1 - Schwierige Startbedingungen

Stille umgab sie.
Die Stille der Nacht, einzig allein von einem unregelmäßigen Knacken und Knistern unterbrochen.

Schützend hat diese sich um das Lagerfeuer rundherum niedergelassen, als wolle es so die Schlafenden schützen. Vor den Gefahren, die sich in der Dunkelheit der Nacht verstecken und dort ihre Pläne und Vorhaben schmieden.
Zugleich hat der Schlaf die Anwesenden fest im Griff. Der vergangene Tag hat sowohl den Reitern als auch den Drachen eine Menge Kraft und Planungssicherheit abverlangt. Obwohl sie sie sich aktuell noch in bekannten Gewässern aufhalten und es auf der Karte nicht so weit aussah, hatte die Realität ihnen das Gegenteil bewiesen. Und zugleich waren besagte Reiter am Abend voller Zuversicht, denn auf der anderen Seite sah es gut danach aus, dass sie nicht mehr lange brauchen bis sie unentdeckte Gebiete erforschen.
Von dieser Zuversicht erfüllt haben Violene und Anni auf dieser Insel dann ihr Lager aufgeschlagen. Und umso öfter sie sich in diesem Miteinander versuchen, umso mehr scheint es auch gut zu funktionieren. Wenn auch langsam.
Denn keiner von den beiden kann leugnen, dass die gemeinsame Vorgeschichte es ihnen alles andere als leicht macht. Und Violene kann es Anni dabei noch nicht einmal verübeln.

Nun aber liegen beide Reiter nah bei ihren Drachen, welche es sich nicht haben nehmen lassen, beschützend jeweils einen Flügel über ihre jeweilige Reiterin zu legen. Vielleicht, weil sie sich gegenseitig noch immer nicht so trauen, wie sie es ihren Reitern gegenüber tun. Vor allem aber, weil sie ihre Reiter notfalls mit ihrem Leben beschützen würden.
So bleibt allein das Lagerfeuer ein leiser Beobachter dieser beeindruckenden Szenerie.

Unruhig zuckt Violenes Körper im Schlaf zusammen, fängt ihr Atem mit einem Mal an hektischer und unregelmäßiger zu gehen. Fast so, als würde sie vor etwas wegrennen. Erneut spannen sich ihre Muskeln dabei an, was Schocker wachwerden lässt. Keinen Laut von sich gebend, öffnet er erst eins, dann beide Augen und mustert seine Reiterin besorgt.
Er kennt dieses nächtliche Verhalten seiner Reiterin nur zu gut. Angefangen hatte es damals während ihrer ersten Expedition, auf welcher sie allein unterwegs waren. Das erste Mal unabhängig von den Wikingern ihres Stammes. Die erste Nacht, wo seine Reiterin unter Alpträumen litt. Was sich seitdem in unregelmäßigen Umständen durchzog. Bis heute.
Ein leises Grummeln unterdrückend zieht er sie mit seinem Flügel näher zu sich heran. Vorsichtig stupst er das junge Mädchen mit der Schnauze an der Seite an, mit einer unmerklichen Bewegung ihre krampfenden Muskeln zur Ruhe bringend. Nur kurz darauf scheint seine Reiterin sich allgemein auch zu beruhigen. Erleichtert bemerkt der Leuchtende Fluch dies, kurz lächelnd, nur um sich daraufhin wieder richtig hinzulegen. Seine Reiterin nah bei sich.

Dabei unbemerkt bleibt eine stumme Beobachterin, neben dem sich neigenden Lagerfeuer, welche still zu den beiden rüber sah. Zig Gedanken schießen ihr durch den Kopf, selbst wachgeworden durch den unruhigen Schlaf Violenes, welcher diese mithilfe eines Alptraums quälte.
Schweigend hat sie die Augen geöffnet, nah bei ihrem treuen Drachen, dem Skrill, bleibend. Wobei sie es sich nicht hat nehmen lassen, neugierig zu Violene und dem Leuchtenden Fluch rüber zu sehen und die beiden zu beobachten. Zum zweiten Mal begleiten sie dieses Duo, mit der stillen Hoffnung, dass es nicht wie beim letzten Mal endet. Sondern dass sie sich diesmal besser kennenlernen und gemeinsam dieses große Inselreich bereisen.
So kommt es, dass sie besorgt zu den beiden sieht, sich die stumme Frage stellend, was wohl der Grund für diesen Schlaf sein kann. Unmerklich lächelnd beobachtet sie, wie Schocker – der sonst eher so kühl wirkende Drache – erstaunlich liebevoll seine Reiterin mehr an sich drückt. Bevor er mit seiner Schnauze fast deren Seite berührt. Doch da ist etwas, was sie irritiert innehalten lässt. Für einen kurzen Moment meinte sie, etwas Hellblaues um die Schnauze des Drachen wabern zu sehen. Doch so schnell, wie es kam, war dieses hellblaue Etwas auch wieder verschwunden.

* * * * * *

Ruhig liegt das Meer unter den beiden Drachenreitern, abgesehen von vereinzelten Wellen, die ihren Weg suchen. Ihre Drachen wiederum lassen sich davon nicht ablenken, stur die Blicke geradeaus gerichtet und manchmal skeptisch zueinander.
Ein Lächeln versuchend tätschelt Anni den Hals von Zickzack, welcher mit einem leisen Grummeln antwortet. Sie sind noch nicht lange gemeinsam unterwegs und doch bleibt diese dumpfe Sorge da, dass Zickzack und Schocker sich nie miteinander anfreunden können, geschweige denn warm miteinander werden. Und vielleicht hat Anni diese Sorge nicht nur wegen ihrer Drachen, sondern auch, das Violene und sie genauso wenig miteinander warm werden.
„Hey Violene, hast du gut geschlafen letzte Nacht?", unterbricht Anni dann doch die Stille, kurz zur anderen Drachenreiterin sehend.
Überrascht sieht diese auf, aus ihren Gedanken gerissen. „Oh, ähm..., ich glaub, ganz in Ordnung", erwidert die Angesprochene zögernd, „Wie... war es für dich?" Für einen Moment schweifen ihre Gedanken wieder zu den Träumen vergangener Nacht ab. Doch hilft Schockers leises Grummeln ihr dabei, sich von den aufkommenden Bildern loszureißen und zu unterdrücken.
„Na ja", erwidert die Rothaarige vorsichtig, den Blick selbst geradeausgerichtet, „Es ist lange her, dass ich mit Zickzack in der Natur übernachtet habe. Meine Muskeln schmerzen noch etwas, aber daran gewöhne ich mich bestimmt schnell!" Optimistisch und überzeugt davon sieht Anni wieder zu Violene, wobei Zickzack bei ihren letzten Worten ein Lachen nur schwer unterdrücken kann.

Auch Violene fällt es schwer, ein Schmunzeln zu unterdrücken, während Anni damit beschäftigt ist, empört mit ihrem Drachen zu schimpfen: „Zickzack, was soll das?!" Und doch muss selbst seine Reiterin grinsen. Ganz unrecht hat der sture Drache vermutlich auch wieder nicht.
Da schießt ihr aber auch schon die nächste Frage durch den Kopf: „Sag mal, Vio, was ist unser nächstes Ziel? Bis jetzt sind wir ja noch nicht weit von Berk und der Dracheninsel entfernt."
„Uff, eine gute Frage", ertappt beginnt Violene zu grinsen, die Arme einmal streckend, „Wenn ich die Karte richtig im Kopf habe, sind das alles noch bekannte Gewässer. Aber es sollte hoffentlich nicht mehr lange dauern, bis wir die unbekannten Teile erreichen. Ich bin echt gespannt, was wir da dann vorfinden werden!"
„Ich hoffe, es sind keine Berserker", schmunzelt Anni, wobei ihre Stimme unmerklich leiser wird.
Ertappt starrt Violene konzentriert auf Schockers Rückenschuppen, sich nur schwer zu einem vorsichtigen Lächeln durchringen können. „Es... es tut mir leid, was damals passiert", schafft sie es dann, mit wispernder Stimme über die Lippen zu bringen, „Ich... hätte anders handeln müssen. Es war dir gegenüber nicht fair."
Unmerklich lächelt Anni, aufmunternd zu den beiden sehend: „Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen, Vio, aber... wir können diesmal anders handeln. Danke, das bedeutet mir viel."

Mit vielen Reaktionen hätte Violene gerechnet, aber nicht mit dieser. Nur langsam schafft sie es, die Anspannung fallen zu lassen und ihre Finger vom Sattelgriff zu lösen. Diese rothaarige Reiterin überrascht sie immer und immer wieder aufs Neue. Und eines kann Violene mit Sicherheit sagen: Sie ist anders als die anderen. Und das nicht einmal im Negativen.
„... danke dir, Anni", schafft sie es, dann doch leise zu erwidern. Überrascht sieht Anni auf, ihre Verwirrung über diese Reaktion nicht ganz unterdrücken können. Scheint es sie so sehr beschäftigt zu haben...? Und... weint Vio da?
Noch bevor Anni einen genaueren Blick zu Violene werfen kann, hat diese sich mit dem Handrücken schnell übers Gesicht gewischt und sieht lächelnd zu ihr rüber. Von Tränen keine Spur, falls da wirklich welche waren. Trotzdem kann Anni ein dumpfes Gefühl nicht ganz vertreiben, den Gedanken nicht vollständig zur Seite schieben.
„Ich freue mich, mit dir das große Unbekannte in dieser Welt erku- WOAH!"

Plötzlich schießt ein dunkler Schatten direkt aus den Wolken scharf an ihnen vorbei, die nächstgelegene Insel anvisierend.
„Was war das denn?!", Anni ist die Erste der beiden, die ihre Sprache wiederfindet, während Violene noch versucht Schocker zu beruhigen, welcher dem Unbekannten am liebsten sofort hinterher will.
„Ich weiß nicht, aber das werden wir gleich herausfinden...", meint Violene da nur, ihr Halstuch bis zur Nase überziehend und ihrem Drachen ein Zeichen gebend.
„Vio, warte! Wir können diesem Schatten doch nicht einfach so hinterher! Was, wenn das eine Falle ist?!", versucht Anni noch die beiden zu bremsen, kaum beeilt Zickzack sich, die beiden vor sich nicht zu verlieren, „Oh man... die sind beide ziemlich stur, Zickzack..."
Besagter Leuchtender Fluch hat sich innerhalb weniger Sekunden zur Verfolgung aufgemacht und ist mit seiner Reiterin nicht weit von dem unbekannten Schatten entfernt. Den Kopf darüber schüttelnd verkneift Anni sich einen weiteren Kommentar und setzt sich tiefer in den Sattel, damit Zickzack die beiden leichter einholen kann.

Dabei kommt eine der kleineren Inseln immer näher, als im nächsten Moment der fremde Schatten schon zwischen den hiesigen Bäumen dort verschwindet.
Mit einem nicht gerade freundlichen Grummeln sieht Schocker kurz zu Zickzack, kaum hat dieser ihn vor der Insel eingeholt: „Was soll das, Blitzdrache?! Ich hätte ihn fast gehabt!"
„Blitzdrache? Dein Ernst?! Du kennst meinen Namen, du Leuchtdrache! Außerdem hättest du deine Reiterin bei dem Manöver verletzen können! Euer Tempo war viel zu hoch und die Bäume stehen viel zu eng für schnelle Manöver", fügt Zickzack dann etwas ruhiger, und doch noch immer angespannt, hinzu. Dabei zu Violene hochsehend, fast so, als würde er ihre Zustimmung erwarten. Ahnend, dass sie genau weiß, über was Schocker und er gerade gestritten haben. Vielleicht täuschen ihn seine Erinnerungen auch, aber er ist sich sicher, das Violene auf Berk die Sprache der Drachen sprach. Auch wenn seine Reiterin und die anderen Reiter es nicht wirklich mitbekamen, etwas an Schockers Reiterin ist... anders.
Die knurrenden Drachen nicht verstehen können, versucht Anni Zickzack beruhigend am Hals zu tätscheln: „Hey Großer, es ist doch alles gut gegangen..." Wie oft hatte sich die junge Drachenreiterin in solchen Situationen schon gewünscht, ihren Drachen besser verstehen zu können.
Violene wiederum sieht stumm aus dem Augenwinkel zu Zickzack, seinen Blick unter dem Tuch erwidernd. Drachen kann man einfach nicht so leicht täuschen, wie es mit Menschen der Fall ist... Aber solang niemand anderes ebenso die Sprache der Drachen kann... so lange bleibt mir vielleicht ja noch ein bisschen Zeit. Hoffentlich.

Unmerklich gibt sie Schocker einen Stups an der Flanke, welcher grummelnd aufseufzt: „Okay, du hast recht, Zickzack. Es ist nicht richtig, dich so zu nennen. Und... vielleicht hattest du auch recht mit dem Manöver."
„Ach ja?", entfährt es Zickzack wiederum nur, doch belässt er es auch dabei. Es dem hellblauen Drachen schon anrechnend, dass er sich zu so einer Art „Entschuldigung" überhaupt durchringen konnte.
„Wir sollten dem Schatten hinterher, wer weiß, was das ist", reißt Violene Anni wiederum aus ihren Gedanken, worauf Schocker in einem ruhigeren Tempo in den Landeanflug geht, und am Waldrand landet.
„Gerade darum geht es doch, Vio! Wir wissen nicht, was das ist und ob es gefährlich ist! Wenn wir dem einfach so hinterherjagen, sind wir dem schutzlos ausgeliefert und es kann, Thor weiß was, uns passieren! Oder unseren Drachen!", erleichtert bemerkt Anni, wie gut es ihr tut die eben angestauten Worte endlich aussprechen zu können. So ein risikoreiches Vorgehen haben sie mit den Reitern von Berk nie unternommen. Doch ist das vermutlich auch der Punkt. Sie ist diesmal nicht mit den anderen Reitern unterwegs, sondern mit Violene. Einer Drachenreiterin, die kein Wort über ihre Herkunft, geschweige denn andere persönliche Dinge verliert.

„Ja, und genau das ist das Problem. Jede Sekunde, die wir mit irgendwelchen Plänen oder langsamer Vorsicht verschwenden, kann eine Sekunde zu viel sein. Wer weiß, ob da nicht andere Drachen jetzt in Gefahr sind? Oder der Schatten ein verletzter Drache ist, der unbedingt Hilfe braucht, bevor-", unmerklich schüttelt Violene den Kopf und unterbricht sich selbst. Wenn Anni bis jetzt nur auf Berk gelebt hat, wird sie noch keine Drachenjäger kennengelernt haben. Und erst recht nicht jene, die sie selbst... Sie muss Anni diese Illusion ja nicht unnötig rauben. „Du-, ... ihr habt recht. Es war unüberlegt und wenn das eine Falle gewesen wäre, hätten wir nicht nur uns, sondern auch unsere Drachen in unnötige Gefahr gebracht."
„Weißt du, Vio, auf Berk haben wir solche Sachen immer als Team gemacht. Gemeinsam, mit Absprachen, sodass jeder Bescheid wusste, was zu tun ist. Vermutlich hast du so etwas noch nie gemacht, oder? Also... Teamsachen?", neugierig und vorsichtig sieht Anni zu ihr, während sie beide von den Satteln springen und wieder festen Boden unter den Füßen haben. „Versprichst du mir, dass wir diesem Schatten im Team nachgehen?"

„Versprochen", erwidert die Angesprochene, unmerklich lächelnd. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top