Prolog

Das Ding mit der Zeit ist dieses:
Du kannst sie benennen, festlegen, zählen
Und dennoch:
Sie bleibt relativ
Die ultimativen Fragen sind nun also:
Ist Zeit linear? Existiert sie so, wie wir sie uns vorstellen?
Gilt diese Zeit überall, für alle und jeden?

Vielleicht müssen wir unseren Verstand flexibler werden lassen, um die Fülle der Möglichkeiten erfassen oder erahnen zu können.

※※※

Dunkle Wolken ziehen herbei und ich kann die Spannung in der Luft fühlen. Bald ergiessen sich wieder Wassermassen über das Land. Mich schauert es und ich ziehe das naturweisse Wolltuch enger um meine Schultern. Der auffrischende Wind zerrt an mir. Er will mir sagen, dass ich schleunigst in mein kleines Haus zurück soll. Heut kein Sonnenschein, kalt und grau, sei schlau, kehr Heim, flüstert er mir zu, während er um meine Ohren saust. «Ist gut, ich habe verstanden», antworte ich ihm und schenke ihm den melodischen Klang meiner Stimme.

Mit einem letzten Blick zum grauen Himmel gehe ich los. Der Boden ist weich und federnd, das Moos und die Heide dämpfen meine Schritte. Die Feuchtigkeit gräbt sich in meine Schuhe und wandert meine Strümpfe hoch. Es ist unangenehm, schon so lange bekommen die Pflanzen hier keine Gelegenheit mehr zu Trocknen.

Meine kleine Hütte zeichnet sich am Waldrand ab. Lange brauche ich nicht mehr, der Wind verrät mir, dass es höchste Zeit wird. Ich beschleunige meine Schritte, auch wenn es meinem Gemüt nicht entspricht hastig zu Gehen. Mein Atem geht deutlich schneller, als sich meine blasse Hand zum Türgriff ausstreckt und das raue Holz umfasst. Kräftig drücke ich meinen feinen Körper dagegen. Mit einem Knarren öffnet sich die Tür und das wohlige Warm meiner Hütte empfängt mich.

Auf den Tisch lege ich die paar Dinge, die ich draussen gesammelt habe. Das Feuer prasselt und ist die nie versiegende Quelle der Wärme hier. Damit dürfte ich einige Tage zurechtkommen, denke ich mir. Wer weiss wie lange das Unwetter diesmal dauert. Die ersten Tropfen fallen schon.

Seufzend setze ich mich in meinen mit Fell gepolsterten Schaukelstuhl. Es ist mein Lieblingsplatz in der Hütte. Eine dünne Decke lege ich mir über die Beine. Sie ist von einem zarten Rosa und wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich nicht mehr, woher ich sie habe. An so vieles kann ich mich erinnern. Doch daran nicht, auch nicht, wie ich zu diesem Leben hier gekommen bin. Aber das habe ich schon lange aufgehört mich zu fragen. Ich kenne Geschichten und ich liebe es diese zu erzählen. Manchmal kommen ein paar Tiere und hören mir zu, manchmal erzähle ich sie dem Feuer oder einfach nur mir selbst.

Ein leises Pochen erklingt vom Fenster her. Wären meine Ohren nicht geübt es von den anderen Geräuschen zu unterscheiden, würde ich es überhören. Eine kleine Blaumeise sitzt erwartungsvoll da und sie hat ein paar ihrer Freunde mitgebracht. Vorsichtig öffne ich das Tor zur Aussenwelt. Aufgeregt hüpfen die kleinen Vögel hinein. Auch einige kleine Nager haben sich dazugesellt. Alle bringen sie ein paar Beeren und Nüsse mit. Ich lächle. Es ist nur ein Hauch des Lächelns, zu welchem ich früher einmal imstande war. Doch wann ich es verloren habe, gehört zu den Dingen, die ich nicht mehr weiss.

«Kommt meine lieben Freunde, nehmt Platz», lade ich ein, während ich das Fenster leise schliesse und mich zurück in meinen Schaukelstuhl setze.

«Man nennt mich Dhara und ich erzähle euch heute eine Geschichte.»

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