ERSTKONTAKT
Der nervige Ton des Weckrufs, der sich schlimmer als das Geräusch von kratzenden Nägeln auf einer alten Schiefertafel anhört, durchschallte die kleine Schlafkabine, welche ich mir mit drei weiteren Arbeitern teilte, und forderte uns wie jeden früh dazu auf, unsere Ärsche aus dem Bett zu schwingen, um unsere Schicht rechtzeitig anzutreten.
Völlig geschafft von der letzten Frequenz meines Arbeitseinsatzes schlug ich müde meine Lider auf und starrte auf die Unterseite des Bettes meines über mir Liegenden. Einzig erfreulich an diesen Anblick war mein selbst gebastelter Kalender, der mir anzeigte, wie viele Tage ich noch in dieser beschissenen Station verbringen musste, um meine Erbschuld zu begleichen und dem Ziel nach meiner Entlassung genügend Wert übrig zu haben, um mir auf der Erde ein neues Leben aufzubauen.
Nur noch vier Schichten und ich würde dieser Hölle nach fast tausendfünfundneunzig Tagen endlich entfliehen können.
Die Kabinen wurden geöffnet und alle Erbschuldner schritten diszipliniert und geordnet aus ihren Zellen, welche in einen langen runden Gang nebeneinander angeordnet waren.
Es folgte die morgendliche Routine, welche aus kurzer Körperpflege bestand und einer schnellen Essensaufnahme eines breiigen Fraßes, der nicht nur nach schon mal gegessenen aussah, sondern auch danach schmeckte.
Nachdem wir diesen Teil hinter uns gebracht hatten, begaben wir uns genauso systematisiert in Reih und Glied zu den Shuttles, welche uns auf Precium bringen sollte, um dort in den Mienen die heiß begehrten Rohstoffe abzubauen.
Wartend darauf das die Shuttle mit der Nachtschicht vom Planeten zurückkehrten, standen wir in der gigantischen Dockhalle und sahen gespannt aus den großen wabenförmigen Fenstern, welche die Sicht auf die Weiten des Alls und Precium preisgaben, welche die Station umrundete.
Jedoch war keines zu erspähen, dafür spielte sich da draußen etwas Unerklärliches und Beängstigendes ab.
Der Weltraum um den Planeten zog sich augenscheinlich langsam zusammen, bis er in rasanter Geschwindigkeit zu einem winzig kleinen, grell leuchtenden Punkt geschrumpft war, der sich genauso schnell wieder in seine Ursprungsgröße ausbreitete, wobei es wellenförmige Energieausstöße erzeugte, die auf direkten Kollisionsweg mit uns waren.
Panisch beobachtete ich die Szenerie und bevor ich überhaupt reagieren konnte, hatte uns die erste Welle bereits erreicht, ließ die Station erbeben und schleuderte uns zu Boden. Dabei setzte ein ohrenbetäubender Sirenenalarm ein, dessen Ernsthaftigkeit mit rotaufblinkenden Lichtern unterstrichen wurde und uns von der Gefahr warnen sollte.
Allerdings zu spät, denn schon hatte uns der nächste Energieausstoß erfasst, welche die Raumstation in eine merkwürdige Vibration versetzte, die jede Faser meines Körpers durchflutete und meine Wahrnehmung in allen Sinnen veränderte.
Meine Umgebung pulsierte rhythmisch und ein Wechselspiel aus verschiedenen Farbtönen setzte ein, welches immer schneller wurde, bis visuell nur noch ein buntes Flackern erkennbar war. Zunehmend verwirbelten diese sich zu kleinen energetischen Strudeln, bis sie sich zu einem allumfassenden, weißbläulich schimmernden Tunnel zusammengefügt hatten, in den wir mit Lichtgeschwindigkeit gezogen wurden und unser ganzes Sein auf ein anderes Niveau der Existenz beförderte.
Alles um mich herum befand sich in einem Zustand der Überlagerung. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liefen zum selben Zeitpunkt ab, wobei diese wiederum von etlichen Möglichkeiten überlappt wurden, die sich durch verschiedene Varianten von Entscheidungen ergeben hätten und zeigten keinen flüssigen Ablauf, sondern festgehalten Frequenzen, die in einer Bilderreihe aneinandergereiht waren.
Ich hatte das Gefühl, in tausend Einzelteile gesprengt zu werden, als sich mein Sein sowie auch das aller anderen Anwesenden an Bord aus dieser unrealen Abfolge lösten.
Die Raumstation um uns herum war verschwunden, stattdessen befanden wir uns inmitten eines interstellaren Nebels, welcher durchzogen war mit länglichen, dünnen, kristallenen Fäden, die in weißlichen blaugrünen Blitzen aufflackerten.
Eine krächzende mechanische Stimme durchbrach den Nebel und hallte wie ein Echo nach:
„ÜBERDIMENSIONALER ERSTKONTAKT ERFOLGT!"
(593 Wörter)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top