6. 𝑺𝒄𝒉𝒂𝒖𝒕 𝒆𝒊𝒏 𝑩𝒂̈𝒓 𝒗𝒐𝒓𝒃𝒆𝒊, 𝒊𝒔𝒕 𝒂𝒍𝒍𝒆𝒔 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒆 𝒆𝒊𝒏𝒆𝒓𝒍𝒆𝒊
Eigentlich hat Eron ja Nisha im Auge behalten wollen, aber er hat ihn gesehen. Wenn sich Jaques so nahe an die Stadt herantraut, dann sucht er wahrscheinlich nach ihm. Vielleicht kann er Eron sagen, was da letzte Nacht genau passiert ist. Jaques weiß immer alles. Er ist der Einzige, dem Eron zurzeit vertraut.
Zwar weiß Eron ungefähr, was mit den Jägern passiert ist, weil er sie schon eine Weile im Auge behalten hat. Allerdings will er wissen, wer sie letzte Nacht getötet hat. Er wird nichts dagegen unternehmen. Schließlich haben die Menschen die Grenze überschritten. Trotzdem interessiert es Eron. Er will nicht, dass noch mehr Menschen sterben. Genauso wenig wie seine Freunde.
Wenn die Menschen Angst bekommen, werden sie wieder eine Jagd veranstalten. Das bedeutet unnötiges Blutvergießen auf beiden Seiten. Dabei haben die Menschen eindeutig mehr zu verlieren. Das darf nicht wieder passieren. Er muss es aufhalten, dieses sinnlose Morden.
„Du hast dir ja Zeit gelassen, Eron. Hast du dich von den Menschen wieder schikanieren lassen?", brummt Jaques tiefe Stimme hinter ihm und Eron dreht sich zu ihm um.
„Sie haben sich zur Abwechslung mal für was anderes interessiert. Sag, weißt du was über die zwei toten Jäger?"
Jaques mag es nicht lange um den heißen Brei herum zu reden. Deshalb beginnt Eron gleich mit dem Wesentlichen.
„Deshalb bin ich hier. Dachte mir schon, dass dich das interessiert. Ich kann dir versichern, dass von unserer Seite aus kein Gesetz gebrochen wurde. Serpent hat sie einfach nur bestraft, weil sie Chouette erschossen haben."
Erons Augen werden groß. Sie haben was getan? Sie haben die arme Chouette getötet? Warum nur müssen die Menschen so dumm sein?
Eron wird wütend und gibt sich gleichzeitig die Schuld an dem Tod des Kauzes. Sie gehörte zu den wenigen Raufußkäuzen, die nicht in den höheren Gebieten leben. Sie hat ebenso wie Eron immer an das Gute in den Menschen geglaubt und gehofft, dass es eines Tages Frieden geben wird.
Er muss zugeben, dass er so langsam die Hoffnung verliert. Nach diesem Vorfall erst recht.
„Eron, vielleicht siehst du etwas in den Menschen, was wirklich nicht vorhanden ist."
Jaques meint es nur gut mit ihm, aber Eron will das nicht hören. Noch nicht. Noch ist es nicht zu spät.
„Sie sind einfach noch nicht so weit", erklärt er dem großen dunkelhäutigen Mann, der sich gemütlich an eine Tanne lehnt.
„Es muss nur ein einziger Mensch sein, mehr braucht es nicht. Wenn ich nur einen einzigen Menschen sehe, der es wert ist, dann beweist es, dass ich recht habe."
„Und wie lange willst du noch suchen? Du bist jetzt schon fünf Jahre bei den Menschen. In der ganzen Zeit haben sie dich immer nur abgelehnt und sich weiterhin von ihrer schlechtesten Seite gezeigt. Sie fürchten dich und behandeln dich wie Abschaum. Warum quälst du dich so für sie? Warum willst du sie beschützen, wenn sie dich doch so unfair behandeln?"
Jaques Argumente sind nicht ohne. Eron kennt die Antwort auf die Frage gar nicht mehr. Vielleicht wollte er einfach nicht, dass sich die Vergangenheit wiederholt. Er will so viele Leben beschützen, allerdings hat das Töten niemals aufgehört. Anstelle eines offenen Kampfes gibt es seit vielen Jahrzehnten einen stillen Krieg in Allmende.
Eigentlich nicht nur hier. Überall herrscht Krieg mit den Menschen. Wenn sie sich nicht selbst bekriegen, dann vernichten sie alles andere um sich herum.
„Deine Absichten in allen Ehren, mein Freund. Ich möchte dich nur ungerne eines Tages blutend auf der Erde liegen sehen", brummt Jaques.
Seine hellbraunen Augen sprechen von ehrlicher Sorge. Vermutlich ist er das einzige Lebewesen auf der Welt, dass sich um Eron sorgt. Sonst interessiert es niemanden, ob er atmet oder nicht. Die Menschen wären vermutlich froh sich seiner zu entledigen. Deshalb befürchten seine Brüder auch, dass man Eron eines Tages umbringt.
„Du bist ein hoffnungsloser Fall", seufzt Jaques und senkt das Haupt.
Eron sieht zu seinem Freund hinüber und denkt nach. Er weiß, dass er recht hat. Allerdings kann Eron einfach nicht gegen seine Natur gehen.
Jaques entfernt sich von dem Baum und streckt seine lange Nase in die Luft. Der leichte Wind bewegt seine kurzen, stoppeligen Haare etwas und seine buschigen Augenbrauen ziehen sich tief ins Gesicht.
„Ein Mensch ist in der Nähe."
Nicht gut. Schon wieder ist ein Mensch in der Nähe? Wieso hat Eron das nicht bemerkt?
„Seit wann ist deine Nase besser als meine?", fragt er verwirrt und nimmt den Geruch auf. Das darf nicht wahr sein! Was zur Hölle hat sie an seiner Warnung nicht verstanden?
„Sie sollen endlich lernen, dass der Wald nicht ihnen gehört", grummelt Jaques und rennt los.
„Warte doch!", ruft Eron, kann seinen Freund aber nicht mehr aufhalten. So ein Pech, er wird sie umbringen. So schnell er kann, läuft Eron hinterher.
~
Wo ist er nur hingegangen? Ich habe ihn sehr schnell aus den Augen verloren. Dabei kann man doch nicht einfach so verschwinden. Es sei denn der Wald verschluckt Menschen.
Wenn es doch angeblich so gefährlich hier draußen ist, warum geht Eron dann in den Wald?
Suchend sehe ich mich um. Von meinem Nachbar keine Spur. Dem werde ich was erzählen, wenn ich ihm wieder über den Weg laufe.
Ich weiß gar nicht, was an diesem Wald so schlimm sein soll. Es ist doch nur ein Wald. Ruhig, erholsam, und wunderschön. Es ist warm und riecht nach Tanne. Moment, Tanne? Das hatte ich heute doch schonmal. Neugierig bleibe ich stehen und stelle fest, dass ich unbewusst tiefer in den Nadelwald gelaufen bin. Es sieht hier schon so ein bisschen aus wie in meinem Traum.
Ich drehe mich um und schaue in die Dunkelheit zwischen den Bäumen. Dort hätte jetzt der Wolf auftauchen müssen, aber ich bin noch alleine.
Es passiert gar nichts. Also war es nur ein bescheuerter Traum und meine Fantasie spielt mir Streiche. Über meine Dummheit kann ich nur den Kopf schütteln. Ich lese wohl zu viele Bücher.
Als ich mich umdrehe, um die Suche nach Eron aufzugeben, muss ich feststellen, dass ich gar nicht mehr auf die Richtung geachtet habe. Ich bin zwar nicht weit gegangen, aber weit genug, um den Weg zur Stadt aus den Augen zu verlieren.
Das ist gar nicht gut. Ich sollte einen Hügel oder ähnliches finden, um mir einen Überblick zu verschaffen. Die Stadt ist nicht so weit entfernt, als dass ich sie von einem höheren Punkt nicht sehen könnte.
Der Haken daran ist, ich weiß nicht wo sich eine Anhöhe befindet und ich will mich nicht noch weiter von Allmende entfernen. Was mache ich denn jetzt?
Mein Handy! Ich hole aus meiner Hosentasche und halte es hoch. Kein Netz. Das war zu erwarten.
Na toll! Ich bin erledigt.
Plötzlich höre ich ein Knurren. Wie eine Statue bleibe ich ganz still stehen und wende den Kopf zur Seite. Ich erwarte schon das schwarze Fell zu sehen und werde überrascht von einem dunkelbraunen Pelz.
Panisch weiche ich zurück vor den langen Krallen und den vielen Zähnen. Das war kein Knurren. Es war mehr ein Brummen. Das Brummen eines hungrig und wütend aussehenden Bären. Ein Grizzly? Hier?
Er fixiert mich mit seinen hellen Augen. Also davon stand nichts im Prospekt, das schwöre ich. Wenn ich sowas geahnt hätte, dann wäre ich doch niemals in den Wald gegangen. Hat Eron das mit gefährlich gemeint?
Wenn es hier doch Bären gibt, wie kann er dann völlig ungeschützt und unbewaffnet in den Wald gehen? Ist er lebensmüde?
Ich hoffe der Bär hat ihm nichts angetan. Ach was mache ich mir Sorgen um diesen egoistischen, mürrischen und eigenbrötlerischen Außenseiter? Ich sollte mir lieber um mich selbst Sorgen machen.
Das Biest ist unglaublich groß. Nichtsdestotrotz kann ich nicht anders als ihn als schön zu bezeichnen. Sein Fell glänzt rein und sieht weicher aus als es wahrscheinlich ist.
Er lässt mir keine Zeit ihn zu bewundern, denn auf einmal kommt er auf mich zu. Lass dir schnell was einfallen, Nisha! Los, sonst bist du gleich Geschichte. Das ist ein vollkommen ausgewachsener Bär, der nicht für Späße aufgelegt ist.
Soll ich wegrennen? Würde das überhaupt Sinn machen? Der Bär würde mich sehr schnell einholen. Außerdem bin ich nicht so sportlich, dass ich das lange durchhalten würde. Außerdem soll man nicht wegrennen. Ist es klug diese Theorie ausgerechnet jetzt zu überprüfen?
Langsam bewegt er sich vorwärts, brüllt mich zornig an und hebt dann eine Vorderpranke. Ich hätte nicht gedacht auf diese Weise drauf zu gehen. Warum hat mir denn niemand gesagt, dass es hier Bären gibt? So ein wichtiges Detail darf man doch nicht einfach auslassen.
Ich werde mich garantiert nicht klein machen und ihm meine Angst zeigen. Er kann sie riechen, aber vielleicht schaffe ich es ihn zu verwirren, wenn ich auf ihn zugehe.
Mutig fasse ich mir ein Herz und trete vor. Gerade als ich den Mund aufmachen will, springt jemand vor mich.
„Warte!"
Wo kommt er denn plötzlich her?
Eron stellt sich todesmutig zwischen mich und den wütenden Grizzly.
„Bitte tu ihr nichts. Sie ist nicht unser Feind."
Im Ernst jetzt? Er will tatsächlich mit dem Bären reden?
„Was soll das, Eron? Er wird uns beide fressen. Lauf weg! Er wird wohl kaum auf dich hören, wenn du ihn darum bittest."
Eron macht keinerlei Anstalten sich zurück zu ziehen. Der Typ hat wirklich ein Rad ab. Allerdings hat er unglaublich viel Mut, dass muss ich ihm lassen. Doch ich will nicht, dass er meinetwegen drauf geht.
In einer Kurzschlussreaktion stelle ich mich vor ihn. Für einen kurzen Moment sind sowohl Eron als auch der Bär von meinem Zug verwirrt und halten inne. Dann lässt der Bär seine Pranke sinken und Eron zerrt an meinem Arm.
„Bist du irre? Was soll das Nisha?", keift er ungehalten.
„Ja gern geschehen, dass ich dich nur beschützen will", motze ich zurück und vergesse den Bären.
Das hat Eron nicht erwartet. Er sieht mich an, als hätte er gerade zum ersten Mal einen Menschen gesehen.
Er lässt meinen Arm los und ich sehe wieder zu dem wilden Tier vor uns. Seltsamer Weise hat der Bär plötzlich keinen Hunger mehr, denn er dreht sich einfach um und geht brummend davon.
Ich verstehe die Welt nicht mehr. Seit wann hören Bären denn auf das was ein Mensch ihnen sagt?
Eine Weile stehe ich neben Eron im Wald und verarbeite das Geschehene. Die Welt wird immer verrückter und ich hätte mich niemals für so mutig gehalten. Jetzt schlottern mir aber die Beine im Nachhinein.
„Wieso hast du dich vor mich gestellt?", fragt Eron jetzt ruhiger und starrt mich immer noch an wie ein Alien.
„Ist das nicht klar? Ich wollte nicht, dass dir was passiert."
Nun hebt er ungläubig die Augenbraue.
„Du hättest ohne mit der Wimper zu zucken dein Leben für mich riskiert?"
Ist das so schwer zu glauben? Wahrscheinlich ja, wenn man an seiner Stelle ist.
„Hör mal, Mister-Schlecht-Gelaunt, ich könnte dich das Gleiche fragen", motze ich zickig und verenge die Augen. „Immerhin hast du dich als erstes vor mich gestellt. Also warum hast du das gemacht?"
„Ich...also...", druckst er verlegen herum.
Das ist mal ein Kontrast zu seiner üblichen finsteren Miene.
„Du bist neu in der Gegend und weißt nicht wie gefährlich der Wald ist. Zwar habe ich dich gewarnt, aber nicht wirklich damit gerechnet, dass du auf mich hörst. Niemand hört auf meine Warnungen."
„Es tut mir leid. Ich will keinen Streit anfangen, aber hättest du mir nicht einfach von dem Bären erzählen können? Ich meine das hätte mich viel eher davon abgehalten in den Wald zu gehen und...warte mal, was hast du eigentlich hier gemacht? Du kannst nicht anderen Leuten erzählen nicht in den Wald zu gehen und dich gleichzeitig selbst nicht dran halten."
„Wenn ich das mache ist das etwas anderes", knurrt er gereizt.
„Ach ja?", entgegne ich ebenso aufgebracht. „Gelten für dich Sonderregeln? Warum? Weil du so mies und schlecht gelaunt bist, dass die wilden Tiere dich eh nicht auffressen würden? Du würdest wahrscheinlich viel zu bitter schmecken."
Wollte ich nicht eigentlich einen Streit verhindern? Tja, zu spät.
„Nein, weil ich im Wald aufgewachsen bin. Ich kenne hier jeden Baum und jedes Lebewesen."
„Ach rede doch nicht so einen Unsinn. Das geht gar nicht. Selbst wenn, würde dich das nicht weniger zur Beute machen."
„Und was wenn doch?"
Der Mann hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Das will er mir doch nicht ernsthaft verkaufen.
Eron sieht nicht so aus, als ob er mich auf den Arm nehmen wollte. Außerdem ist so einiges komisch an ihm.
„Soll das heißen, der Bär von eben hat dich nur verschont, weil ihr euch so gut kennt und dicke Freunde geworden seid?", frage ich sarkastisch.
Das klingt zu abwegig.
„Naja..."
„Im Ernst, Eron, so blöd bin ich nicht. Das kaufe ich dir nicht ab."
„Dann kennst du sicher den Grund dafür, dass er uns nicht getötet hat", entgegnet er überzeugt.
Ich schüttle den Kopf.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Vielleicht hat er dich wiedererkannt und festgestellt, dass du nicht gut schmecken würdest", flachse ich herum.
„Nein, weil ich ihn darum gebeten habe."
Ich ziehe meine Augenbrauen ungläubig nach oben. Er scheint den Schwachsinn wirklich zu glauben.
„Okay, nehmen wir mal an ich glaube das. Wie kann es sein, dass ein wütender und knurriger Bär auf einen dahergelaufenen, grimmigen Blödmann hört?"
Zugegeben der Spitzname musste nicht sein, aber ich weiß einfach nicht was ich von Eron halten soll.
„Ich wusste du würdest es nicht verstehen. Niemand versteht es. Ihr Menschen habt einfach den Blick fürs Wesentliche verloren."
Nun sieht er verärgert, beinahe schon enttäuscht aus.
„Du bist auch ein Mensch, so weit ich weiß. Erzähl mir nicht, dass der Bär dich verstanden hat."
Eron sieht mich schräg von der Seite an.
„Du musst hier weg. Es ist hier nicht sicher für dich", wechselt er plötzlich das Thema.
Und für ihn ist es nicht gefährlich? Ich verstehe das nicht. Ich drehe gleich durch.
Er nimmt auf einmal mein Handgelenk und zieht mich hinter sich her. Seine Hand ist überraschend warm. Wieso ist mir das zuvor nicht aufgefallen?
Für einige Minuten stolpere ich schweigend hinter ihm her. Als wir den Rand des Waldes erreichen und die Felder schon sehen können, wird er langsamer und lässt meinen Arm los. Sofort fühlt sich die Haut an der Stelle kalt an. Seine Hand war wirklich warm. Hoffentlich bekommt er kein Fieber.
„Geh nach Hause, Nisha. Bitte geh nicht mehr alleine in den Wald. Schließlich kann ich dich nicht immer beschützen."
Er sagt es so ruhig und irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass er was hat. Er scheint nicht mehr wütend zu sein. Dafür aber etwas niedergeschlagen. Mist, ich mag den Ausdruck seiner goldenen Augen nicht. Jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen.
„Bitte erkläre es mir, Eron. Wie ist es möglich, dass der Bär dich verstanden hat?"
„Ich sagte doch schon: Ich bin im Wald aufgewachsen und kenne die Tiere. Wenn man sich intensiv damit beschäftigt, kann man die Tiere verstehen. Es braucht Zeit. Sehr viel Zeit. Doch es ist möglich."
„Wie? Zeig es mir", antworte ich dieses Mal mit dem nötigen Ernst, obwohl das Ganze immer noch total verrückt klingt.
„Wieso?"
„Ich will das auch können."
Er mustert mich skeptisch. Ich kann es ihm nicht verübeln, schließlich habe ich gerade noch behauptet, dass ich ihm nicht glaube.
„Bring es mir bei."
„Das kann man nicht einfach jemanden beibringen. Du musst schon ein gewisses Talent dafür haben."
Eron wendet sich ab von mir.
„Außerdem will ich nicht, dass noch mehr Tiere sterben."
Er scheint den Wald und die Tiere sehr zu schätzen. Ist er wirklich dort draußen aufgewachsen? Es würde sein Verhalten erklären. Allerdings wage ich mir nicht vorzustellen, wie einsam er gelebt haben muss.
„Wie meinst du das?", frage ich verwirrt.
„Ach vergiss es. Kein Mensch kann eine Verbindung zum Wald aufbauen. Dazu braucht es Jahre und so viel Zeit habe ich nicht."
Was soll das heißen, er hat keine Zeit? Soweit ich weiß hat er – neben der Arbeit auf dem Hof – jede Menge Zeit.
Eron scheint irgendwie mit den Tieren kommunizieren zu können. Nie hätte ich geglaubt, dass das überhaupt möglich ist, also will ich es unbedingt verstehen.
„Bitte Eron!", sage ich eindringlich. „Ich kenne keinen Menschen, der so ist wie du. Ich möchte dich aber besser kennen lernen. Außerdem liebe ich die Natur und die Tiere. Also wenn es einen Weg gibt, der mich näher an sie heran bringt, dann will ich es versuchen."
„Du bist komisch, Nisha."
Hä? Wieso das auf einmal?
„Sagt der Typ, der mit Tieren spricht", kontere ich und verschränke die Arme vor der Brust, nachdem ich die Tasche mit meinen Malsachen abgestellt habe.
„Ich spreche nicht mit ihnen. Ich...ach was soll's. Das erkläre ich dir ein anderes Mal."
„Heißt das du zeigst es mir?", frage ich hoffnungsvoll und strahle vor Begeisterung.
Eron seufzt und lässt sich Zeit mit der Antwort.
„Von mir aus. Wenn du es unbedingt willst. Allerdings glaube ich nicht, dass du offen genug dafür bist."
Na herzlichen Dank für die Motivation.
„Du bist wirklich merkwürdig. Kein Mensch hält es länger als fünf Minuten in meiner Nähe aus, aber du hast nicht mal Angst vor mir."
Er tippt mir mit dem Zeige- und dem Mittelfinger gegen die Stirn.
„Warum sollte ich Angst vor dir haben?", frage ich irritiert und fasse mit der Hand an die eben von ihm berührte Stelle.
Irre ich mich oder ziehen sich seine Mundwinkel etwas nach oben? Was mag er wohl gerade denken?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top