14 - Teil 1 - Schmerz

Ich sehe dich.
Ich sehe deinen Schmerz.
Verbunden durch die ewige Kreation
So ist es auch mein Schmerz, mein Schmerz in dir.
Bin ich bereit ihn zu sehen?
Bin ich bereit ihn zu fühlen?
Oder...will ich wegsehen?

※※※

Wie lange dauert die Ewigkeit?, hallt die Frage in meinem Schädel wider. Taub, ich fühle mich taub an...hat das irgendwann ein Ende?

Ein markerschütternder Schrei durchdringt die Hütte und sofort bin ich wach, augenblicklich tragen mich meine gefühllosen Beine. Mein Blick fällt sofort auf Jie, welcher – es ist mir ein Rätsel, wie er es angestellt hat – an der offenen Tür liegt. Sein Körper zuckt wild und seine Laute lassen meine Haare zu Berge stehen. Instinktiv weiss ich es, er leidet Schmerzen und zwar höllische. Tränen lassen meine Sicht verschwimmen, während ich in zwei Schritten bei ihm bin und in die Knie geh.

Indes steigt der schale Geruch von draussen in meine Nase. Doch mein Fokus lässt nichts anderes zu, als meine Sorge um Jie und Lenny, welcher aufgeregt zwitschert. Vorsichtig taste ich mit meinen Händen Jie ab und fühle seinen oberflächlich schnellen Atem. Tief in seiner Brust rast sein Herz. Bilder zucken vor meinen Augen auf, doch sie sind zusammenhangslos.

«Jie...bitte, was ist denn geschehen?», flüstere ich zwischen leisen Schluchzern. Lenny beginnt mit seinem Schnabel heftig gegen die Tür zu hacken und ich fühle beinahe eine gewisse Wut durch ihn zu mir kommen. Dann begreife ich. So gut es geht und so sanft wie möglich ziehe ich Jies schweren Körper weiter in die Hütte hinein und schliesse danach sofort die Tür. Lenny beginnt sich zu entspannen und flattert auf meinen Stuhl, während sein Blick auf Jies Lieblingsplatz, vor dem Kamin weist.

Einen tiefen Atemzug nehmend, die Schultern straffend und den nächsten Schluchzer unterdrückend, packe ich Jie erneut. Vorsichtig, als trüge ich das wertvollste Juwel in meinen Händen, bringe ich Jie vor den Kamin. Und wenn ich ehrlich bin, ist er einer der wertvollsten Juwelen...

Sofort steigen erneut Tränen empor und verschleiern meine Sicht. «Was soll ich nur tun?», frage ich laut in die Hütte, in der Hoffnung irgendwoher eine Antwort zu bekommen.

Augenblicklich hallt die Stimme wieder in meinem Kopf auf...Erinnere dich...

«Jajaja...schon klar, aber was hilft das Jie, er hat Schmerzen verdammt...» Prüfend sehe ich zu Lenny, er hat einfach immer den Durchblick. Auch diesmal hüpft er aufgeregt hin und her, lockt mich zu unseren Vorräten und Kräutern. Mit seinem Schnabel pickt er an einer Wacholderbeere und sieht mich gleich darauf fordernd an.

Hastig blicke ich hin und her. Wacholder, ja das könnte gehen und Beifuss, denke ich hastig und nehme eine kleine Schale aus Stein in die Hand. Damit wende ich mich dem Kamin zu und fische – eher unbeholfen – ein paar Glutstücke heraus. Darauf lege ich die Wacholdernadeln und einige getrocknete Artemisia Blätter. Augenblicke später, es fühlt sich an, als würde sich die Zeit dehnen, stelle ich das rauchende Gefäss in Jies Nähe. Schnell hat sich der angenehme und kräftige Duft der Pflanzen im Raum verteilt.

Mit dem Mörser stosse ich einige der Beeren ein wenig an und setze etwas Wasser auf dem Feuer auf. Sofort, als dieses zu dampfen beginnt, greife ich mit einem Tuch danach und nehme den Kessel zum Holztisch. Als die Kräuter und getrockneten Beeren im Wasser liegen beginnen sie, genauso wie der Rauch, schnell ihr Aroma zu verbreiten.

«Meinst du das reicht?», frage ich Lenny unbeholfen. Dieser antwortet mir mit einem knappen Zwitschern und einem schief gelegten Kopf. «Ich interpretiere das jetzt als ein Ja...gut.»

Vorsichtig tauche ich ein Stück Leinenstoff in den Kräuterauszug und lege diesen anschliessend vorsichtig auf Jies Kopf. Etwas Besseres fällt mir im Augenblick nicht ein. Jie ist seit einiger Zeit still, atmet schwer und ist daher sicherlich nicht in der Lage zu trinken. Ausserdem weiss ich noch nicht mal, ob Bären das trinken dürfen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als seinem Instinkt zu vertrauen, wenn er aufwachen sollte. Wenn er aufwacht! Er wacht auf, er muss einfach...

Bedrückt und mit einem Stein im Magen, wische ich mir den Schweiss von der Stirn. Ich fühle mich elend in vielerlei Hinsicht. Langsam beginne ich eine leise, sehr melancholische Melodie zu summen. Mein Herz ist schwer und so klingt es auch durch. Lenny stimmt mit seinen lieblichen Klängen mit ein und wirkt meiner Schwingung ein wenig entgegen. Währenddessen wird es draussen langsam dunkel und mein Körper wird immer müder und schwerer.

Hin und wieder erhebe ich mich vom Boden neben Jie und fülle die Glut im Steinräuchergefäss neu auf. Dabei schaffe ich es mir meine Finger zu verbrennen, doch ich kann es kaum fühlen und es kümmert mich auch nicht. All mein Fokus liegt bei Jie und seinem stagnierenden, aber immer noch schlechten Zustand. Wie viele Stunden so dahinziehen, kann ich nicht sagen, hin und wieder verdächtige ich mich, kurz weggenickt zu sein, doch das verbiete ich mir.

Als Lenny plötzlich aufgeregt zu flattern beginnt, überkommt mich ein schrecklicher Schauer. Hastig kontrolliere ich Jie, sein Zustand ist unverändert. Doch dann fühle ich es, unangenehm, beinah düster legt sich ein Schatten über die Hütte und die Gänsehaut arbeitet sich erbarmungslos über meinen Körper.

«Was ist das Lenny?», flüstere ich leise und kenne mich dabei kaum noch selbst. Todesangst steckt in meinen Knochen und ich zittere noch stärker am ganzen Körper. Die Tränen kann ich kaum noch fühlen, obwohl sie unkontrollierbar aus meinen Augen kullern und auf den Boden oder mein Hemd tropfen.

Panisch fixiere ich das kleine Fenster neben der Tür und ich würde schwören, dass sich dort etwas bewegt. Mein Herz pocht indes so laut, dass ich kaum noch etwas anderes hören kann. Lenny flattert zu Jie und auch ich stelle mich, salzsäulenartig – aber dennoch schützend – vor ihn.

Das Feuer flackert und langsam versiegt die letzte Lichtquelle im Raum, während all meine Aufmerksamkeit auf die Tür gerichtet ist. Als sich diese dann ohne weitere Vorzeichen öffnet bleibt mein Herz kurz stehen und ich halte meinen Atem an, um nicht sofort loszuschreien. Irgendwo ganz tief in mir fühle ich, wie ein winziger Aspekt den Kopf schüttelt und nicht versteht, was mit mir los ist. Ganz ehrlich...ich weiss es auch nicht!, brülle ich diesen Teil in mir an und kann die verweinte, trotzige Stimme förmlich hören.

Dann steht sie da. Schockiert blicke ich sie an und meine Pupillen weiten sich vor Schmerz, bis die Dunkelheit mich empfängt...

※※※

Die Zeiten sind nicht einfach, einst waren sie besser. Da gab es vieles, woran Fea sich selbst kaum noch erinnern kann. In den letzten Jahren jedoch wurde es um ein Vielfaches schlimmer. Schlechte ernten, verbunden mit heftigen Wintern, kalten, nassen Sommern und Kriegen, die auf den Rücken der Menschen ausgetragen wurden, die am wenigsten von dessen Verlauf hatten. Immer weniger Heilkundige waren für die schwer schuftende Bevölkerung da und das Wissen konzentrierte sich immer mehr in den Klöstern oder beim Adel.

Fea fühlt den kalten Stein im Magen, als sie all die Erinnerungen an sich vorbeiziehen lässt, während sie ihre Kräuter bearbeitet. Die Tage sind bereits merkbar kürzer und schnell wird es kühler. Auch dieser Sommer lies wenig Hoffnung für eine bessere Zeit aufkeimen. Viele Pflanzen stehen gerade noch in den Kinderschuhen, wo sie doch eigentlich bald geerntet werden sollten.

«Zum Glück sind die Wildpflanzen besser an die Launenhaftigkeit der Natur angepasst...», murmelt Fea frustriert vor sich hin. Froh um das Wissen ihrer Ahninnen, hat Fea sich und ihren Sohn durch die letzten Jahre gebracht. Als ihr Mann vor drei Jahren zu einem der unzähligen Kriege gerufen wurde, ahnte sie bereits, dass sie ihn nicht nochmals sehen würde. Auch wenn er ihr versichert hatte, dass er sie und Dietwin niemals im Stich lassen würde, konnte Fea den Tod an seiner Seite bereits erkennen. Und obwohl sie das sichere Gefühl hatte, dass er bereits kurze Zeit darauf nicht mehr unter den Lebenden weilte, hatte sie bis heute noch keine Meldung oder etwas ähnliches erhalten. Wozu auch die Frau eines einfachen Handwerkers informieren...sie könnte ja Forderungen haben...pah..., spricht Fea bitter in Gedanken weiter.

«Mama, können wir heute etwas warmes Essen?», dringt die sanfte Stimme ihres Sohnes durch ihren Gedankenstrom. Sofort dreht sie sich zu ihm und blickt in seine dunklen, warmen und lieben Augen. Augenblicklich wird ihr warm ums Herz und die düsteren Wolken verschwinden. Von Liebe geflutet, schenkt sie ihm ein warmes Lächeln und streckt ihm ihre Arme entgegen. Keinen Wimpernschlag später schlingen sich die feinen Arme um ihren Hals und sein Körper drückt sich an ihre Brust. Ihre Arme um den kleinen Jungen legend, fällt sie automatisch in ein leichtes Wippen und schliesst ihre Augen. Sie liebt es, wenn er sich so an sie kuschelt und er wiederum liebt es so in den Armen seiner Mutter Ruhe und Frieden zu finden. Vergessen ist die Bitte nach dem warmen Abendessen.

Fea vergräbt ihr Gesicht in seinem schwarzen Haar, welches sie an das seines Vaters erinnert. Doch die Locken hat er von ihr. Und er riecht so gut..., schwärmt sie für sich verliebt und saugt den Duft ihres kleinen Engels in sich auf.

Einige weitere schwere Jahre ziehen ins Land und Fea sieht dabei zu, wie ihr kleiner Engel zu einem Jungen wird, in die Höhe schiesst und die kindlich gepolsterten Wangen verliert. Ihrer Meinung nach geht es viel zu schnell, erst recht der Verlust seines Kinderspecks, welcher durch das Fehlen von genügend Nahrung zusätzlich beschleunigt wird. Vor einiger Zeit haben sie sich weiter aufs Land verzogen. Dies wurde ihnen von einem Gönner Feas ermöglicht, der sich damit das alleinige Recht an ihrer speziellen Aufmerksamkeit erkaufte. Doch ihr sollte es Recht sein. Es war immer ein eher ungeliebter Nebenverdienst und der Mann von adeliger Abstammung war ihr immer einer der Liebsten.

Nun, wo sie in einem kleinen losen Dorf mit direktem Wasser- und Waldzugang leben, blüht in Dietwin neues Leben auf. Auch ihr Gönner, ein kinderloser Mann und ein paar wenige Jahre älter als Fea selbst, verbringt sogar ein wenig Zeit mit ihm. Auch heute streifen die beiden durch die Wälder, während Fea ihrem Haupteinkommenszweig nach geht. Emsig bindet sie kleine Kräuterbündel zusammen, um sie später in der warmen und trockenen Stube aufzuhängen und zu trocknen. Das Angenehme daran ist, dass sie zeitgleich einen reinigenden und heilsamen Duft verströmen.

Viele der Kräuter baut sie nun selbst an und einige kann sie in der neuen Umgebung sammeln. Es bereitet ihr Freude und nach den vielen Jahren in der Stadt, mit all den Gefahren, Männern, Krankheiten und dem Mangel an Arbeit, blüht auch sie zu neuem Leben auf. Aus einem Impuls heraus bereitet sie eine deftige Suppe vor und davon ein wenig mehr, so dass der edle Herr auch mitessen kann, sofern er denn Wunsch verspüren sollte.

Es ist bereits am Dämmern, als Dietwin und besagter Herr ihre Köpfe zur Tür hineinstecken.

«Mama, kann Herr von Babenberg mit uns essen?», spricht Dietwin sofort drauf los. Ein leises Schmunzeln huscht über Feas Gesicht, bevor sie antwortet: «Mit dergleichen hatte ich bereits gerechnet, es ist genug Suppe da.» Anschliessend richtet sie ihren Blick auf den, zu ihrer Überraschung nun ebenfalls strahlenden Herrn. «Sofern Euch die einfache Suppe denn zusagt?»

«Bestimmt wird sie köstlich sein, Fea. Mein Koch arbeitet schliesslich auch nicht mit anderen Zutaten, aber bestimmt mit weniger Herz.» Ein Hauch von Rot steigt in Feas Gesicht und wird von ihrem Gast fröhlich registriert, während Dietwin bereits seine Stiefel auszieht und seine Jacke zur Seite legt. In Höchstgeschwindigkeit nimmt er auf seinem Stuhl an dem kleinen Tisch Platz und sieht erwartungsvoll zu den beiden Erwachsenen. Ein wenig unbeholfen und beinah unsicher folgt Herr von Babenberg dem Jungen und ist gerade dabei seine Schuhe zu öffnen, als Fea es mit Schrecken registriert.

«Das ist doch nicht notwendig mein Herr. Nehmen Sie einfach Platz.»

«Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne Wins Beispiel folgen. Es ist nicht notwendig mich anders zu behandeln.»

«Aber...»

«Schon in Ordnung», lächelt er sie an und verströmt dabei eine Wärme, die Fea ein wenig entspannen lässt. Mit den Schultern zuckend nimmt sie seinen Willen hin und widmet sich der Suppe.

Die Stimmung beim Essen ist ausgelassen und gemütlich, während vor allem Dietwin ihre Abenteuer blumig ausgeschmückt erzählt. Hin und wieder tauschen Herr von Babenberg und Fea einen Blick aus, in welchem sie erkennt, dass die reisserischen Anteile nicht ganz so ausschweifend und gefährlich waren, wie dargestellt.

Später am Abend, Dietwin ist in seinem kleinen Zimmer bereits in die nächsten Abenteuer gereist, sitzt der Herr noch immer mit Fea am Tisch.

«Du weisst, dass ich nie zulassen würde, dass ihm etwas geschieht oder?»

«Das freut und erleichtert mich. Manchmal habe ich Angst, dass er sich irgendetwas tut, wenn er so in seiner Fantasiewelt unterwegs ist.»

«Ich finde es bemerkenswert und sehr erfrischend. Es bereichert mein Leben, wenn ich ehrlich sein darf.» Fea sieht ihn fragend an. «Mein Leben ist ein wenig eintönig und beschränkt sich auf die Gutsverwaltung und derlei Verpflichtungen. Meine Gattin spricht nicht mit mir und bleibt in ihren Gemächern, meistens sogar im Bett und da uns keine Kinder vergönnt sind, ist es ganz schön farblos gewesen in meinem Leben.»

«Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ihr seid so gesegnet. Habt ein stabiles grosses zu Hause, Bedienstete, Ihr gehört zu einer der angesehensten Familien hier im Land und müsst nicht um Euere nächste Mahlzeit bangen.» Als sie ihren Satz beendet, sieht sie gerade noch, wie ein Schatten über das ansonsten so angenehme Gesicht huscht.

«Diese Annehmlichkeiten fordern auch etwas von dir. Fea, etwas, was ich solange hergegeben hatte, dass ich es erst bei dir wiederfand und erkannte was mir immer gefehlt hatte.» Erstaunt blickt sie ihn an.

«Was können wir denn haben, was Ihr nicht habt?»

«Wenn du mich so fragst und ich es auf einen Ausdruck hinunterbrechen muss, dann würde ich sagen, dass ihr Herz habt oder Wärme.» Bewegt von seinen ehrlichen Worten und der Traurigkeit, die sie darin fühlt, legt sie ihre Hand auf die seine. Ein zartes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht und kurz darauf hebt er seinen Blick. «Ich bin dir so unendlich dankbar und ich schäme mich beinahe, dass ich euch nur das hier bieten kann.»

«Das hier, mein Herr, ist mehr, als Dietwin und ich uns je erhofft hatten. Nicht mal, als mein Mann noch bei uns war, hätte ich mir sowas je erträumen können. Also bitte wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet.» Nun greift auch er ihre Hand und führt sie, ohne den Blickkontakt abzubrechen, langsam an seinen Mund. Sie kann seinen leichten Atem kitzelnd fühlen, als er einen Kuss auf ihren Handrücken haucht.

Etwas aufgeladen von den ganzen Gefühlen im Raum, macht Fea Anstalten aufzustehen und dem Wohlgeborenen Herrn ihre Dankbarkeit zu zeigen.

«Nein...Fea», raunt dieser mit einer leicht belegten Stimme, «nicht heute, nicht so...»

«Aber...», stammelt Fea verunsichert und zum zweiten Mal an diesem Tag.

«Ich möchte nicht, dass du dich verpflichtet fühlst. Ihr beide gebt mir schon so viel.» Ohne es wirklich verstehen zu können, akzeptiert sie seinen Willen. Als er sich wenig später erhebt um zu gehen, begleitet sie ihn zur Tür. Nachdem er seine Stiefel wieder übergestreift hat, dreht er sich nochmals zu ihr um.

«Darf ich?», fragt er dann und deutet eine Umarmung an. Fea überwindet den Abstand und schliesst ihre Arme um ihn. Die Wärme empfängt sie und das wohlige Gefühl lässt sie nur noch näher rücken. Ein wenig überrascht, aber tief bewegt, umschliesst auch er die ihm so vertraute Frau und haucht ihr einen emotionsschwangeren Kuss auf das wundervolle braunrote Haar.

«Schlaf gut, Fea.»

«Ihr ebenso, mein Herr.»

Immer wenn der edle Herr Zeit erübrigen kann, was zu Feas erstaunen doch ziemlich regelmässig ist, verbringt er diese mit Dietwin. Es hat sich dabei eingebürgert, dass er anschliessend auch für das Abendessen zu Besuch bleibt. Nur selten erbittet er dabei um mehr Dienste, so dass sich Fea wundert und nicht selten beinah abgelehnt zu fühlt.

Als sie an diesem Abend wieder im Feuerschein in der Stube sitzen und reden, nimmt Fea all ihren Mut zusammen, um eine Frage zu stellen, die ihr schon seit längerem querliegt.

«Darf ich Euch etwas persönliches Fragen?»

«Du darfst mich alles Fragen, Fea.»

«Wieso lehnt Ihr so häufig weitere Zuwendungen meinerseits ab, gefällt es Euch nicht?» Fea fühlt, ihr Herz bis zu den Ohren pochen und befürchtet schon beinahe, dass er es auch hören kann, so sehr dröhnt es in der Stille.

«Es...so ist das nicht. Ich schätze diese Momente sehr, du machst dir keine Vorstellung», erwidert er und schluckt dabei schwer. Kurz zieht er die Luft ein und versucht die nächsten Worte zusammen zu bekommen. «Ich möchte nicht, dass es nur darum geht und du dich dazu genötigt fühlst. Ich...», erneut unterbricht er sich und fährt sich diesmal durchs dunkelblonde Haar. Das Feuer lässt es dabei beinah golden aufleuchten. «Ich wünsche mir, dass es dir auch gefällt», fährt er dann schnell fort und sieht dabei auf seine Hände.

Erstaunt über diese Offenbarung versucht Fea ihre Gefühle zu ordnen. Hatte ich je Freude daran? Wie war es mit Wins Vater? Ja, ich denke es war in Ordnung mit ihm...doch sonst? Als sie ihre Sprache wiederfindet erwidert sie:

«Ich weiss nicht, ob ich es direkt als etwas angesehen habe, was mir Spass machen könnte. Aber wenn ich es mir richtig überlege, bereitet es mir mit Euch Vergnügen und manchmal fehlt es mir, wenn Ihr mich abweist.» Als sie nichts mehr weiter sagt, hebt er langsam den Blick von seinen Händen, kurz schimmert dieser rötliche Stich in seinen sonst hellbraunen Augen auf. Vorsichtig greift er nach ihren Händen und sieht sie nun direkt an. Ohne ein Wort zu sagen rutscht sie näher an ihn heran. Vorsichtig und gefühlvoll fasst er sie an der Taille und mit der anderen streicht er zärtlich ihr Haar zur Seite.

Dabei berührt er sanft ihre Wange und hinterlässt eine angenehme Spur aus Empfindungen dabei. Einen Augenblick später beugt er sich zu ihr und zögert, nur damit er Sekunden später von ihr überrascht wird, indem sie die kleine Distanz überwindet. Ihre Lippen empfangen ihn liebevoll und weich. Hunderte Gedanken drehen, in welchen er sich fragt, wie es möglich ist, einen solchen Liebreiz und eine Weiblichkeit zugleich auszustrahlen.

Ihre Hände beginnen ihn sachte von seiner Kleidung zu befreien, während in ihm, eine heisse Welle der Lust aufflammt. Jetzt wo er weiss, dass sie sich bei ihm wohl fühlt, gestattet er sich diese deutlicher zu zeigen. Was ihm wiederum gleich eine entzückende Reaktion ihrerseits beschert, in dem sie ein süsses Japsen von sich gibt. Sie von ihren Röcken befreiend, wird seine Hingabe immer deutlicher und als er sie vom Hals abwärts beginnt mit Küssen zu bedecken, geht er vor ihr in die Knie.

«Ich bin so dankbar, dich kennen zu dürfen, mein Licht in der Dunkelheit...», raunt er schliesslich an ihr Ohr, als er sich in sie schiebt. Es würde schnell gehen, so häufig hatte er sich zurückgehalten. Immer zügiger bewegt er sich, während sie sich ihm entgegenschiebt und langsam die Kontrolle über ihre Gesichtszüge verliert. Dabei entlockt er ihr immer freimütigere Klänge, die ihn zu mehr antreiben und ihn in eine Ekstase katapultieren, wie er sie noch nicht erlebt hatte. Sich ergiessend, fühlt er ihren stärker werdenden Druck um sein Glied, sie zieht ihn förmlich zu sich und obwohl er schon vermeintlich alles aus sich herausgeholt hatte, überrollt ihn eine weitere Welle. Kräftig stösst er sich nochmals vor und fühlt die Energie zirkulieren, bevor sie unter ihm wegbricht und er sich genauso erschöpft auf ihre Brust legt.

Dort lauscht er dem Rauschen ihres Herzens und ihres Atems. Zufrieden saugt er ihren Duft in sich auf. Als sie wieder zu Atem kommt, flüstert sie: «Das war berauschend, so habe ich noch nie gefühlt.»

Bei diesen Worten fühlt er Freude und Zufriedenheit in sich aufkeimen. Dankbar und liebevoll beginnt er ihre Brust zu liebkosen und registriert dabei ein Zucken in seinen Lenden. Erstaunt schnappt er nach Luft, als sie ihn, instinktiv fühlend, dass da noch mehr ist, ebenfalls zu berühren beginnt. Frei von Hemmung widmet sie sich seinem Besten Stück und er erbebt in ihren Armen. Bereit und willig streckt er sich ihr für eine weitere Runde entgegen.

«Bist du sicher?», raunt er an ihr Ohr.

«Ja, bin ich...», flüstert sie zart und biegt sich ihm entgegen. Nie zuvor hatte er sich so dem lustvollen Akt hingegeben, doch er wusste in dieser Nacht, während er sich drängend immer wieder in sie stösst, dass er nicht mehr ohne wollen würde. Als sie sich auf ihn setzt und die Führung übernimmt, fahren seine Hände über ihren Körper und er versucht den Anblick für immer zu speichern. Wieder fühlt er, wie sie langsam enger wird um ihn, die Energie ihn förmlich aufsaugt und noch so bereitwillig, gibt er sich hin, lässt los, erschauert unter ihrer Führung.

Den salzigen Schweiss schmeckend, ihren Nacken liebkosend und schliesslich zieht er sie zu sich, öffnet mit seinen Lippen die ihren und küsst sie, wie er noch nie jemanden geküsst hatte.

Seit jenem Abend bleibt er häufiger bis tief in die Nacht. Keiner scheint zu Fragen und dennoch scheint jeder zu Wissen. Eines Morgens, nach einer solch tief befriedigenden Nacht, steht Dietwin in der Tür und blickt auf seine Mutter. Er ist bereits 14 Jahre alt und Herr von Babenberg bezahlt ihm eine ordentliche Ausbildung beim örtlichen Tischler.

«Mama, warum verschwindet der edle Herr immer? Wieso bleibt er nicht einfach bei uns?», kommt die nun dennoch sehr kindliche Frage von ihm.

«Weil er eine Ehefrau hat und Verpflichtungen, er kann uns nicht mehr Platz in seinem Leben geben, mein Liebling.»

«Aber wieso? Er könnte doch mein Papa sein. Er wäre glücklich mit uns.»

«Ich weiss, aber so einfach ist es nicht mein Schatz.»

«Es sollte aber so einfach sein. Ich wünsche mir so sehr einen Papa, wie ihn.»

«Ich weiss mein Schatz und er wünscht sich einen Sohn wie dich. Das muss uns leider genügen. Mehr geht nicht. So ist die Welt.»

«Dann ist die Welt falsch...», erwidert Dietwin nun beinah trotzig und dennoch mit einer Überzeugungskraft.

«Da magst du Recht haben mein Schatz.»

Abgesehen davon, dass Fea Wins Schmerz fühlt und damit hadert, blüht sie auf. Ihre Kräuter wachsen wie nie zuvor und auch der Sommer ist wärmer, als die vielen Jahre davor.

Dennoch streuen sich Gerüchte – von Kaufleuten berichtet – über eine Seuche, die sich im Osten ausbreitet und immer näher kommt. Wenig damit anzufangen wissend, scheucht Fea die dunklen Wolken beiseite und hegt weiter liebevoll ihre Pflanzen, während diese ihr immer mehr Einkommen generieren. Es hatte sich im Ort und in den Nachbarschaften herumgesprochen, dass mit diesen so allerlei Leiden gelindert werden konnten.

Als der Winter hereinbricht, sitzen die drei bei einem gemeinsamen Abendmahl. Dietwin erzählt begeistert von seinen Handwerksstücken, bis er realisiert, dass Herr von Babenberg nur mit halbem Ohr hinhört.

«Ist alles in Ordnung mein Herr?», fragt er schliesslich. Bei den Grübeleien erwischt, taucht der Angesprochene aus eben diesen wieder auf. Fea legt eine Hand auf die seine, was ihm ein wenig Wärme schenkt.

«Ihr müsst mir etwas versprechen.»

«Was denn?», fragen Fea und Win, wie aus einem Munde. Das wiederum führt zu einem leisen Lächeln auf dem Gesicht des edlen Herrn.

«Wenn ihr jemanden seht, der krank ist, wenn er so dunkle Beulen hat. Dann geht weg von ihm. Kommt diesen Menschen, bitte nicht zu nahe, sie sind gefährlich.»

«Was willst du damit sagen?»

«Ihr habt doch sicher die Gerüchte aus dem Osten gehört oder? Über diese Krankheit. Vor ein paar Tagen gab es die ersten Meldungen von Toten in Wien.»

«Aber das ist nicht im Osten, das ist nah, es ist sehr nah...», stammelt Fea, wie vom Donner getroffen.

«Ich weiss. Deshalb, bitte ich euch inständig, kommt diesen Menschen nicht zu nah. Haltet die Hütte sauber und lasst niemanden herein, wirklich niemanden. Auch mich nicht, sollte ich krank werden.» Sämtliche Farbe entweicht Feas Gesicht.

«Ich kann dich doch nicht einfach draussen sterben lassen.»

«Das musst du. Fea, du musst es mir versprechen. Kein Kontakt mit kranken Menschen.»

«Aber es sind doch eben die Kranken, die bei mir die Kräuter kaufen.»

«Dann sprich mit ihnen durch die Tür und stell die Kräuter draussen hin, so dass sie sie holen können. Fea ich meine es ernst, die Ärzte wissen nicht, was zu tun ist.»

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