Kapitel 2

Zweites Kapitel, in dem ich Wände hochlaufe

Hinter dem geöffneten Schrank wartet etwas auf mich, mit dem ich nie gerechnet hätte.
Eine Halle von der Größe eines Bahnhofes erstreckt sich vor mir. Es scheint keinen direkten Weg hinein zu geben, denn vor mir geht es erst einmal mindestens zwanzig Meter in die Tiefe. Der Raum scheint gegen jegliche Gesetzte der Physik zu verstoßen, denn überall laufen Menschen. Also wirklich überall. An der Decke, an den Wänden und natürlich auf dem Boden. Selbst der restliche Raum ist überfüllt. In der Mitte der Halle hängt ein riesiger Kronleuchter, dessen Kerzen die Größe von einem ganzen Lagerfeuer haben. Er strahlt ein warmes helles Licht in alle Winkel dieses einzigartigen Raumes. Um ihn herum schwebt eine Reihe von Schreibtischen, die alle mit schmalen Stegen verbunden sind. An ihnen sitzen Frauen, alle mit Brille und einem grauen Dutt. Aus der Entfernung könnte man sie für Zwölflinge oder so halten. Von den Schreibtischen gehen kleine Plattformen aus. Auf ihnen stehen Menschen in langen Schlangen.
Kennt ihr diesen einen Barbie-Film, wo sie für die Öffnung einer Blume Tanzen lernen müssen? Da haben sie anfangs kleine bunte Trittbretter zur Hilfe, genauso sehen diese Plattformen aus. Wer den Film nicht kennt; diese Dinger blinken unglaublich nervig."Wie ist das möglich? Wo sind wir hier?", frage ich Herrn Foster, doch dieser und Frau Messler sind anscheinend weg. Na toll.
Ich will mich gerade nach rech rechts umsehen, da bekomme ich einen Stoß und fliege kreischend nach vorne. Jetzt ist es aus, denke ich, doch ich werde nach unten gezogen und knalle einfach wie ein Magnet auf die Wand unter mir, als ob es ein Boden wäre. Geschockt bleibe ich einfach erstmal liegen. Ich höre eine Stimme, die wahrscheinlich von dem Typen stammt, der mir gerade den größten Schock meines Lebens verschafft hat.
"Oh, es tut mir Leid, ist alles in Ordnung? Ich hätte besser aufpassen sollen, ich mache mir ja solche Vorwürfe! Mann, es ist mir so peinlich, ich weiß gar nicht wie ich das wieder gut machen soll! Wenn meine -"
"Ja, ist schon gut.", murre ich und versuche mich aufzurappeln. Es klappt erstaunlich gut. Ich sitze jetzt mit dem Rücken zum Fußboden. Ich gehe einen Schritt weiter und stehe auf. Auch das klappt. Das Gefühl ist echt befremdlich. Ich setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen und laufe quasi in Richtung Decke. Als ich schon in der Nähe des Eingangs, aus dem ich gerade kam, bin, stellt sich mir die Frage auf, wie zur Hölle ich da hinkommen soll. Und als ich nur noch ein paar Zentimeter von der Kante stehen bleibe, setze ich den Fuß einfach so, dass ich in der Theorie einfach zurück ins Büro des Direktors fallen sollte. Ich quieke auf, als die Welt plötzlich wieder in die Waagerechte kippt. Mein eines Bein ist fest auf dem Boden des Schrankes verankert und das andere hängt da, wo ich gerade hergekommen bin. Vor mir steht ein Junge mit knallroten Haaren und hält mir seine Hand hin. Dankbar ergreife ich diese und lasse mich von ihm auf die Füße ziehen.
"Danke Mann. Nette Frisur, sag mal, sind deine Haare gefärbt?", begrüße ich den Typen, der mich erstmal komisch anguckt. Er ist es wahrscheinlich nicht gewöhnt, dass es auch Personen gibt, die sich nicht mit Floskeln wie "Guten Tag" oder "Wie geht es dir?" herumschlagen, zumindest dann, wenn sie gerade ihrem potenziellen Fast-Mörder begegnen.
"Äh, ja... Sie sind gefärbt.", sagt er, immer noch sichtlich verwirrt.
"Ah cool, meine auch.", antworte ich und schüttele seine Hand, da ich sie ja sowieso schon halte. Der Typ mit den roten Haaren scheint sich wieder gefangen zu haben, denn er erwidert ironisch:"Das hätte ich bei blauen Haaren jetzt so gar nicht erwartet."
Ich denke, ich kann ihm den Ausrutscher verzeihen.
"Ich brauche kurz eine Aktualisierung für mein Gehirn. Erstens, wo zum Teufel sind wir? Zweitens, gibt es so ein Einbau-Wunderland für den Schrank auch bei IKEA? Wenn ja, hole ich mir ganz sicher auch so ein Teil. Drittens, warum bin ich hier?", bestürme ich meinen neuen Freund, dessen Namen ich noch nicht weiß, mit Fragen.
Rothaar lacht amüsiert und beginnt mir einige Sachen zu erklären.
"Also, wir sind hier im Headquater der Magie im deutschsprachigen Raum. Kurz: MVS, für Magische Verwaltungsstelle. Es ist quasi das Zentrum aller besonderen Fähigkeiten."
"In einer Schule?", frage ich skeptisch. "Naja, die Bosse hier fanden es total sinnvoll, weil niemand darauf kommt. Ich meine, jeder denkt doch, dass man Magie in voll krassen Burgen oder megagruseligen Kellern findet."
"Das klingt sogar einleuchtend. Das war aber nicht die orginale Argumentation, oder?", will ich scherzhaft wissen. Redhead verzieht gespielt das Gesicht und tut beleidigt. "Doch natürlich! Genau so und nicht anders.", beschwert er sich bei mir.
Lachend fährt er fort: "Leider muss ich dich enttäuschen, es gibt kein ausklappbares Hauptquatier für zu Hause." Ich ziehe eine Schnute. "Und bei dem dritten Punkt kann ich dir leider nicht weiterhelfen. Entweder du hast besondere Fähigkeiten, dann würde ich zu der Dame, die auf der Plattform in der Mitte gehen, sie hilft dir weiter oder du bist durch Zufall hier her gekommen, dann würde ich aber schnell wieder verschwinden und hoffen, dass du nicht gekillt wirst."
Damit möchte er sich selbst auf den Weg irgendwo hin machen, eine Frage habe ich noch. "Wie heißt du eigentlich?", frage in schnell, bevor er weg ist.
"Ted, du?"
"Mayla."
"Super, bis dann!"

Damit ist er weg und ich bin auf mich allein gestellt. Natürlich lege ich keinen großen Wert drauf umgebracht zu werden, allerdings sagte der Direktor doch auch etwas von wegen, dass ich besonders sei oder so ähnlich. Deswegen mache ich mich auf den Weg in die Mitte.
Das erweist sich als ziemlich schwierig, denn die Plattform liegt wirklich in der Mitte. Es ist einer der schwebenden Schreibtisch und über ihm hängt die Aufschrift Mitte. Ha Ha. Also mache ich mich auf dem Weg über die Barbie-Trittplatten.
Einmal falle ich fast runter, da plötzlich jemand Anderes von der anderen Seite an mir vorbei läuft. Ich meine von unten.
Die Person läuft mit den Füßen an der Decke. Oder laufe ich mit dem Kopf nach unten? Auf jeden Fall darf ich niemals einen Rock anziehen, wenn ich hier noch einmal herkommen sollte. Nicht, dass ich auch so vorhabe einen Rock anzuziehen. Ich hasse diese Dinger wie die Pest. Ein Hoch auf Jeans oder besser noch Ballonhosen. Die Teile sind klasse. Ich habe fast zehn Stück davon. Auch heute habe ich eine an, mit blauen Blumen. Sie passen wunderbar zu meinen Haaren und ich übersah heute morgen einfach wie immer die kritischen Blicke meiner Mutter.
Endlich bin ich in der Mitte angekommen. Doch hier steht eine lange Schlange. Genervt stöhne ich auf und reihe mich ein. Ich nutze die Zeit, die ich anstehen muss, um die Menschen in der Halle besser zu betrachten. Viele sind sehr seltsam gekleidet. Silbern glänzende Anzüge, metallische Hüte und Tücher, ich sehe einen Typen in einem Kettenhemd, gefühlt zehn Meter hohe Schuhe und eine Reihe ausgefallener Kleider aus Froschhaut ähnlichen Stoffen. Und meine Mutter soll mir noch einmal vorwerfen, ich hätte einen komischen Geschmack.
Doch das Interessanteste sind die Dinge, die diese Leute machen. Mein Blick fällt auf eine ältere Frau, die konzentriert auf eine Zeitung starrt. Nichts ungewöhnliches, doch als sie an mir vorbei über die fliegenden Platten geht, höre ich wie die Zeitung mit einer sanften Stimme murmelt:
"Gestern um Acht Uhr dreißig ist in der Innenstadt ein Textilgeschäft ausgeraubt worden. Der Gesamtschaden beträgt..."
"Umblättern.", krächzt die Frau und die Zeitung raschelt.
"Die Temperaturen steigen diese Nacht um fast..."
Und schon ist sie weg. Doch eine andere Person zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein kleiner Junge, vielleicht sechs Jahre alt, rennt auf der linken Seitenwand begeistert um eine Frau, wahrscheinlich seine Mutter, herum und ruft so laut, dass selbst ich es verstehe und sich andere Leute missbilligt oder neugierig zu ihm umdrehen:
"Schau mal, was ich kann!"
Dann pustet er, und ein Dutzend kleiner Papierflieger schießen aus seinen Ärmeln hervor. Unwillkürlich applaudieren ich und ein paar andere Menschen und der kleine Junge dreht sich peinlich berührt weg, als er bemerkt, dass ihn so viele anstarren.
Ich wende mich um und mir fällt ein Trupp an der Decke auf. Ich finde es immer noch seltsam, dass keine Haare herunter hängen oder Sachen hinunter fallen. Diese Ansammlung von Jugendlichen ist leicht von dem Rest zu unterscheiden, da sie normaler angezogen sind und ziemlich laut rumrufen, lachen und sich nicht so geziehlt durch die Halle bewegen, sondern einfach wie eine Wolke, mal hier, mal dort herumschwirren. Ich erkenne Ted, der sich mit ein paar anderen Jungs unterhält.
Ein Mädchen sticht mir besonders ins Auge. Sie ist wie ein weißer Klecks in dem bunten Haufen. Selbst von hier unten erkenne ich wie blass sie ist. Sie hat
schneeweiße Haare und ist auch ausschließlich weiß gekleidet. Sie versprüht irgendeinen Glanz, doch ich kann sie nicht weiter betrachten, denn ich bin inzwischen schon sehr weit in der Schlange vor gerutscht und plötzlich holt mich eine gelangweilte Stimme aus meinen Betrachtungen.

"Kann ich dir helfen?"

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So, das war das zweite Kapitel. Lasst wie letztes Mal Kommentare da, wenn ihr etwas gut findet oder einen Fehler gefunden habt. 😁😁😁

Bye.👍

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