Ohne Erinnerung
Hey Leute,
nun das erste richtige Kapitel für euch, in dem ihr etwas mehr über Giulia erfahren werdet, na ja zu mindestens so viel, wie sie selber weiß und dass, was Demir ihr erzählen wird.
Viel Spaß beim Lesen!
Eure Lila Leonie
------------------------------------------------
Giulias POV
Langsam komme ich zu mir und spüre als erstes, dass ich in einem bequemen Bett liege. Meine Gliedmaßen fühlen sich schwach und träge an, fast so, als wenn ich sie schon ewig nicht mehr benutzt hätte. Um ehrlich zu sein, kann ich mich auch nicht daran erinnern, wann das letzte Mal gewesen sein sollte. Je mehr ich nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich mich im Prinzip an rein gar nichts erinnern kann.
Durch diese Erkenntnis steigt Panik in mir auf, mein Herzschlag beschleunigt sich und meine Atmung wird unregelmäßig. Ich muss wissen, was hier los ist! Als ich genau in diesem Moment einen Druck an meiner Hand spüre, zucke ich erschrocken zusammen und möchte sofort meine Augen aufreißen, doch meine Lider fühlen sich so schwach an, dass ich sie erst nach einigen Versuchen mühevoll öffnen kann.
Die Tatsache, dass ich endlich etwas von meinem Umfeld wahrnehmen kann, wirkt augenblicklich beruhigend auf mich. Trotzdem benötige ich einen Moment, um mich an die Helligkeit zu gewöhnen und ein klares und scharfes Bild zu empfangen. Danach schaue ich mich aufmerksam um, in der Hoffnung mich dadurch orientieren zu können. Allerdings erscheint mir nichts in diesem Zimmer auch nur annähernd vertraut.
Die Wände sind schlicht in Schwarz und Weiß gestrichen und die komplette Einrichtung ist in denselben Farben gehalten. Dazu gesellen sich die Vorhänge, die dem Raum durch ihren kräftigten aber gleichzeitig angenehm beruhigenden Blauton einen wohnlichen Eindruck verleihen. Dasselbe Blau findet sich in einigen anderen Accessoires wieder. Das Gesamtbild wirkt modern und einladend.
Erst nach dieser eingehenden Betrachtung wird mir wieder bewusst, dass ich mich nicht alleine in diesem Zimmer befinde. Schließlich kann ich immer noch deutlich den Druck an meiner Hand fühlen. Langsam drehe ich mein Kopf zu dem Verursacher und begegne sofort einem intensiven Blick aus einem dunkelbraunen, fast schwarzen Augenpaar. Doch auch das markante Gesicht und die dunkle Haarpracht, die zu der Person gehören, die neben dem Bett sitzt, helfen mir gedanklich nicht auf die Sprünge.
Allerdings gehe ich durch die Art und Weise, wie der mir unbekannte Mann meine Hand hält, davon aus, dass er mich kennt und ich ihm offensichtlich wichtig bin. Deswegen kann er mir hoffentlich auch einige äußerst wichtige Fragen beantworten. Ok, aber wo fange ich bloß an. Vielleicht am besten erst mal mit den grundlegendsten Dingen.
„Wo bin ich? Und wer bist du?" Meine Stimme hört sich kratzig und rau an und durch diese zwei einfachen Sätze wird mein Hals so trocken, dass mich ein heftiger Hustenreiz überfällt. Im nächsten Moment fange ich an, zu keuchen und zu husten. Der gutaussehende Mann reagiert schnell und richtet mich vorsichtig etwas im Bett auf. Anschließend holt er mir ein Glas Wasser und hilft mir beim Trinken.
Dadurch kann ich mich langsam wieder von der Attacke erholen. Er stützt mich immer noch mit einem Arm, während er mich fürsorglich mustert.
„Geht es wieder?", will er schließlich wissen. Seine Stimme klingt komplett anders, als ich es vermutet hätte. Natürlich hört man seine Sorge heraus, trotzdem passt der tiefe und irgendwie dunkle Ton nicht zu seinem aufmerksamen Verhalten. Irritiert kann ich nur leicht mit dem Kopf nicken, bevor ich mich etwas zurücklehne und ihn erwartungsvoll anschaue.
„Ok, dann kann ich dir jetzt deine Fragen beantworten. Also, du bist zuhause, um genau zu sein in deinem Bett." Ein weiteres Mal lasse ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen, doch nichts erscheint mir bekannt oder vertraut. Außerdem fällt mir auf, dass nirgendwo etwas herumliegt, was dort nicht hingehört. Wie kann ein Raum, der bewohnt wird, nun so blitzblank poliert sein? Auf mich macht es eher den Eindruck wie ein Musterzimmer in einem Einrichtungsgeschäft.
„Und ich bin Demir, Demir Jackson", höre ich nun seine tiefe Stimme und richte deswegen meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn. In seinen Augen erkenne ich einen erwartungsvollen Blick. Wenn er darauf hofft, dass die Erwähnung seines Namens meiner Erinnerung auf die Sprünge hilft, muss ich ihn leiden enttäuschen. Denn mir erscheint es fast so, als hätte ich diesen Namen noch nie in meinem Leben erhört.
Erst in diesem Moment fällt mir auf, dass ich mich nicht mal an meinen eigenen Namen erinnern kann. Was ist nur passiert? Warum fühlt sich mein Gehirn so vernebelt an? Um vielleicht wenigstens ein Stück meiner Identität zurück zu erhalten und um die aufkeimende Panik zu verdrängen, stelle ich die Frage, die mir gerade am meisten auf der Zunge brennt.
„Und wer bin ich?" Im Prinzip beinhaltet diese Frage so viel mehr, als nur in Erfahrung zu bringen, wie ich heiße. Schließlich sagt ein Name rein gar nichts über eine Person aus, über ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, ihre Familie, ihre Freunde, ihren Charakter, ihre Vorlieben, ihre Vergangenheit oder ihre Wünsche für die Zukunft. Und all diese Dinge sind mir verloren gegangen.
Was kann ich machen, um mich selber wieder zu finden? Oder soll ich einfach bei null anfangen? Aber ist das überhaupt möglich? Je verzweifelter ich in meinem Kopf nach Antworten suche, desto leerer fühlt sich mein Gehirn an. Außerdem bemerke ich einen pochenden Schmerz, der sich allmählich ausbreitet. Deswegen schiebe ich alle anderen wirren Gedanken erst mal beiseite und konzentriere mich nur auf seine Antwort.
„Giulia Jackson." Selbst so etwas Persönliches wie mein Name bringt keine Erinnerungen zurück. Obwohl ich mich mit dem Vornamen auf jeden Fall anfreunden könnte. Giulia! Giulia! Das klingt gut und auch irgendwie vertraut. Aber der Nachname passt überhaupt nicht dazu. Jackson? Warte mal! Jackson! Wie hieß der Typ neben mir gleich noch mal. Demir Jackson. Oh Mist! In was für einer Beziehung stehe ich zu ihm? Doch da unterbricht er meinen Gedankengang.
„Kannst du dich wirklich an gar nichts mehr erinnern?" Es scheint fast so, als wenn er jetzt noch besorgter wäre, als vorhin bei meiner Hustenattacke. Nachdem ich seine Frage durch ein Nicken bestätige, erklärt er mir.
„Dein Arzt Dr. Hill hatte mich bereits vorgewarnt, aber dass dein Gedächtnisverlust so gravierend sein wird, haben weder er noch ich vermutet. Ich werde ihm schnell Bescheid geben, dass du bei Bewusstsein bist, damit er dich untersuchen kann." Bei seinen Worten springt er sogleich auf, doch ich greife nach seiner Hand.
„Warte kurz!", fordere ich ihn auf und sorge so dafür, dass er sich wieder komplett zu mir wendet.
„Bist du mein Bruder oder sind wir irgendwie verwandt?" Ich hoffe wirklich, dass er diese Frage bejaht, denn das wäre mir viel lieber, als die andere logische Erklärung, die mir sonst in den Sinn kommen würde. Allerdings hat sich offensichtlich das komplette Universum gegen mich verschworen, denn genau in diesem Moment schüttelt er den Kopf.
„Dann sind wir ...", ich unterbreche mich selbst, weil es sich so abwegig anfühlt diese Worte auszusprechen. Aber das muss ich auch gar nicht, da er mich schon verstanden hat. Als Bestätigung hockt er sich wieder auf meine Höhe und greift nach meiner Hand, so dass ich jetzt auf unsere Hände starre, an denen identische Ringe zu erkennen sind, nur das der goldene Ring an meinem Finger noch mit einem großen auffälligen Diamanten verziert ist.
Oh Mist! Jetzt bin ich zu allem Überfluss mit einem Typen verheiratet, an den ich mich nicht erinnern kann. Als ich meinen Blick wieder auf ihn richte, begegne ich sofort seinen braunen Augen, die mich mustern.
„Es ist ok, wenn du dich nicht an mich erinnerst. Ich werde dich nicht unter Druck setzen. Wir werden das zusammen meistern. Und selbst wenn deine Erinnerungen nicht wieder zurückkehren, kannst du mich ja einfach neu kennen lernen.", versucht er mich zu beruhigen, aber seine Worte sind gerade zu viel für mich. Immerhin habe ich bereits genug Probleme mit mir selber zurecht zu kommen und mich wieder zu finden, da habe ich echt keine Nerven, um jemand Fremdes an meiner Seite zu haben.
Natürlich sieht er gut aus, aber trotzdem wirkt er auf eine merkwürdige Art und Weise geheimnisvoll. Vielleicht liegt das auch nur daran, dass ich nichts über ihn weiß, ich kenne nicht unsere gemeinsame Vergangenheit oder irgendetwas über seinen Charakter, seine Hobbys, seinen Beruf oder sonstiges. Außerdem kann ich mich auch nicht mit unserem gemeinsamen Nachnamen anfreunden. Kann es eventuell sein, dass wir erst vor kurzem geheiratet haben und er mir deswegen so fremd erscheint?
„Wir sind noch nicht so lange verheiratet?" Obwohl es eine Frage sein soll, klingt es mehr nach einer Aussage. Sofort funkeln seine Augen ein wenig.
„Du kannst dich wieder erinnern?", seine Hoffnung ist deutlich aus dem Klang seiner Stimme heraus zu hören und ich möchte ihn eigentlich nicht enttäuschen, deswegen formuliere ich meine Antwort recht vage.
„Das war mehr ein Gefühl als eine Erinnerung. Wie hieß ich denn vor unserer Hochzeit?", will ich wissen. Aber ganz offensichtlich gefällt ihm diese Frage überhaupt nicht. Seine Mimik ändert sich und wird für einen Moment undurchschaubar. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass er mir schließlich doch antwortet.
„Edwards", sagt er knapp. Ok, Giulia Edwards. Ja, das klingt eindeutig viel besser. Damit kann ich durchaus leben. Um Demir nicht zu verletzen und auch weil ich aus seinem Verhalten gerade eben nicht wirklich schlau werde, sage ich nichts dazu, aber für mich selber beschließe ich, dass ich mich erst mal Giulia Edwards nennen werde, zu mindestens so lange, bis meine Erinnerungen hoffentlich zurück kehren werden.
Der Blick, mit dem mich Demir gerade betrachtet, veranlasst mich dazu schnell ein anderes Thema anzuschlagen.
„Gibt es noch irgendetwas, was ich wissen sollte?", frage ich deswegen und schaffe es dadurch, dass seine Gesichtszüge etwas weicher werden. Dann greift er erneut nach meiner Hand, bevor er spricht.
„Ja, du bist schwanger. Wir bekommen ein Baby." Wahrscheinlich sollte man annehmen, dass mich solch eine Nachricht in meiner jetzigen Situation schocken müsste, allerdings passiert nichts dergleichen. Stattdessen erscheint eine verschwommene Szene in meinem Gedächtnis, die langsam klarer wird. Dann kann ich mich selber erkennen, wie ich auf einer dunkelblauen Coach sitze und ein Ultraschallbild in den Händen halte. Ich betrachte es und lächle dabei.
Ja, ich bin schwanger. Automatisch wandert meine freie Hand auf meinen Bauch. Ich kann mich an mein Baby erinnern. Unwillkürlich legt sich ein zufriedenes Lächeln auf mein Gesicht. Zudem bemerke ich erst, als Demir mir zwei Tränen von der Wange streicht, dass mir vor lauter Glück sogar Freudentränen gekommen sind.
„Du kannst dich daran erinnern?", erkundigt er sich hoffnungsvoll. Ich nicke nur als Antwort, weil ich gerade nicht zu mehr in der Lage bin.
„Das ist gut! Ich werde jetzt deinen Arzt holen!", informiert er mich, bevor er sich aufrichtet und zur Tür streitet. Dieses Mal halte ich ihn nicht auf, denn ich bin froh erst mal ein paar Minuten für mich zu haben, um alle Informationen verarbeiten zu können. Unwillkürlich wandert mein Blick dabei wieder auf meinen Ringfinger. Irgendwie passt dieses auffällige Stück Gold überhaupt nicht an meine zierliche Hand.
Ohne dass ich es beeinflussen könnte, erkenne ich vor meinem inneren Auge ein Bild. Und zwar von einem zierlichen schlichten Goldring, mit einer grazilen Verzierung, der perfekt an meinen Finger passt, viel besser als dieses protzige Schmuckstück, dass ich stattdessen an meiner Hand trage und dass sich einfach total falsch anfühlt. So falsch, dass ich es am liebsten sofort von mir reißen möchte. Doch bevor ich diesem Drang nachgehen kann, öffnet sich die Tür.
--------------------------------------------
Wie gefällt euch der erste Einblick in Giulias Gedanken- und Gefühlswelt? Könnt ihr ihre Überlegungen nachvollziehen?
Und was für eine Meinung habt ihr bisher von Demir?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top