28. 𝑾𝒖𝒏𝒅𝒆𝒓
Ich weiß nicht wie lange ich dort liege und um einen toten Wolf trauere.
Die anderen Tiere haben sich zurück gezogen, auch die meisten der noch lebenden Wölfe.
Als ich mich etwas aufrichte, fällt mein Blick auf den Waldrand.
Dort zwischen den rauen Stämmen der Eichen läuft ein wunderschöner, großer Hirsch.
Da kommt mir eine Idee. Sie ist absolut irre und ich habe kaum Hoffnung, dass sie funktioniert.
Ich wende mich an Jaques, der immer noch hinter mir steht. Er ist bei uns geblieben.
„Ich will zum Lebensbaum", sage ich entschlossen. Woher kommt mein plötzlicher Mut?
„Der Lebensbaum ist verbrannt", sagt er bedauernd.
„Ich will trotzdem dorthin. Kannst du mir helfen Eron zu tragen?"
Er nickt, obwohl er nicht recht versteht was ich vorhabe.
Er hebt den leblosen Wolf auf seine starken Arme und trägt ihn über das tote Land. Ich gehe neben ihm her. Erons Familie folgt uns mit Abstand.
Wir gehen über die trockenen, morschen Wurzeln und bahnen uns einen Weg durch die graue Wolke, die sich wie ein Schleier über den abgebrannten Wald legt.
Irgendwann bleibt Jaques stehen und legt Eron auf den weißen Boden.
Der Anblick des toten Waldes macht mich noch trauriger. Wir dürfen nicht verzagen. Ich weiß, dass es Dinge an diesem Ort gibt, die ich mir nicht erklären kann. Trotzdem sagt mir meine innere Stimme, dass es möglich ist.
So lange noch ein kleiner Funken dieser Magie übrig ist, werde ich all meine Hoffnung darauf setzen.
Ich gehe zu dem schwarzen Stamm, der immer noch alle anderen überragt und lege meine Hände an die verkohlte Rinde.
„Bitte! Ich weiß, dass du mich hörst", flüstere ich leise.
Jaques und die Wölfe beobachten mich.
„Wenn da noch ein winziges bisschen in dir übrig ist, schenke ihm das Leben."
„Nisha, der Baum des Lebens schenkt allem Leben, aber lässt sich nicht beeinflussen", erklärt Sira mir, als sie als Mensch neben mich tritt.
„Ich fühle nichts mehr in ihm. Das Feuer hat ihm alles genommen. Deine Hoffnung...", sie bricht ab und seufzt.
„Ich weiß, dass es möglich ist. Ich würde mein Leben für Eron geben. Soll er die Energie von mir nehmen. Ich konnte nichts tun. Ich bin einfach machtlos gewesen. Doch jetzt kann ich etwas tun. Wenn das bedeutet mein Leben zu opfern, dann bin ich bereit dazu."
Sie starrt mich mit großen Augen an.
„Das...würdest du...für ihn tun?"
Ich nicke.
„Ich würde das für jeden von euch tun. Ihr alle liegt mir am Herzen. So dürft ihr nicht sterben. So darf der Wald nicht sterben. Ich persönlich werde Allmendes Mauern einreißen und neue Samen aussetzen. Ich werde alles tun."
Irgendwie klinge ich selbst in meinen Ohren kitschig und trotzdem meine ich es so.
Lambert ist tot, doch kann jeder Zeit ein anderer von seiner Sorte auftauchen. Ich muss doch irgendetwas tun können. Ich will nicht in so einem Chaos leben.
Wieder kommen mir die Tränen.
Ein schwaches Bellen erregt meine Aufmerksamkeit.
Ich drehe mich um, schaue erst zu dem grau-braunen Wolf und folge dann seinem Blick. Da ist wieder der Hirsch.
Sira und die anderen staunen nicht schlecht, als er sich langsam auf mich zu bewegt.
Nur ein paar Schritte vor mir bleibt er stehen. Das warme Gefühl kommt zurück. Ich fühle mich sicher in seiner Gegenwart. Mein Kummer wird kleiner und meine Seele wird leichter.
Dann höre ich eine Stimme. Sie ist nur in meinem Kopf, aber ich höre sie so deutlich, wie ich sein Atmen höre.
„Nisha, deine Aufgabe ist noch nicht vollendet. Ich habe dich nicht hergerufen, damit du den Kampf verhinderst. Das was dich ausmacht, ist viel mehr."
Ich höre ihm aufmerksam zu. Niemals hätte ich mir träumen lassen, dass so eine ehrwürdige Kreatur mit mir spricht. Ein Zeichen dafür, dass dieser Ort noch nicht all seine Magie verloren hat.
„Du bist besonders, liebe Nisha. Ich wusste es vom ersten Moment an, als du nach Allmende kamst. Du bist mehr, als es den Anschein hat. Deine Verbindung mit dem Wald ist so tief und absolut rein. Ich danke dir dafür. Auch dafür, dass du bereit bist dein so kostbares Leben für eine meiner Seelen zu geben."
Unbewusst sehe ich auf den toten Wolf. Sofort wird mir das Herz wieder schwer, doch meine Entschlossenheit bleibt.
„Ich würde es sofort tun. Wenn du ihn wieder zurück bringen kannst, dann nimm mein Leben dafür. Ich habe nichts tun können, um ihm zu helfen. Ich verdiene es weniger zu leben, als er."
Er schüttelt leicht sein imposantes Haupt. Dabei wackelt das mächtige Geweih.
„Du hast etwas getan. Du hast ihm geholfen seine Seele zu bewahren. Daher nehme ich ihn auf in den Kreis der Unendlichkeit."
„Nein!", schreie ich schon fast. „Ich will, dass er lebt. Ich will nicht, dass du seine Seele aufnimmst. Gib ihm sein Leben zurück."
„Ich sagte ich würde seine Seele nehmen, nicht dass ich es sofort tun würde."
Ich stutze verblüfft.
„Ich kann Eron zurück holen, doch der Preis dafür ist hoch."
Ich nicke. Egal welchen Preis, ich würde ihn zahlen.
„Du wirst ihn nicht bezahlen", antwortet der Hirsch und tritt noch näher. Er kommt so nahe, bis er direkt vor mir steht.
„Ich brauche dich am Leben, Nisha, denn du hast noch eine Aufgabe zu erfüllen."
Ich verstehe nicht, was er mir sagen möchte.
„Streck deine Hand aus."
Ich gehorche ihm zögerlich.
Er beugt leicht den Kopf schräg zur Seite und zwinkert einmal mit dem linken Auge. Fasziniert starre ich auf die bunte und glänzende Träne, die sich aus seinem Auge löst und auf meine Hand tropft.
Dort verwandelt sie sich in eine tropfenförmige Perle. Sie ist so leicht, als habe sie kein Gewicht.
Der Waldgott tritt zurück und nähert sich Eron.
Jaques und die anderen weichen vor ihm zurück.
Er dreht sich noch einmal zu mir um.
„Er wird sich nicht erinnern...doch er wird leben."
Ich lege den Kopf schief. Eron wird sich nicht an mich erinnern? Vielleicht ist das der Preis dafür, dass er leben wird. Soll mir recht sein, Hauptsache er darf leben.
Ich nicke verständnisvoll.
„Bewahre meine Träne gut auf. Sie ist der Schlüssel zum Leben. Es ist das kostbarste Gut, welches ich dir geben kann."
„Was soll ich damit machen?"
„Du wirst es wissen, wenn die Zeit kommt."
Mehr sagt er nicht. Ich trete erschrocken zurück, als sich die Gestalt des Hirsches vor meinen Augen auflöst.
Sie verteilt sich in tausend kleine Funken, die wie Glühwürmchen in der Luft tanzen.
Sie gleiten einen Moment um mich herum und legen sich dann auf Erons toten Körper.
Wie gebannt starre ich auf die kleinen Dinger, die sich auf sein Fell legen und wie eine neue Seele in seinen Körper eindringen.
Als sich auf einmal seine Brust bewegt, hebe ich die Hand vor den Mund. Im selben Moment weiß ich was geschehen ist: Der Waldgott hat sein Leben für Eron gegeben.
Keine Seele kann einfach so zurück geholt werden. Eine andere muss dafür gehen. Ergriffen von dieser großmütigen Tat, fange ich schon wieder an zu weinen und sehe wie der schwarze Wolf den Kopf hebt und sich anschließend auf seine Beine hebt.
Ein Heulen fährt durch die Luft. Erons Brüder laufen auf ihn zu und freuen sich über dieses Wunder. Er schüttelt sich, als hätte er nur geschlafen. Dabei fliegt die ganze Asche aus seinem Fell. Er scheint verwirrt und auch ein wenig desorientiert. Boris schmiegt sich fröhlich an ihn. Ich bin zwar ein Mensch, trotzdem sehe ich ihn grinsen, den kleinen Wolf. Wie ein überglücklicher Hund.
Jaques tritt an meine Seite.
„Ich...weiß nicht was ich sagen soll, Nisha. Du bist...unglaublich."
„Ich weiß", antworte ich erleichtert und wische mir die Freudentränen vom Gesicht. Noch immer halte ich die feste Träne in meiner Hand und stecke sie ganz unauffällig in meine Hosentasche.
„Wirst du klar kommen?", fragt er mich mit einem besorgten Blick.
Ich nicke eifrig.
„Kümmert euch um ihn. Er wird sich an nichts erinnern."
„An...gar nichts?"
„Nein."
„Aber Nisha..."
„Schon gut. Mir genügt es fürs Erste, wenn er lebt. Mit diesem Wissen kann ich weiter atmen. Er kann sein Leben neu beginnen. Er kann jetzt frei sein, als Wolf, und tun was ihm gefällt. Er muss nicht mehr kämpfen. Er muss sich nicht mehr für eine Seite entscheiden."
„Und was wird aus dir?"
„Ich suche mir Arbeit in der Stadt und versuche Lamberts Chaos in den Griff zu bekommen. Bleibt ihr nur im Wald, dann wird euch niemand mehr schaden."
Er nickt, ich sehe es aber nicht mehr richtig. Ich drehe mich von Eron weg und gehe langsam über die helle Ashe davon. Es zieht mich nach Hause. Der schlimmste Tag meines Lebens ist vorbei. Ich bin wahrlich durch die Hölle gegangen. Der Waldgott hat mir den richtigen Weg gezeigt. Er hat mich geführt - mich, diese unbedeutende Person.
Ich bedauere seinen Tod. Der Wald wird sich zwar mit der Zeit erholen, doch er wird nie wieder derselbe sein. Die Magie ist erloschen.
Irgendwie ist es traurig. Ich tröste mich nur mit dem Gedanken ein Leben heute gerettet zu haben. Ich tröste mich mit der Hoffnung Eron eines Tages wieder zu sehen.
Die Stadt hat von all dem nichts mitbekommen. Die Leute wissen nicht, wie viele bei dem Kampf gestorben sind. Sie wundern sich lediglich darüber, dass plötzlich von Lambert und seinen Männern jegliche Spur fehlt.
Nach einer Woche kehrt Trevor auf den Hof zurück. Ich kaufe wie immer bei ihm ein und kraule den Wuschel hinter den Ohren.
Auch wenn Trevor mich fragend ansieht und auf eine Erklärung von mir wartet, bringe ich kaum ein Wort über die Lippen.
Mein Leben ist wie am ersten Tag.
Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und Kinder rennen spielend über die Straße. Doch niemand fragt auch nur nach Eron. Seine Abwesenheit schmerzt wie eine offene Wunde. Niemand außer mir, scheint ihn zu vermissen.
Ich gehe nach Hause, nachdem ich meine Einkäufe erledigt habe und mache die Balkontür auf. Wie gewohnt fällt mein Blick zu Erons Wohnung hinüber.
Er wird nie wieder kommen, denke ich traurig. Nichts wird wie vorher sein, obwohl alles wie gewohnt erscheint.
Ich sehe auf die halb gebaute Mauer. Sie wird wohl niemals fertig werden. Niemand ist da, um die Arbeiter zu bezahlen.
Ob es die Menschen beunruhigt? Ich frage niemanden und niemand sagt mir was.
In den kommenden Tagen erfahre ich, dass man das Feld, wo der Kampf stattgefunden hat, vollkommen leer vorgefunden hat. Die Leichen wurden weggeschafft und die Asche hat sämtliches Blut vom Boden aufgesaugt. Nun ist nichts mehr von dem Kampf zwischen Mensch und Natur zu sehen.
Ich gehe ein paar Mal dort spazieren, doch auch ich finde keine Spuren. Hin und wieder sehe ich ein Eichhörnchen über die kaputten Äste hüpfen und muss augenblicklich an Zaza denken. Wo er wohl ist? Geht's ihm gut?
Ich sehe keinen meiner Freunde in den ersten Wochen nach Erons Auferstehung. Es ist als haben sie sich tief in den Wald zurück gezogen. Dorthin, wo noch grün ist und niemand ihnen etwas anhaben kann.
Ich vermisse sie. Es geht ihnen gut, sage ich mir immer wieder tröstend.
Zum Malen bin ich nicht in der Stimmung. Außerdem fehlen mir die Motive. Ich spreche ein paar Mal mit Maren und meinen Eltern. Wenn Maren nach Eron fragt, sage ich nur, dass es ihm gut geht. Sie glaubt wohl wir haben Streit oder sowas. Deshalb bohrt sie nicht weiter. Trotzdem bemerkt sie meine angeschlagene Stimmung.
„Du bist irgendwie komisch, Nisha. Fühlst du dich in Allmende wirklich noch wohl?"
Ich habe noch lange nach dem Telefonat über ihre Frage nachgedacht.
Das was Allmende ausmacht ist nicht mehr. Weder der Wald noch Eron.
Ich betrachte immer wieder die Träne des Waldgottes und frage mich, was ich damit machen soll. Sie soll der Schlüssel sein, aber wozu? Konnte der Waldgott mir nicht mehr dazu sagen?
Irgendwann bin ich es leid Trübsal zu blasen und in meiner Wohnung zu versauern. Ich gehe zu dem Restaurant, welches Eron mir empfohlen hat und stelle mich als Köchin und Bedienerin vor. Ich darf ein paar Gerichte zubereiten und bekomme den Job auf Anhieb.
Laurent ist sehr nett. Er ist in der Küche streng, macht aber hin und wieder Scherze und weiß auch ein Lob auszudrücken. Ich fühle mich in seinem Restaurant wohl.
Keiner spricht mich auf Eron an oder fragt nach den Soldaten. Die Leute tun einfach so, als wäre die Welt in Ordnung, als wäre nichts davon geschehen.
Mich gucken sie manchmal etwas verstört von der Seite an. Sie haben meinen Auftritt auf dem Marktplatz noch nicht vergessen, aber solange ich mich still verhalte und mein Leben lebe, lassen sie mich in Ruhe. Zumindest sind sie nicht so abweisend zu mir, wie zu Eron. Ihnen fehlt die natürliche Angst, die sie vor dem Wolf hatten.
Wochenlang bleibt Allmemde ein ruhiges Örtchen. Alles ist friedlich. Ist das Teil des Wunders? Manchmal glaube ich das. Es gibt eben Dinge, die wir nicht erklären können.
Ebenso wie diese seltsame Träne, die zuhause auf meinem Nachttisch liegt und auf mich wartet. So friedvoll und idyllisch die Stadt auch sein mag, irgendwas bleibt unerledigt und ich weiß nicht was.
Wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, starrt mich dieses glänzende Ding an. Ich halte sie immer in der Hand, beim Kochen, beim Fernsehen und sogar beim Staubsaugen.
Erst wenn ich zu Bett gehe, lege ich sie wieder auf den Tisch. Sie ist das letzte, was meine Augen vor dem Einschlafen und das erste was sie nach dem Erwachen sehen. Leider frustriert es mich nicht zu wissen, was ich damit machen soll. Ich habe eine Aufgabe und kann sie nicht zu Ende bringen.
Vielleicht sollte ich Sira danach fragen. Sie ist eines der ältesten und klügsten Wesen im Wald.
Entschlossen nutze ich das Wochenende, um in die Berge zu wandern. Ich folge dem gleichen gewohnten Bergpfad, doch als ich endlich die Höhle erreiche, scheint sie verlassen zu sein.
Enttäuscht setze ich mich auf einen der Felsen. Wölfe ziehen gelegentlich wo anders hin. Das hatte ich vergessen.
Ich beschließe auf dem Berg zu Campen.
Anfangs habe ich noch gezögert. Immerhin sollen Menschen nicht in den Wald gehen. Allerdings bilde ich mir ein eine Ausnahme zu sein. Schließlich habe ich Eron gerettet.
Ich stelle mein kleines Zelt auf und esse etwas von den angefertigten Broten. Es ist so still hier oben. Früher waren hier so viele Wölfe. Jetzt ist da niemand mehr.
Ein Gefühl von Einsamkeit kommt in mir auf und ich schniefe traurig. Alles was ich kannte und lieben gelernt habe ist fort.
Ich gehe nach dem Essen an den Rand der Klippen und schaue ins Tal. Es wirkt so friedlich auf einmal. Es liegt an den kahlen abgebrannten Stellen. Sämtliches Leben ist weiter gezogen.
Automatisch wandert meine Hand an meine Hosentasche. Prüfend taste ich nach dem kostbaren Ding. Es ist noch da. Der tränenförmige Stein, der so leicht wie eine Feder ist.
Nachdenklich halte ich ihn fest, als ein lautes Knacken mich herum wirbeln lässt.
Meine Augen werden groß, als ich in die bekannten gelben Augen sehe, die mich kalt fixieren.
Knurrend setzt der schwarze Wolf eine Tatze vor die andere und nähert sich. Ich sehe seinen Körper in drohender Haltung.
Er erkennt mich natürlich nicht, denn er hat mich vergessen. Doch ich bin überglücklich ihn zu sehen. Ich hätte ihn hier nicht erwartet. Ist er nicht mit seinem Rudel weiter gezogen?
„Eron...", sage ich leise und lasse mich nicht einschüchtern. Ich weiß im nächsten Moment könnte er mich anfallen.
Er hört auf zu Knurren und hebt verwirrt den Kopf.
„Ja...ich kenne deinen Namen...", fahre ich vorsichtig fort. „Willst du gar nicht wissen warum?"
Er legt den Kopf schief, erst nach rechts dann nach links.
„Ich habe keine Angst vor dir, denn du würdest mir niemals wehtun."
Auf diesen Satz bekomme ich wieder ein Knurren, aber er nähert sich nicht mehr.
„Du bist ein Gestaltwandler, Eron. Ich kenne deine menschliche Form."
Nun setzt er sich wie ein Hund. Trotzdem sieht er misstrauisch aus.
Plötzlich verschwimmen seine Konturen und er nimmt die Form eines Mannes an.
Es tut so gut ihn wieder zu sehen.
Er hockt vor mir in leicht zerrissenen, dunklen Menschnkleidern und richtet sich langsam auf.
Seine goldenen Augen sind immer noch ernst, als er die Arme verschränkt und mich unverhohlen mustert.
„Ich kenne dich nicht", sagt er brummend.
„Ich weiß, du hast mich vergessen. Dafür habe ich dir das Leben gerettet."
„Du lügst", faucht er zornig.
„Frag Sira, wenn du mir nicht glaubst. Dein Rudel kennt die Wahrheit."
Er legt schon wieder den Kopf schief, was in seiner menschlichen Form ultra komisch aussieht.
„Ach ist auch egal", sage ich und kämme mir die Haare hinters Ohr. „Du musst dich nicht an mich erinnern. Ich bin nur froh, dass du lebst."
Das meine ich völlig ernst.
„Du...bist ein Mensch", stellt er nach einer gefühlten Ewigkeit fest.
„Ja", nicke ich mit einem unsicheren Lächeln.
„Warum sollte sich ein Mensch darüber Gedanken machen, ob ich lebe oder nicht?"
„Weil du mir am Herzen liegst, Eron. Ich bin wohl der einzige Mensch, dem du vertraust."
Er runzelt die Stirn.
„Ich habe keinen Schimmer wer du bist, noch wie du diesen Ort kennen kannst. Ich weiß auch nicht, ob du die Wahrheit sagst, aber..."
„...du kannst mir vertrauen, Eron", unterbreche ich ihn.
„Irgendwie...", beginnt er zögernd, „...tue ich das."
Mir fällt ein Stein vom Herzen. Das ist wenigstens etwas. Vielleicht habe ich noch Hoffnung seine Erinnerung irgendwann zurück holen zu können. Nur weiß ich nicht wie das möglich ist. Ich weiß so vieles nicht.
Ach Waldgott, warum hast mich allein gelassen?
„Für dieses Mal lasse ich dich laufen, aber komm nicht mehr hier her."
Ich nicke seltsamer Weise. Eron lässt mich an sich vorbei gehen. Ich packe meine Klamotten ein und steige mit gemischten Gefühlen den Bergpfad hinab. Ich weiß, dass seine Augen mich verfolgen. Ich spüre die ganze Zeit seinen Blick auf mir. Selbst dann noch, als ich die Stadt schon sehen kann.
Vorsichtig drehe ich mich um und erstarre, als ich den schwarzen Wolf zwischen dem dunklen Baumstümpfen erkenne. Er ist mir die ganze Zeit gefolgt.
„Ich hoffe dich irgendwann mal wieder zu sehen, Eron. Pass auf dich auf!", rufe ich zu ihm herüber.
Natürlich antwortet mir der Wolf nicht.
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