2 - Wut
Den grössten Schaden richtet Wut in einem Selbst an.
Denn sie ist das pure Gegenteil des Lebens.
※※※
Als ich meine Augen öffne, ist es ein wenig heller in meiner Hütte. Ein Blick nach draussen verrät mir, warum es sich dennoch nicht wie Tag anfühlt. Noch immer hängt diese graue Schicht tief im Land und entleert ihre Wassermassen. Müde seufzend beginne ich meine Glieder zu bewegen. Meine kleinen Übernachtungsgäste registrieren es sofort und stimmen in ein freudiges Morgenlied ein. Es ist lieblich und lässt Erinnerungen an eine Geschichte in mir wach werden.
Ob sie diese wohl mehr mögen? Ich befürchte nicht...
Als ich aufrecht sitzend in den Raum vor mir blicke, bringen die Nagetiere mir schon ein paar Beeren und Nüsse. Sie strahlen Frohsinn aus und lassen mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Ohne viel zu schmecken, schiebe ich mir die Früchte in den Mund. Es ist so erschreckend, wie trist alles erscheint in diesem Licht. Ich bleibe eingesperrt. Schon lange habe ich es aufgegeben, mich diesen Regengüssen zu widersetzen.
Schwer atme ich durch und versuche mich auf das zu konzentrieren, was sich gerade in meinem Mund befindet. Eine Haselnuss, ja, daran kann ich mich erinnern. So angenehm, leise pocht mein Herz.
«Ich danke euch für eure schönen Lieder und die Früchte. Ich bin froh, dass ihr hier bei mir seid», spreche ich mit den kleinen Wesen.
Anschliessend mache ich mich daran das Feuer neu zu entfachen. Mit der vorhandenen Glut ist es ein leichtes. Als es prasselnd mit seinem warmen Licht ein wenig dieser Tristesse vertreibt, setze ich mich wieder in meinen Schaukelstuhl. Augenblicklich sammeln sich meine Zuhörer um mich.
Doch gerade als ich zu meiner nächsten Geschichte Luft hole, erklingt von draussen ein markerschütterndes Geräusch. War das ein Schrei?, frage ich mich. Sofort stehe ich.
Schneller als ich denken kann, sind meine Erfahrungen mit dem Regen in Vergessenheit geraten und die Distanz zur Tür überwunden. Hektisch reisse ich sie auf, dabei segelt mein Schultertuch zu Boden. Nur eine sehr kleine, dafür mutige Maise setzt sich auf meine Schulter und begleitet mich nach draussen.
Den durch die Nässe schweren Boden unter meinen Füssen fühlend, gehe ich dem nicht enden wollenden Geräusch entgegen. In Wellen erreichen mich die Schreie oder was es ist. Innert Sekunden bin ich komplett durchnässt und mein offenes langes Haar klebt an mir und umrandet dunkel mein blasses Gesicht. Durch das Wasser wirkt es beinah Schwarz, obwohl es sonst doch ein schönes Kastanienbraun hat.
Ich passiere die Waldgrenze, denn das Geräusch kommt eindeutig aus dem Waldgebiet. Eichen, Birken und Lärchen säumen meinen Weg und würde dieser Regen endlich aufhören auf uns alle einzuhämmern, würden sie sicherlich wundervoll im Sonnenschein leuchten. Meinen Kopf einziehend gehe ich weiter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die eigentlich nur Minuten gedauert haben kann, erreiche ich den langgezogenen See, dessen Ufer schon längst um ein Vielfaches angeschwollen sind.
Bilder strömen auf mich ein. Starke und kräftige Männer rennen in einer Horde und laut brüllend an mir vorbei, bis auf die Zähne bewaffnet. Sie sind auf der Jagd, das erkenne ich sofort. Ihr Ziel ist diese Bärenmutter da und ihr Junges. Meine Augen weiten sich vor Entsetzen. Die Bärenmutter brüllt und das war das Geräusch, welches ich zuvor vernahm. Mit dem Rücken zum See, bedroht von dieser Horde. Wissend, dass ihrem kleinen der Tod blüht, wenn es so weit schwimmen muss, und das in diesem Regen und windgepeitschten dunklen Wasser. Also bereitet sie sich auf den Kampf vor. Einen den sie nicht gewinnen kann.
Schmerz schiesst in mich und mein Körper gibt nach. Hilflos sehe ich zu, wie die Mutter den Kampf verliert. Todesangst und vor allem die Angst um ihr Junges liegen in der Luft. Bleiern legt sie sich auf mich, während der nasse Boden meinen Körper auffängt. Die Geräusche dringen nun wie aus weiter Ferne zu mir, bis irgendwann nur noch Stille da ist. Mit ihr kommt die Dunkelheit. Der Schmerz pocht in mir, als ob die Männer mir die Wunden zugefügt hätten.
Leises und besorgtes Zwitschern ist das erste was ich wieder vernehme. Als ich meine Augen mit einem immensen Kraftaufwand öffne, erkenne ich die kleine Meise, die auf meiner Brust sitzt und mich besorgt ansieht.
Meinen Körper kann ich kaum fühlen, so kalt und klamm ist er. Ausserhalb meines Sichtfeldes erklingt ein kleines Brummen und ein warmer Atem schlägt mir ins Gesicht. Als meine Augen zu fokussieren beginnen, erkennen sie die grossen dunklen Onyxe und die lange braune Schnauze. Sanft stupst diese mich an.
In meinem benebelten Kopf beginne ich zu verstehen, was mir der noch junge Bär sagen möchte. Er will mir helfen. Ich greife nach ihm und mit seinem kräftigen Körper schenkt er mir die Stärke mich aufzurichten. Es schüttet immer noch wie aus Eimern, doch wirklich fühlen kann ich es nicht mehr.
Während meine Hände sich in das dichte Fell des Bären graben, fliesst etwas von seiner Kraft zu mir und ich schaffe es wenig später tatsächlich auf meine Füsse. Während wir so in Verbindung stehen, fühle ich seine Einsamkeit. Hastig blicke ich mich um, denn die Männer kommen wieder in meine Erinnerung. Doch ich sehe nur den See und den Wald, keine einzige Spur erzählt von ihnen und ihrem Kampf.
Ich mache einen tiefen Atemzug und versuche damit zu verhindern, dass sich nun noch das salzige Nass meiner Tränen zum Wasser in meinem Gesicht gesellt. Meine Augen brennen. Wieder ist es geschehen. Ich sollte es doch nun wirklich langsam besser wissen...
Mit dem Bären an meiner Seite, der durchaus gross genug ist, dass ich mich an ihm stützen kann und der durchnässten Maise auf meiner Schulter, kehren wir zurück zur Hütte. Die anderen Tiere erwarten uns bereits an der noch offenen Tür.
Als wir unter dem Vordach stehen, beginne ich mich aus dem nassen Leinen zu schälen. Nass als wäre ich im See schwimmen gewesen und schmutzig, hänge ich es in den Regen. Soll er es doch wenigstens auch gleich abspülen. Morgen werde ich mich darum kümmern müssen.
Geschwächt und völlig unterkühlt trete ich in die Hütte. Der Bär, der sich unter dem Dach kräftig schüttelt, kommt gleich darauf nach.
Ich wickle mein Schultertuch unbeholfen um mein Haar, damit es nicht alles volltropft. Anschliessend Wärme und trockne ich mich am Feuer etwas, bevor ich mir ein Nachthemd überstreife. Erschöpft von den Anstrengungen setze ich mich in meinen Stuhl. Der junge Bär legt sich zu meinen Füssen vor das Feuer. Wohlig schliesst er die Augen. Ich decke mich mit meiner Decke zu.
«Wollt ihr die Geschichte noch hören?», frage ich nun in die Runde. Zustimmende Laute erklingen. «Gut, dann erzähle ich euch nun von Andor...»
※※※
«Es geht mir unter die Haut», brüllt er mit kräftiger Stimme. Sein helles blondes Haar ist widerspenstig gelockt und umrandet sein Gesicht. Es untermalt seinen wütenden und wilden Ausdruck, während das Feuer in seinen im Kern sanftmütigen grauen Augen reflektiert.
«Du solltest dir diese Dinge einfach nicht so zu Herzen nehmen Andor», erwidert indes sein Freund, der am Holztisch sitzt und sein Bier vor sich stehen hat. Ungläubig beobachtet er seinen Bruder im Geiste, wie dieser auf und abschreitet. Dabei kommt dessen Wut in Wellen. Er kann diese durchaus verstehen. Schon zu lange verharren sie hier. Warten und wissen nicht, ob der Krieg kommt oder nicht.
Mit jedem Tag der vergeht, rücken die Gedanken an die möglichen Kämpfe in den Hintergrund. Die Lagerung von genügend Essen für den bevorstehenden Winter wird wichtiger. Die provisorischen Hütten, die sie vor Monaten hier errichteten, halten die Kälte nur bedingt ab. Am Morgen ist der Boden bereits steinhart und die Gräser von Frost umrandet. Es dauert nicht mehr lange, da kann kein Feuer der Kälte mehr entgegenhalten, ohne dass die Hütten verbessert würden.
«Wann wollen die handeln? Wenn unsere Kinder erfrieren oder unsere Frauen verhungern?», brüllt Andor erneut und hält kurz in seinem Schreiten inne.
«Das bezweifle ich, diese Schönwetterrömer werden kaum im Winter einen Krieg mit uns beginnen. Denen frieren doch schon im Herbst die Finger an ihren Lanzen an.»
Das laute brummende Lachen Andors erfüllt die Hütte und Bedran atmet erleichtert auf. Er selbst ist schon einer der grössten und kräftigsten hier, doch Andor überragt ihn dennoch um einen halben Kopf. Wenn er die Kontrolle verliert, kann es durchaus sein, dass das ganze Haus dabei zertrümmert wird. Darauf kann Bedran bei dieser Witterung gut verzichten. Zumal Andor noch dazu neigt sich dabei zu verletzen.
In der angespannten Lage wäre das eine ausserordentlich ungünstige Sache.
Einige kalte Tage später geschieht dann das, was Bedran davor noch bezweifelt hatte. Früh morgens, noch im Dunkel der Vordämmerung beginnen die gegnerischen Krieger die provisorischen Dörfer zu überfallen. Der Geruch von Feuer und Rauch, der noch entfernte Lärm von Schreien, wecken schliesslich Andor und Bedran. Nach der durchzechten Nacht grenzt es an ein Wunder, dass sie überhaupt etwas mitbekommen.
Innert Sekunden sind sie hellwach und greifen zu ihren Waffen. Ein Krieger muss immer bereit sein, ein brummender Schädel existiert in dieser Welt nicht. Dafür der in seinen dichten Bart brummelnde Bedran, der fassungslos die Dummheit der Römer verflucht.
Als die beiden aus der Hütte treten sind sie nicht allein, laut und kampfbereit stürzen sie sich auf die Angreifer. Brutal und ohne erbarmen verteidigen sie ihren Lebensraum, Blut tränkt den Boden. Männer fallen, Häuser brennen nieder, Kinder werden den wie Furien kämpfenden Müttern entrissen. Wie konnten diese Südländer nur unbemerkt, die doch beträchtliche Distanz bei Kälte und Nacht überwinden?
Am Ende drängen die hünenhaften Männer die angreifenden Römer zurück. Die zurückbleibende Zerstörung trifft Andor tief. Trotz seinem harschen auftreten und seiner beeindruckenden Erscheinung, hat er eigentlich einen sensiblen Kern, doch davon weiss keiner etwas. Diesen Kern versteckt er hinter einer Fassade aus Zorn. Dieser richtet sich nun gegen die Häuptlinge, welche mit ihren Beratungen und mangelhaften Strategien dafür gesorgt haben, dass der Feind so viel Schaden anrichten konnte.
«Sprich doch mit deinem Bruder, Andor, vielleicht ist er einsichtig?», redet Bedran schon eine Weile auf seinen Freund ein. Das stoische schweigen in Kombination mit dem maskenartigen Gesichtsausdruck beunruhigen ihn mehr, als der tobende, auf und abgehende Mann.
«Es bringt doch jetzt nichts, deine Stellung zu riskieren. Das bringt keinen zurück.»
Doch Andor reagiert nicht, kein Anzeichen, dass er zuhört, nur diese leichte Röte in seinem Gesicht, die verrät, dass es unter der Oberfläche brodeln muss.
Irgendwann gibt Bedran auf und beobachten einfach weiter die Statue von einem Mann. Erst als er beinah schon weggenickt ist, entschliesst sich sein Freund, doch noch etwas zu sagen.
«Ich werde meinen Bruder aufsuchen und ihm klar machen, was er zu tun hat.»
Mit diesen Worten wendet er sich ab und verlässt den Raum. Der aus dem beinah Schlaf hochgeschreckte Bedran bleibt erschrocken zurück.
Im grossen Gemeinschaftssaal, in dem seit vielen Wochen diese leidigen Besprechungen stattfinden und über den Bau des grossen Walls durch die Römer lamentiert wird, schreitet Andor wieder auf und ab. Diesmal versucht er dabei seinem Bruder die Lage zu erklären. Doch dieser scheint ihn nicht zu hören.
«Hör mal Andor, ich verstehe ja, dass das eine schwierige Lage war, aber uns geht es hier nicht anders. Wir wollen die beste Entscheidung für uns alle treffen. Immer alles mit roher Gewalt niederzuschlagen ist nun mal nicht immer Zielführend», spricht nun der ältere der beiden Brüder.
«Fantastisch, warten wir also ab, bis sich die Eindringlinge an unser Klima gewöhnt haben und uns mit ihren Strategien überrumpeln, wie sie es mit dem restlichen Land bereits getan haben.» Andors Stimme donnert durch die Halle und wird bestimmt auch von anderen vernommen. Dennoch bleibt es still, sogar die Feuer scheinen zu verstummen.
«Willst du mir mit deinem Schweigen etwa sagen, dass es dir egal ist, dass sie unsere Frauen und Kinder abgeschlachtet haben?» Andor beugt sich zu seinem Bruder und kommt ihm dabei ganz nah.
«Würdest du auch nichts sagen, wenn es deine Kinder gewesen wären, die nun verstümmelt auf dem Feld liegen? Wenn es die Schreie und Kampf deiner Frau gewesen wären? Sag schon...!»
Doch Andor ist nicht der einzige, dessen Gesicht zu einer stoischen Maske werden kann. So bleibt das Gesicht seines Bruders regungslos.
Andor richtet sich zu seiner vollen Grösse auf. «Ich gebe dir mein Wort, Bruder, wenn ihr nicht in drei Tagen eine Entscheidung gefällt habt, dann werde ich mit allen, die mir freiwillig folgen, in die Schlacht ziehen und diesen Wall dem Erdboden gleich machen.»
«Andor tu das nicht...du verstehst nicht...»
«NEIN...du verstehst nicht! Du spielst mit unser aller Leben und es ist dir gleichgültig. Es ist ein Versprechen, ihr habt drei Tage, sonst schauen wir selbst.»
Damit dreht er sich ab und verlässt das stattliche Dorf mit seinen rund gebauten Häusern. In so einem erblickte er einst das Licht der Welt. Wenn Vater das sehen würde..., denkt Andor einerseits wütend auf alles und vor allem auf seinen Bruder, andererseits bedrückt ob all dem, was sich ereignet hatte. Bevor er zurückkehrt, besucht er den Grabhügel, welcher seinem Vater, dem grossen Häuptling alle Ehre erweisen soll.
Die drei Tage ziehen ins Land und nichts. Keine Botschaft, keine Entscheidung, wie gegen den Wall und die Eindringlinge vorzugehen ist. «Das ist pure Ignoranz, wie können wir denken, dass wir besser wären, als diese blasierten Römer», ärgert sich Andor nun lautstark im Beisein von Bedran und weiteren Freunden, die seine Ansicht teilen.
«Du könntest deinen Bruder herausfordern...», denkt Bedran laut, in der stillen Hoffnung, dass endlich eine Nachricht kommen möge.
«Und was soll ich dann? Mit diesen anderen sturen Köpfen zusammensitzen und genauso um den heissen Brei reden? Das bringt doch alles nicht.»
Als es bereits dunkel wird und noch immer keine Nachricht gekommen ist, verlässt Andor seine Freunde. Morgen werden sie ihre eigenen Strategien umsetzen. Die letzten eineinhalb Tage haben sie damit verbracht, diese auszuarbeiten. Dies entspricht Andors Vorstellung von Handeln und Verantwortung für sein Volk zu übernehmen. Unter höchster Anspannung betritt er die Hütte, die ihm den Hauch von Zerstreuung verspricht, die er nun braucht.
Währenddessen meint Bedran zu ihren Freunden: «Hoffentlich kommt noch etwas von den anderen. Nur noch Flaith kann ihn nun beruhigen. Hoffen wir das Beste.»
Nach ihrer eher heftigen Vereinigung starrt Andor an die Decke, Flaith liegt in seinen Armen und ihr Atem geht tief. Doch sie schläft nicht, sanft streicht ihre Hand über seine Brust. Ihre grünen Augen beobachten jede Regung von Andor, der indes mit ihrem rötlich schimmernden Haar spielt.
Sie ist eine starke Frau, sofort würde sie mit ihm ziehen und wenn er ehrlich ist, würde er sich dann besser fühlen. Wer weiss, was sein Bruder tut, wenn er von ihrer Verbindung erfährt und erkennt, dass er sein Versprechen hat wahr werden lassen.
«Du weisst, dass ich euch begleiten kann.»
Dieses Weib ist unglaublich, sie liest meine Gedanken, geht es ihm durch den Kopf und mit seinem kräftigen Arm zieht er sie näher an sich heran. «Führe mich nicht in Versuchung, Frau...», grummelt er indes in ihr Haar.
Das leichte Vibrieren, welches von ihrem Körper ausgeht, verrät ihm, dass sie lacht. «Was ist daran so lustig?»
«Als ob du dich so einfach in Versuchung bringen lässt», antwortet sie mit ihrer vollen melodischen Stimme.
Er hatte sie vor einigen Monaten kennengelernt, als sie alle abends um die Feuer versammelt waren und gesungen wurde. Ihre Stimme würde er fortan unter allen wiedererkennen. Sie hat so einen Schmerz darin, einer, den er von sich selbst kennt und dennoch nicht benennen kann. Bei diesen Erinnerungen streicht er ihr zärtlich über den Rücken.
«Du wärst die einzige, die das schaffen könnte Flaith», raunt er ihr dann ins Haar. Sie riecht nach Feuer und Wind, nach Freiheit. Sie presst als Antwort ihren Körper noch enger an seinen. Er fühlt ihre weichen Brüste und muss kräftig durchatmen um noch einen klaren Gedanken halten zu können. Denn was er sagen möchte, ist ihm wichtig.
«Aber ich wünsche mir, dass du nicht mitkommst. Bleib auch nicht hier, zieh weiter in den Norden, so weit, wie du kommst. Wenn ich überleben sollte, komme ich dich suchen», er schluckt schwer, «und wenn nicht, dann bist du hoffentlich dort weit genug von diesen Römern und meinem Bruder weg.»
Flaith hebt den Kopf. Ihre grünen Augen treffen auf seine grauen und durchdringen ihn. Er kann sehen, wie sie abwägt, was soll sie tun, ihn überzeugen versuchen oder seinem Wunsch Folge leisten?
«Du weisst, ich kann kämpfen...», setzt sie an und da ist es wieder in ihrer Stimme, dieses Gefühl, welches Andor direkt ins Herz trifft. Er greift nach ihrer zarten Hand, die Spuren der harten Arbeit und der Kämpfe sind nicht zu übersehen, dennoch ist sie so klein. Er küsst sie auf die Handinnenfläche und schliesst danach ihre Finger darum.
«Mein Herz gehört dir, Flaith, das weisst du und es würde mich nichts mehr zerstören, als dich im Kampf fallen zu sehen.»
Tränen treten in ihre Augen, als sie sieht, wie ernst er es meint. Um ihn zu küssen muss sie sich zu seinem Gesicht hoch strecken. Ihre weichen Lippen treffen auf seine, die von der Spannung in ihm, immer eine leichte Härte haben. Sein Bart piekst sie sanft, doch das stört sie nicht. Im Gegenteil, sie mochte dieses Gefühl schon immer.
Mit einer Zärtlichkeit, die man diesem störrischen und hünenhaften Krieger niemals geben würde, zieht er sie an sich und erwidert ihren Kuss. Ihr Haar fällt über ihn, als sie sich auf ihn legt und damit vorübergehend sein Denken ausser Kraft setzt. Ihre weichen Brüste pressen sich auf seine haarige Brust, während sie ihre Beine auf seinen Seiten absetzt. Als sie sich von seinen Lippen löst und sich auf ihm zu bewegen beginnt, fährt er geniesserisch über ihre Taille, seine Hände fassen dabei beinah einmal um diese herum.
Genüsslich bewegt sie sich seinen Berührungen entgegen. Ihr Hände fahren dabei mit Druck über seine muskulöse Brust. Er kann ihre Kraft fühlen, er weiss, dass auch nur eine der beiden Hände tödlich sein kann, wenn diese eine Waffe hält. Als er die Spannung, in die sie ihn absichtlich treibt, nicht mehr aushält, packt er sie hart an der Hüfte und wirft sie neben sich, während er sich über sie legt und sie unter sich begräbt.
Wohlig stöhnt sie auf und drückt sich ihm entgegen, als er in sie eindringt.
Stunden später schlafen beide tief und fest. Nach einigem hin und her hat Flaith sich geschlagen gegeben und eingewilligt, fort zu gehen.
Als Andor erwacht, liegt ihr Kopf auf seiner Brust und ihre Arme sind um ihn geschlungen. Zärtlich berührt er ihr Gesicht, doch sie reagiert nicht. Mit aller Vorsicht, die ihm möglich ist, löst er sich aus ihrer Umarmung. Dann zieht er sich unter ihr hervor, legt dabei ihren Kopf langsam und sanft auf das Bett. Das warme Fell zieht er über sie. So leise wie möglich streift er sich seine Kleidung über. Alles beisammen und aufbruchbereit, bleibt er einen Augenblick am Bett stehen und betrachtet Flaith liebevoll. Dabei fällt sein Blick auf einen ihrer schön gestalteten Armreifen.
Einem Impuls folgend zieht er ihr einen davon sanft vom Handgelenk und steckt ihn ein. Dafür legt er ihr eine seiner Halsketten mit seinen Jagd- und Kampftrophäen hin. Mit einem letzten Blick zurück verlässt er die Hütte.
Zielstrebig geht er zu seinen Männern. Kurz schwillt seine Brust vor stolz, als er sich bewusst wird, dass es nun wirklich seine Männer sind. Sie haben geschworen ihm zu folgen, auch wenn es ihnen schwerfällt sich unseren Strukturen zu widersetzen.
Doch dann greift seine Wut wieder, Wut auf seinen Bruder, Wut auf die anderen Stammesführer, Wut auf diese Römer.
Also gibt er sich in das, was er am besten kann, in den Kampf. Auch wenn man meinen könnte, er würde einfach nur blind vor Wut angreifen, würde er sowas nie tun. Dann hätte er auch niemals die Unterstützung seiner Männer bekommen. Nein, sie folgen einem Plan.
Nach einigen Monaten kehrt die Truppe zusammen mit dem Frühling zurück. Viele Kämpfe sind gewonnen, doch auch einiges verloren. Als sie vor die Stammesführer treten, stossen sie auf weniger Bewunderung, als sie sich durch ihre hart gefochtenen Kämpfe erhofft hatten. Der Affront, welcher ihr Handeln darstellte wurde nicht einfach vergessen. Dafür hätten sie wohl diese Römer von der Insel vertreiben müssen.
«Du hast uns alle verraten», brüllt nun Andors Bruder, «du hast unsere Brüder in den Tod geführt und erreicht, was hast du erreicht mit deiner Wut?»
Doch Andor ist nicht bereit klein beizugeben, auch wenn er sich mehr gewünscht hätte, war er dennoch mit ihrem Erfolg zufrieden. Sie konnten den Wall an einigen strategisch wichtigen Stellen schwächen, ausserdem erlitten die Römer starke Verluste. Sie würden etwas brauchen, bis sie die Grenzen wieder überschreiten versuchen.
«Die Druiden haben gesagt, dass die Römer keine relevanten Landgewinne mehr erzielen werden. Dein Handeln war also vollkommen sinnlos und damit nichts mehr als gefährlich.»
Hass frisst sich weiter in Andor. Es ist ihm unverständlich, wie sein Bruder die Gefahr so unterschätzen konnte und wie er es wagte ihre Erfolge so geringschätzig, ja gar herablassen zu verunglimpfen.
«Du lässt mir keine andere Wahl wir klären diesen Verrat im Kampf.»
Er würde niemals einem Kampf ausweichen, auch wenn Bedran eindringlich auf ihn einredet. «Bitte Andor, mach das nicht, flieh. Geh und such Flaith, verbring ein ruhiges Leben mit ihr. Du willst nicht leben mit dem Blut deines Bruders an den Händen.»
«Und wie ich das will. Diese Herausforderung ist das letzte, was er tut. Sein letzter Fehler. Flaith kann ich danach holen, sie wird die Frau des neuen Stammoberhauptes.»
«Andor, du kannst nicht klar denken, du bist zu wütend...was wenn du es nicht schaffst?», wagt es Bedran seine Sorgen auszusprechen.
«Ich? Es nicht schaffen...hast du mich je verlieren sehen Bruder?»
«Es braucht auch nur einmal...»
Die beiden Brüder schenken sich nichts. Kochend vor Wut schlägt Andor auf seinen Gegner ein. Kein Erbarmen, kein Mitgefühl, sie könnten Fremde sein. Wobei dieser Hass, der in ihm glüht nur einem Menschen gelten kann, der ihm einst nah stand. Blind von eben dieser Wut, übersieht er den entscheidenden Schlag seines Bruders.
※※※
«...es war das erste und letzte Mal in diesem Leben, dass er einen Kampf verlor. Weil er so tapfer und stark gekämpft hatte und von seinen Männern so viel Rückhalt erfuhr, bekam er einen eigenen Grabhügel. Sein Bruder kam ihn regelmässig besuchen. Er lebte schwer mit dem Tod seines Bruders. Ihr fragt euch sicher, was mit Flaith war oder?», frage ich nun meine Zuhörer. All die Augenpaare sind wie gebannt auf mich gerichtet.
«Ich seh schon, doch ich weiss nicht, ich glaube es wird euch nicht gefallen...» Unruhe geht durch die Tiere.
«Nein, nein, sie konnte fliehen, das schon, doch als sie vom Tod von Andor erfuhr, verzweifelte sie. Sie wählte keinen anderen Mann, sie blieb allein und so starb sie dann auch, einsam. Keiner war da, um sie neben Andor zu betten.»
Ich bin mir sicher, könnten die kleinen Wesen vor mir weinen, würden sie es tun. Denn es ist zum Weinen. Auch meine Augen glitzern traurig. Die Verletzungen sitzen tief und schmerzen mich genauso.
«Wut zerstört einen. Merkt euch das. Ihre Kraft ist verlockend, doch sie kann einen Blind machen und von innen zerfressen. Er hätte auf Bedran hören sollen. Doch zu dem Zeitpunkt war er bereits so in seinem Stolz verletzt, so von seiner Wut durchdrungen, dass er meinte, nicht ohne Vergeltung leben zu können.»
Lange starre ich noch in das prasselnde Feuer, während draussen die Dunkelheit die Temperaturen sinken lässt. Das Prasseln auf dem Dach hat nachgelassen. Eine leise Hoffnung regt sich in mir, dass Morgen vielleicht kein Regen fällt. Mit diesem Funken Hoffnung schlafe ich ein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top