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Die Türe wurde mit Schwung aufgerissen und die junge Frau mit den blonden Locken und hellblauen Augen blickte mich lachend an. Keine Ahnung, weshalb sie lachte, aber ich fühlte mich direkt unwohl. Abwartend schaute ich sie an.
„Darf ich eintreten?", fragte ich nach zwei Minuten. Sie lachte immer noch und ich stand blöd vor ihr. Wie ich so etwas hasste! „Ja ja", sagte sie und verschwand aus dem Türrahmen. Ich folgte ihr und trat in die Dachwohnung ein. Überall hingen Poster an den Wänden, die irgendwelche Menschen zeigten. Dazu qualmten Öle durch den Raum und verbreiteten einen Lavendelgeruch. Oder so. Von der Decke hingen neben nackten Glühbirnen unzählige getrocknete Rosen. Ein bisschen eingestaubt wirkten sie schon. S. so war ihr Name, hatte es sich wieder in ihrem riesigen Lehnsessel gemütlich gemacht und schlürfte aus einer Teeschale eine grüne Brühe. Vor ihr stand ein hochmodernes, glänzendes Fernglas, dass auf das offene Fenster ausgerichtet war. So bekam sie ihre Informationen. Ich ließ meinen Blick durch den restlichen Raum schweifen. Klamottenberge, eine unaufgeräumte Küche und unzählige Bücher prägten das Bild. Ihre Augen starrten schon wieder durch die Öffnung als ich wieder sie anguckte. „Machst du bitte die Türe zu?", fragte sie, ohne auszuschauen. Ich nickte und drückte die Holztür zu. „Blumen sind dahinten", merkte sie an, ohne irgendwohin zu zeigen. Ich antwortete mit einem „Hmm" und ging zu der großen Leinwand an einer der graden Wände. Sachte fuhr ich mit meinen Fingern an dem Bild entlang, bis ich an einem Riegel hängen blieb. Ich drückte ein wenig und sofort sprang es zur Seite auf. In der Wand befand sich ein gut sortiertes Regal mit allerhand Blumensamen und sonstigen Pflanzen. Die meditative Sorte Pflanzen. Okay, Drogen. Ich schnappte mir ein Tütchen von den Rosen und Nelkensamen und griff nach kurzem Überlegen nach den Gänseblumen. Wäre mal etwas Neues. Die drei Tüten verstaute ich im meiner Jackentasche, ließ den Umhang wieder darüber fallen und trat zu S. Sie war völlig vertieft in ihre Beobachtung, sodass sie die schwarz weiße Katze, die irgendwie auf das Fensterbrett gekommen war, nicht bemerkte. Ich kniff meine Augen zusammen, die Katze kannte ich. Auch sie schien erstaunt zu sein und trat einen Schritt auf mich zu.
Plötzlich schrie S. erschrocken auf und sprang ruckartig auf. Sie hatte die Hände vor die Augen geschlagen und rief verzweifelt: „Alles weiß, die Welt geht unter!" Skeptisch schaute ich sie an und fragte: „Soll dass ein Aprilscherz sein?" Sie schrie mit vor Panik ganz schriller Stimme: „NEIN, ES IST WIRKLICH ALLES WEIß!" Sie riss die Augen auf und zeigte ruckartig auf die Katze. Die erschreckte sich so sehr, dass sie ein Stück nach hinten sprang. Doch dort ging es steil hinunter. Das arme Tier rammte seine Pfoten in das Holz des Fensterbrettes und versuchte verzweifelt, sich festzuhalten. Ihr Mauzen war verzweifelt und ihre Augen panisch aufgerissen „Die arme Katze", schrie S. verzweifelt und schien erstarrt zu sein. Etwas genervt ging ich zum Fensterbrett und wollte das Tier hochziehen. Ich war fast bei mir, sie starrte mich mit großen dunklen Augen an, als ihr ein „Hicks" entfuhr und sie aus meinem Blickfeld verschwand. Ich stürzte zu Fenster und guckte der fallenden Katze nach. Mist. Das Tier wurde in der Tiefe immer kleiner und verlor sich letztlich im Nebel. S. fiel völlig aufgelöst in sich zusammen und ich hätte am liebsten meinen Kopf gegen die Wand gehauen. Sie schluchzte laut auf. „Ich bin alles Schuld, ich allein." Ich nickte. „Stimmt" Sie hielt einen Moment verwirrt inne und heulte noch lauter als zuvor. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich meine, du hast sie für den Weltuntergang gehalten." S. liefen dicke Tränen die Wange runter. „Aber ich konnte doch nichts dafür, dass das Fernglas ihr Fell so extrem vergrößert hat." „Da gebe ich dir Recht."
Wir schwiegen uns an und ich hoffte, dass unser Geschäft noch zustande kommen würde. Angesichts des Taschentuchberges, der sich vor S. allmählich anhäufte, rechnete ich nicht mehr damit. Seth würde mich umbringen!
Plötzlich vernahm ich ein herzzerreißendes Miauen, stürmte zur Türe und riss sie auf. Die gleiche Katze saß völlig unverletzt, sich putzend, vor der Türe und blickte mit großen, unschuldigen Augen zu mir hinauf.
Ich schlug die Türe wieder zu.
S. hatte aufgehört zu weinen und lachte erleichtert. „Und ich dachte schon, sie sei tot. Noch mal Glück gehabt würde ich sagen." „Hmm", knurrte ich und überlegte, die Katze irgendwie doch noch umzubringen, sobald ich hier fertig war. Hatte die mich grade wirklich reingelegt? Eine Katze?! „Was willst du eigentlich wissen? Tee?", fragte S. mich und hielt eine zweite Schale hoch. Mit einem müden Lächeln lehnte ich ab. „Ich brauche Informationen über das Billardturnier." Sie nickte und fuhr sich durch die Haare, legte den Kopf schief und begann sich im Kreis zu drehen. Ein „Huiii", entfuhr ihr und sie taumelte mit ausgestreckten Armen durch ihre Dachwohnung. Gedehnt atmetet ich aus und wartete, dass sie mit dem irren Nachdenken fertig war. Abrupt hielt sie inne und fixierte mich mit ihren blauen Augen. „Die beiden Cheffinnen und die ältere Tochter der einen Schwester sind dabei. Ich habe gesehen, wie der Bote vier Einladungen mit ihren Namen abgegeben hat. Die jüngste wollte nicht." Das Conway-Kartell wurde von zwei Schwestern geführt, die allerdings recht skrupellos waren. Eine von ihnen hatte eine Familie. Ihre Töchter hatten zwar wie sie ihre Erinnerungen verloren, aber ihre Bestimmungen waren mit 18 bei beiden geprüft worden. Da sie keine übernatürlichen waren (= tot), hätten sie theoretisch „draußen" leben dürfen, sie hatten sich aber für ihre Familie entschieden. Die eine Tochter war 21, die andere 19 Jahre alt. Die jüngere ließ sich nie irgendwo blicken, weshalb es mich nicht wunderte, dass sie nicht bei dem Turnier dabei war. „Ich danke dir. Gibt es dazu sonst noch etwas zu sagen?" Sie überlegte einen Moment. „Vorgestern ist ein Billardtisch geliefert worden und ein Karton voll Queues." Wahrscheinlich konnten die gar kein Billard und mussten es erst lernen. Gut für Seth. „Danke dir S.", bedankte ich mich und packte eine Tüte mit Essen aus. Darin waren süße Teilchen, kleine Küchlein und jede Menge Süßigkeiten. Was vielleicht wie eine einfache Bezahlung klang, war hier drinnen recht viel Wert und wer Süß liebte war häufig aufgeschmissen. Zum Glück wohnte ich mit einem Bäcker unter einem Dach.
Sofort fiel sie über die Tüte her und ich zog mich unauffällig zurück. Als ich die Türe öffnete drückte sich die Katze an mir vorbei und ich verließ die Wohnung schnell.
Froh über die gesammelten Informationen machte ich noch einen Abstecher zum Markt, was mich den Nachmittag kostete. Joe freute sich riesig über mein Auftauchen, er hatte die Samen sicherlich schon längst erwartet. „Die Nadeln brauchen noch ein bisschen mehr Zeit, ich habe dafür noch keine Quelle. Außerdem habe ich im Moment nicht sooo viel Zeit", erklärte ich, doch Joe winkte ab und reichte mir die Mütze. „Besorg die Nadeln einfach, wenn du Zeit hast, die hier tuns auch noch ein bisschen", sagte er freundlich und war sofort wieder mit Stricken beschäftigt. Lächelns steckte ich die Handarbeit ein und machte mich auf den Weg nach Hause.
Dort versteckte ich die Mütze unter meinem Bett und ging runter in den Laden, um meine Wöchentlichen Arbeiteten zu erledigen. Vom Informanten zum Arbeiter. Jeder brauchte doch eine Tarnung oder?
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