Erinnerungsstück an einen Sommertag
Mit einem Klirren fiel der Kinderlöffel in den leeren Suppenteller. Auf seinem Griff war ein Frosch. Die Mutter nickte. Heute müsse Tobi nicht beim Abräumen helfen. Das Wetter sei viel zu schön. Er stürmte zur Wohnungstür, ließ sie offen stehen und rannte das Treppenhaus hinunter, aus Versehen bis in den Keller, so musste er wieder hinauf spurten. "Tobi? Du hast die Tür aufgelassen!" Doch das Gerufe seiner Mutter hörte er gar nicht. Tobi ließ die schwere Haustür ins Schloss fallen und trat auf die Straße. Es war blendend hell, er mussste die Augen zusammenkneifen. Und es war warm. Über den Dächern der Autos, die schleppend in der Mittagssonne vorbeifuhren, flimmerte die Luft. Tobi flitzte zwischen ihnen hindurch und begab sich in eine Seitenstraße mit Bäumen, dort war es schattig. Schön waren die Häuser hier. Gelb und Blau und Rosa. Je weiter sich das Brausen der Autos entfernte, desto schöner wurden sie. Es war ganz ruhig, jetzt zur Mittagszeit. An manchen Häusern hörte man scheppernde Musik aus Taschenradios zum Fenster heraus tönen. Ein Pfad führte in einen Park. Heute spielten ein paar Leute mit einer Frisbee- Scheibe. Tobi ging am Spielplatz vorbei in ein Gebüsch. Hier gab es einen Tümpel. Das Ufer machte lustige Geräusche, als er drüberlief. Bedächtig blieb Tobi stehen und wippte mit den Füßen. Er setzte sich auf einen Ast, der halb im Tümpel, halb im Teich lag, und sah ins Wasser. Kleine Dreckwirbel trieben durch die Brühe, aufgewühlt durch Tobi. Als sie sich auf den Grund legten konnte man Kaulquappen entdecken. Tobi steckte einen Finger ins kühle Wasser und wartete, bis eine Kaulquappe angeschwommen kam. Aber es kam keine. Also machte er es sich gemütlich, indem er sich auf dem Ast ausstreckte. Er lauschte. Es zwitscherten keine Vögel. Ab und an quakte ein Frosch. Ansonsten nur Grillenzirpen und ferner Lärm vom Spielplatz. Auch ein Rascheln war zu vernehmen. Das waren andere Kinder! Schnell setzte Tobi sich auf, steckte eine Hand in seine Hosentasche, mit der Anderen stocherte er im Tümpel herum. "Na, Knirps?! Wir fangen Kaulquappen." Es waren die großen Kinder. Vier Jungen. Sie gingen hintereinander ans nächste Ufer. Alle suchten sich lange Äste. Damit schlugen sie auf Brennnesseln und stocherten im Wasser. "Schau, da sind viele!" Einer hatte einen Kescher dabei. Tobi hockte auch am Ufer. Er mochte die Großen Jungs nicht. Sie waren ihm nicht geheuer. Plötzlich sah einer von ihnen zu ihm. "Was hast du denn da?" Auch die anderen drehten sich zu Tobi um. "Gar nichts." Hände in die Hosentaschen. Die Blicke der Andern drückten Tobi aus dem Gebüsch. Er stand auf und wollte gehen. "Verdrück dich doch! Verdrück dich doch! Verdrück dich in dein Hasenloch!" Tobi ging einen anderen Weg nach Hause. Er nahm die Straße mit den Hochhäusern und der Fahrbahn aus Betonplatten. Die Sonne brannte hinunter. Eine feine Staubschicht lag auf dem Asphalt. Auch wenn der Weg nach Hause nicht lang war, kam es Tobi wie eine Ewigkeit vor, bis er überhaupt die große Straße hören konnte. Jeder Schritt machte ihn müde. Und so passierte es, dass er kurz vor der großen Straße eine Rast machte. Hier gab es eine kleine Wiese zwischen den Hochhäusern. Als er sich bequem auf den geschnittenen Rasen legte und die Hände hinter den Kopf legte, ließ sich dieser heiße Sommertag ganz gut genießen. Er hatte ein kleines Stück von dem Tümpel dabei. Tobi sammelte gerne kleine Erinnerungsstücke. Er verschenkte sie oder behielt sie für sich selbst. Ganz egal. Gedankenverloren sah er in die Wolken. Die kleinen Taschenradios dröhnten nur so aus den Fenstern. So viele, dass eigentlich gar keins richtig zu hören war. Plötzlich legte sich ein Schatten auf Tobi. Hand in die Hosentasche. "Tobi? Was willst du mir zeigen?" Erst war er starr und stumm vor Schreck. "Gar nichts." sagte Tobi kleinlaut. "Ich weiß es genau. Du versteckst es in deiner Tasche." So besonders war es doch gar nicht. Die großen Jungen hielten Stöcke auf Tobi. Er wollte nicht weinen. "Halt stopp! Ich zeige es euch." Sie waren gespannt. Doch als Tobi herausrückte waren sie enttäuscht und sagten etwas, was ihn kurz erbleichen ließ. "Mach, sonst regnet es Stöcke. Du bist doch mutig oder?" lachten die Jungen. Tobi fing sich wieder. Die würden schon gucken. Es war Zeit, sie zu überraschen. Mit einem Lächeln öffnete er das Einmachglas. Als er den Rand an seine Lippen setzte schlug ihm ein leicht fischiger Geruch entgegen. Er unterdrückte einen Würgreiz, legte den Kopf in den Nacken und schüttete den Inhalt des Glases in seinen Mund. Und wie sie guckten.
"Na mein Junge? War es schön auf dem Spielplatz?" "Ja Mutter. Es gibt dort ein Karussel und ein Klettergerüst." "Schön, dass du zurecht kommst. " "Ja" Gut, dass keine Kaulquappen drin waren.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top