können. Was auch immer es wahr, es muss echt geschickt sein", seufzt Violene kurz. Ein kleiner Drache könnte so etwas schaffen, aber dafür war der Schatten zu groß. Was, wenn es sich dabei gar nicht um einen Drachen handelt...?
„Dann wäre der nächste Schritt wohl der Wald. Seid ihr bereit, sich dem Schatten zu stellen?", herausfordernd schmunzelnd sieht Anni zu Violene.
„Bereit? Natürlich!", erwidert diese entschlossen grinsend, „Ich mein, der Schatten kann ja nicht schlimmer sein als das, was wir beide bisher schon so sahen."
Das Anni dabei an ihre erste Begegnung mit Zickzack und die Geschichte mit dem Brüllenden Tod denkt, während es bei Violene vielmehr ihr Onkel und diverse Drachenjägerschiffe sind, behalten die beiden stumm für sich. Dem jeweils anderen nichts von diesen Erlebnissen erzählend.
So ist es beschlossene Sache und die beiden betreten gleichzeitig den Wald, eng begleitet und gefolgt von ihren Drachen. Die es diesmal sogar schaffen, ohne gegenseitiges Anknurren auszukommen.
* * * * * *
„Das war mehr als knapp...", noch immer außer Atem versucht die junge Heilerin so gut sie kann leise Luft zu holen. Eigentlich waren sie nur auf der Durchreise zur nächsten geeigneten Insel, wo sie sich wieder für ein paar Tage ein Lager aufschlagen können. Und die jetzige Gegend schien so gut gepasst zu haben, da sie bis jetzt hier noch keine Drachenjäger entdecken konnten. Und selbst wilde Drachen schienen hier eher nur vereinzelt zu leben.
Selbst Skayla, ihre Klingenpeitschlingdame und Seelendrache, war guter Dinge, was diese Gegend hier anging. Dementsprechend wollten sie daraufhin eine der Inseln hier ansteuern, bis Skayla dabei überraschenderweise zum Sturzflug überging. Zuerst konnte sie nicht verstehen warum, bis sie aus dem Augenwinkel zwei große fremde Drachen entdeckte, weshalb die Drachendame sich anscheinend für den Sturzflug entschied.
Auch wird Amelie das Gefühl nicht los, das sich etwas oder jemand auf den Rücken dieser Drachen befand. Viel Zeit zum Nachgucken blieb ihr wiederum nicht, da der hellblaue Drache von den beiden versucht hatte sie einzuholen. Nur scheint irgendetwas diesen Drachen von seiner Verfolgung abgehalten zu haben, sonst hätten sie vermutlich nicht so problemlos im Wald auf dieser Insel verschwinden können.
Bleibt nur noch die Frage, ob ihre Verfolger auch wirklich aufgegeben haben oder noch immer Gefahr droht.
„Okay Skayla... Wir wissen nicht, ob diese Drachen uns gefolgt sind. Am besten halten wir uns vom Waldrand erstmal fern und bleiben lieber mehr zwischen den Bäumen versteckt, oder?", fragend sieht Amelie zu ihrem Seelendrachen, die Stimme dabei gesenkt haltend. Um ihre Position nicht unnötig zu verraten.
Vorsichtig versucht Skayla, sich ebenso leise wie ihre Reiterin zu verhalten und stupst sie sanft an der Schulter an. Ihrer Reiterin Mut machen wollend nickt sie dann, nur um anschließend in die Richtung zu sehen, die sie bis jetzt eingeschlagen hatten.
„Du hast Recht", lächelt nun auch die junge Heilerin, „Vielleicht finden wir ja irgendwo eine Höhle oder einen Hügel oder so, wo wir uns verstecken und abwarten können, ob wir wirklich verfolgt werden. Wenn das wirklich eher große Drachen waren, dann werden sie bestimmt schon aus einiger Entfernung zu hören sein."
Gesagt, getan. Kurz überprüft Amelie, ob alles sitzt, wie es sitzen sollte, bevor sie mit Skayla tiefer in den Wald hineinschleicht. Dabei die Ohren gespitzt, um mögliche Verfolger hoffentlich eher mitzubekommen, als dass diese sie entdecken.
Schlussendlich haben die beiden jungen Reiterinnen ihren Drachen das Kommando überlassen. Nicht, weil sie sich diese Suche selbst nicht zutrauen würden, sondern, weil sie vielmehr ihren Drachen und deren Geruchssinn vertrauen diesen unbekannten Schatten aufspüren zu können.
Ihren Drachen somit folgen - welche abwechselnd in verschiedene Richtungen spähen und mehrfach mit Blicken ausdiskutieren, in welche Richtung sie als Nächstes gehen sollen – nutzen sie selbst die Zeit, um sich darin zu üben mit verschiedenen Gesten zu kommunizieren. Was denn beiden öfters mal ein kleines Lächeln oder Schmunzeln entlockt.
Ein plötzliches Knacken lässt sie innehalten. Nicht wissend, dass eine junge Heilerin innerlich mit sich gerade schimpft, dass sie nicht aufpasste und einen trockenen Ast erwischt hat. Zu spät bemerkt sie Skaylas Reaktion, wie diese leise zu knurren beginnt und sich neben ihrer Reiterin mehr aufrichtet.
Das fremde Knurren gehört haben, beginnt auch Schocker zu knurren. Wobei er kurz zu seiner Reiterin sieht, welche ihm bestätigend zunickt. Mit einer kurzen Bewegung kontrolliert Violene, dass ihr Tuch noch immer sitzt, eine andere Hand nah bei ihrem Dolch habend.
„Scheint so, als hätten wir unseren Unbekannten gefunden", murmelt Anni wiederum, eine Hand nahe an ihrem Schwert habend, während Zickzack sich beschützend neben ihr mit aufbaut.
„Wer auch immer da ist, zeig dich!", bestimmt ergreift Violene das Wort und unterbricht die damit seltsame Stille, die sich über die Szenerie gelegt hatte. Nicht nur, dass die Bäume schon die Sicht etwas einschränken, die Pflanzen in diesem Teil des Waldes tun ihr Übriges dazu.
Die menschliche Stimme lässt Amelie verwirrt innehalten. Sie klingt weiblich. Und soweit sie weiß, gibt es keine Frauen bei den Drachenjägern. Jedenfalls ist sie noch nie welchen begegnet. Es ist eben diese Sache, die sie skeptisch werden lässt. Als sie sich der Insel näherten, hatten sie auf dieser Insel keine Dörfer oder Hütten gesehen.
Unmerklich schluckend, versucht Amelie ihren Mut zusammenzukratzen und streicht Skayla sanft über die Schnauze, sich so ihr und der Drachendame Mut zusprechend. Diese gurrt leise, als würde sie ihrer Reiterin versprechen, dass - egal was passiert – sie ihre Reiterin beschützen wird. Als würde die Klingenpeitschlingdame das unterstreichen wollen, bewegt sie drohend ihren Schwanz, dessen Stacheln bedrohlich schimmern.
Schlussendlich ist es das, was der jungen Heilerin den meisten Mut gibt, sodass sie in enger Begleitung von Skayla die Pflanzen durchquert und sich der unbekannten Stimme stellt.
Überrascht beobachten Anni und Violene wie ein junges Mädchen, ungefähr im selben Alter wie sie selbst, aus den Pflanzen vor ihnen auftaucht. Noch überraschter fällt ihr Blick dann auf den Klingenpeitschling, welche leise knurrt und die beiden Reiterinnen drohend mustert. Was Zickzack und Schocker wiederum nicht auf sich sitzen lassen wollen und selbst mehr knurren und sich anspannen.
„Schocker, nicht", flüstert Violene unmerklich, eine Hand auf seine Schnauze legend und ihm so bedeuten seinen paralysierenden Nebel zurückzuhalten. Dabei behält sie ihren Blick fest auf die Fremde und den Drachen neben ihr gerichtet. Könnte es wirklich sein, dass sie und dieser Drache zusammengehören? Jedenfalls macht dieser keine Anstalten sie zu fressen...
„Ist das dein Drache?", neugierig ergreift Anni diesmal das Wort, eine offene Haltung einnehmend, „Das ist ein Sattel auf dem Rücken, oder? Ich heiße Anni und das ist mein Freund Zickzack." Bei diesen Worten zeigt sie zuerst auf sich und dann auf den dunkellilanen Skrill neben ihr, welcher langsam das Knurren einstellt und stumm neben seiner Reiterin bleibt. „Und wie heißt du?"
Die ersten Sekunden genutzt haben, um das eigene überrascht sein zu verdauen, versucht Amelie sich auch zu einem Lächeln durchzuringen. Mit vielem hätte sie gerechnet, aber nicht damit, zwei Mädchen ungefähr in ihrem Alter gegenüberzustehen. Und das neben diesen sich Drachen befinden. Und irgendwie scheint es auch nicht mehr so unwahrscheinlich zu sein, dass es sich dabei um ihre Verfolger von eben gerade handelt. Könnte es sogar sein, dass eine von ihnen...? Das Thea...?
„Ich heiße Amelie und das hier ist Skayla. Mein Seelendrache", ringt sie sich dann doch zu einer Antwort durch. Die Angst, wieder verraten zu werden oder in eine Falle zu geraten, will sich einfach nicht abschütteln lassen. Zu viele schlechte Erfahrungen musste sie schon machen. Sollte es diesmal anders sein?
„Ich bin Violene und der Leuchtende Fluch neben mir ist Schocker", stellt sich nun auch Violene vor, selbst aber zurückhaltend bleibend, der Situation vielleicht sogar noch weniger trauen als Amelie. Für einen kurzen Moment musste sie zurück an Narvik denken. Wie er mithilfe von Rikke und seinem Drachen sie und Schocker befreite. Wie sie bei ihm wieder zu Kräften kommen konnte, gemeinsam mit ihrem Drachen. Wie er ihr versprach mit ihr eines Tages ihre Familie zu suchen, den Stamm, zu dem sie gehört.
Und er schlussendlich bei dem Angriff dort sein Leben gab, um sie ein zweites Mal zu retten. Und doch wusste sie nicht wirklich etwas über ihn. Wer er schlussendlich war. Wie also soll ich dieser Amelie trauen können, vielleicht gehört sie ja auch zu...
„Du, Amelie, ich habe so einen Drachen wie Skayla noch nie gesehen. Was ist das für eine Art?", nimmt Anni das Gespräch wieder auf.
„Skayla ist ein Klingenpeitschling. Und Zickzack? Ich habe noch nie solche Drachen wie eure gesehen", langsam auch mehr auftauend mustert Amelie neugierig Schocker, dann Zickzack.
„Ein Skrill. Und ein ziemlich guter Freund", lächelt Anni mehr, sich vor allem darüber freuen, dass Amelie offener wird, „Bist du auch auf der Reise? Vio und ich sind vor wenigen Tagen aufgebrochen und wollen gemeinsam das Inselreich erkunden! Vor allem die Ecken und Gegenden, die noch auf keiner Karte markiert sind. Du kannst uns bestimmt gerne begleiten, oder Vio?"
Grinsend sieht die rothaarige Reiterin zu Violene, welche den Blick überrascht erwidert. Aus ihren Gedanken gerissen.
„Vio? Ich dachte, du heißt Violene", fragt Amelie nun auch Violene.
„Ja, Anni hat mir den Spitznamen Vio gegeben, als wir uns das erste Mal begegneten", lächelt Violene unmerklich und zieht das Tuch runter. Eine Geste, die Amelie innerlich aufatmen und etwas entspannter werden lässt. „Also wenn du möchtest, Amelie, ich wüsste nicht, was dagegenspricht. Ich glaub, ein Drachenreiter mehr oder weniger schadet nie. Du reitest auch auf dem Rücken von Skayla, oder?"
Hm... diese Vio scheint doch nicht so kalt zu sein, wie sie im ersten Moment wirkte. Und auch diese Anni scheint ziemlich nett zu sein. Was würde denn dagegensprechen? Eigentlich... „Da hast du recht, Skayla und ich sind gemeinsam aufgewachsen. Wir... sind schon einige Jahre in diesem Inselreich unterwegs und suchen jedes Mal aufs Neue nach einer Unterkunft. Bis ich vor einiger Zeit davon gehört habe, dass es noch andere Wikinger geben soll, die auch auf Drachen reiten. Und nicht wie die meisten den Drachen feindlich gegenüber gesinnt sind. Also... wenn ich mich euch anschließen darf, sehr gerne!"
Amelies Worte lassen beide Reiterinnen ertappt innehalten. Während Anni an die Berserker und vor allem Dagur denken muss, der schon so oft versuchte Zickzack gefangen zu nehmen, wird Violene wieder einmal bewusst, dass ihr „Onkel" und der ganze Stamm nie freundlich gegenüber Drachen waren. Genauso wenig wie die Jäger, denen sie schon begegnete.
Sich davon nicht beirren lassen wollen, schüttelt Anni unmerklich den Kopf und grinst: „Dann ist es beschlossene Sache! Wir setzen unser Abenteuer zu dritt gemeinsam fort!"
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