Wahrheit

"Lass sie klingeln." Sein Atem kitzelt meinen Nacken, während er versucht mich vom stehen abzubringen. Seine Arme haben sich um meinen Bauch geschlungen und seine Finger sind an meiner linken Seite ineinander verflechtet. Zart zieht er kleine Kreise an meiner Taille und doch hält er mich so fest.

"Es könnten deine Eltern sein." versuche ich mich gegen ihn zu wehren und bin dabei, meinen Arm unter seinem Nacken rauszubekommen. Wie schon einmal, ruht er in meinen Armen. Ist das normalerweise nicht anders rum?

Die Tür ringt immer noch.

"Adam...." ermahne ich ihn, als er seinen Griff verstärkt. Er atmet einmal tief ein und wieder aus, bevor er seine Arme etwas löst und ich mich befreien kann.

Schnell stehe ich auf und mache meine Haare neu zusammen und öffne die Tür.

"Kathrin.... hey." perplex starre ich die hübsche Blondine an. Der Schock scheint mir im Gesicht zu stehen und nur mit Mühe trete ich auf die Seite und bringe die Worte "Komm doch rein." raus. Dabei würde ich ihr am liebsten die Türe vor der Nase zuhauen.

"Ist Adam hier oder hat er sich in seiner Garage verpflanzt?" ihr strahlendes Lächeln entblößt sich und auf meiner Haut breitet sich eine Gänsehaut aus. Verdammt, die Zahnspange hat gute Arbeit geleistet.

"Eh ja. Ja, er liegt noch auf der Couch." stottere ich die Worte aus mir und laufe voraus. Sie mir hinterher.

"Und Schmetterling. Waren es jetzt meine Eltern?" er liegt immer noch auf der Couch und hat seine Augen geschlossen, während auf seinen Lippen ein leichtes Lächeln liegt. Wäre Kathrin bloß nicht hier...

"Nein, aber ich bin's" Kathrin fängt an zu lachen, als Adam sich perplex erhebt und sich über die Augen reibt. Naw, wie ein kleines Kind.

"Oh hey.... Kathrin." mit Acht spricht er ihren Namen aus, als würde er sich nicht sicher sein, ob sie auch wirklich Kathrin heißt, weshalb ich mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen kann. Ob ich mich freue? Ja klar freue ich mich, dass er sich kaum an ihren Namen erinnert. Am besten wäre es, wenn er sich überhaupt nicht an ihren Namen + sie erinnert.

"Was machst du hier?" er steht auf und bleibt vor ihr stehen. Werden sie sich jetzt zur Begrüßung umarmen? Danach zwinge ich ihn zum Duschen.

"Hast du meine Anrufe gar nicht gesehen? Gestern am Morgen habe ich dich mehrmals versucht zu erreichen, doch es ging nur deine Mailbox an." sie hebt ihre Hand und führt sie milimeterweise zu ihm. Gerade als sie ihn berühren möchte dreht Adam sich um und fischt unter dem Kissen sein Handy hervor.

"Hm, gestern Morgen..." sagt er und öffnet sein Handy. Oh mein Gott. Ich habe die Beweise doch zerstört oder?

"Schmetterling, hat mein Handy geklingelt als ich uns Frühstück geholt hatte?" er blickt von seinem Handy hinauf und direkt in meine Augen. Gott, wie ich sie liebe. Ein solches Braun topt selbst ein süßes kleines Katzenbaby.  Wie soll ich die Kätzchen bloß anlügen?

Ich schüttle mit meinem Kopf "Nein, nicht das ich wüsste." Wow, diese Lüge flutschte ja.

"Die Tage davor habe ich aber auch angerufen." wirft Kathrin schnell ein.

Okay, jetzt lügt die aber.

"Wirklich? Ich habe mein Handy die letzten drei Tage nicht klingeln gehört. Hast du was mitbekommen?" immer noch ist sein Blick auf mir fixiert, welchen ich in vollen Zügen genieße.

"Ich habe es auch nicht klingeln hören."

"Sie war doch bestimmt nicht die ganzen drei Tage bei dir." sie lacht etwas, doch verstummt als sie Adams verwirrten Blick sieht.

"Warum denn nicht?" antwortet er und sieht sie nun fragend an.

"Naja... ich meine ja nur... Ihr seid euch ja fremd.." geriet die Blondine ins Stottern.

"Warum sind wir denn fremd?" nun verschränkt er seine Hände vor seiner Brust und schaut auffordernd zu ihr runter.

"Du kennst doch nicht einmal ihren Namen." entgegnet sie und lächelt siegessicher. Ohje, wenn du bloß wüsstest.

"Avelin? Kenne ich deinen Namen?" fängt er an zu scherzen und schaut zu mir. Ich lächle kopfschüttelnd und haue ihn auf seine Brust. Ich mag sie zwar nicht, aber gerade tut sie mir etwas leid. Obwohl, eigentlich ja nicht...

"Schon gut, du kennst ihren Namen." wirft die Blondine jetzt beleidigt ein und lässt sich auf das Sofa plumpsen.

"Avelin, könntest du mir Wasser bringen? Ich habe höllischen Durst." theatralisch legt sie ihre Hand auf die Stirn und schließt umso alberner ihre Augen und doch kann man es ihr abkaufen.

Ich nicke und begebe mich in die Küche. Meine Augen folgen jeder einzelnen seiner Bewegungen, als könnte er sich jeden Moment in Luft auflösen. Unsere Küche ist nicht von dem Wohnzimmer getrennt. Beziehungsweise, ist die "Tür" zur Küche eher wie ein offenes Tor, weshalb sie nicht unbedingt getrennt sind.

So langsam komme ich mir wie eine Psycho-Freundin vor, welche ihren Freund auf Schritt und Tritt verfolgt. Aber eigentlich habe ich doch bloß Angst, dass sie ihn an die Hand nimmt und aus dem Haus spaziert.

"Hey, Schmetterling." ich spüre seine Hand auf meiner Schulter und zucke kurz zusammen, dann drehe ich meinen Körper von der Küchentheke zu ihm. Vorsichtig sehe ich ihm in die Augen. Hat sie ihm vielleicht eine Lüge aufgetischt, um uns auseinander zu bringen?

"Ich habe dich 2 mal gerufen und du hast nicht geantwortet. Ist alles okay?" er analysiert mein Gesicht. Besorgnis liegt in seinen Augen und ich schüttle schnell meinen Kopf, worauf er fragend seine Brauen hebt.

Verdammt, nicke nicke!

"Ja ja, mir geht es gut. Habe bloß etwas in Gedanken geschwelgt." ich setze ein Lächeln auf, welches er erstmal misstrauisch beachtet und den Kopf schüttelt. Vorsichtig legt er seinen Kopf an meiner Schulter ab, seine Arme sind links und rechts von mir an der Küchentheke.

"Ich habe wirklich rein gar nichts gegen Kathrin." er atmet tief ein und aus. Die warme Luft kämpft sich durch den Stoff meines Pullovers und wärmt meine Haut bis zu einer Gänsehaut. "Aber warum muss sie genau jetzt da sein?" er hebt wieder seinen Kopf und seine Arme rücken nun näher an meine Taille. Sein Blick fängt meinen.

Mit einem Schulterzucken, lege ich meine Hand an seine Wange und fahre vorsichtig seine Stoppeln nach. Ich liebe dieses Gefühl, aber Bärte sind trotzdem nicht meins.

"Den solltest du mal wieder abmachen."

Er sieht mich belustigt an. "Als wäre das eine Maske, welche ich einfach mal abnehmen kann."

Ich zucke grinsend mit den Schultern. "Nein, aber es gibt einen magischen Zauberstab, welcher dir das." ich fahre über seinen Bart. "nimmt, wann immer du willst."

Mit seinen großen Händen umschließt er meine und führt sie zu seinen Lippen. Ganz vorsichtig lässt er diese auf meine Hand senken und hält den Kontakt zu meinen Augen.

"Wir sollten vielleicht wieder zu Kathrin." ein Lächeln ziert mein Gesicht, als er mürrisch seinen Kopf nochmals auf meine Schulter fallen lässt.

'Er hat keine Lust! Er hat keine Lust!' singt meine kleine Raupe und ich könnte am liebsten drauf los tanzen.

"Na gut, dann bringe ich ihr eben mal ihr Wasser." er nimmt mir das Glas aus der Hand, drückt mir einen Kuss auf die Nasenspitze und umläuft die Küchentheke. Vor der Couch möchte er ihr das Glas reichen, als seine Augen sich weiten und er hilfesuchend zu mir schaut.

Zügig laufe ich zu ihm und bleibe vor der weinenden Kathrin stehen. Nun sehe ich mit geweiteten Augen zu Adam, welcher seine Lippen schief gezogen hat und Kathrin dabei beobachtet, wie sich ihre Schultern zittrig heben und sinken.

"Hey, Kathrin..." ich versuche ihre Schulter zu berühren, welche sie jedoch sofort wegzieht. Mein Blick schellt zu Adam, welcher auch zu mir schaut.

"Kathrin.. was ist los?" diesmal führt er seine Hand zu ihrer Schulter, bevor er sich neben sie setzt. Sie fällt in seine Arme und beginnt fürchterlich zu weinen. Was ist in diesen verdammten Minuten passiert?!

"Alles ist los." schluchzt sie und hebt ihren Kopf. "Seit sie" sie hebt zittrig ihren Finger und zeigt auf mich "wieder in der Stadt ist, ist alles auf dem Kopf."

Empört hebe ich meine Hand und zeige auf mich. Ich bin an allem schuld? Ich bin seit kurzem in der Stadt? Wow, also wenn 4 Jahre für sie kurz sind, dann scheint nicht nur ihre Haarfarbe blond...

"Avelin hat doch absolut nichts-" fängt Adam an, wird jedoch gestoppt. "Spar dir deine Worte. Avelin hat doch nichts gemacht? Sie ist ja so eine vorbildliche und perfekte Schwiegertochter? Pf, wer's glaubt." sie fährt sich mit ihrer Hand über die Augen.

Meint sie gerade wirklich mich?

"Das ist sie." erwidert Adam und sieht zu mir. Mein Herz erwärmt sich und am liebsten würde ich ihm, um den Hals springen, jedoch klammert dort schon Kathrin.

"Ach ja?" fragt sie und sieht uns beide an. Ihre Augen huschen von ihm zu mir, von ihm wieder zu mir.

"Das ist sie, aber nicht für deine Eltern." ihre Worte schneiden scharf wie Messer ein und mich durchfährt kurz eine Gänsehaut. Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Was führt sie im Schilde?!

"Wie meinst du?" Adam hat mittlerweile die Hand von ihrer Schulter genommen und sieht sie forschend an. Sein Ausdruck ist beinahe kalt.

"Hat sie dir nie von mir erzählt?" Verdammt natürlich nicht! Warum sollte ich! Ich kenne sie doch selber kaum! Was soll ich überhaupt erzählen?!

"Spar dir dein Rätselgerede und sag uns endlich, was du von uns willst." Adams Stimme ist eiskalt und sein Blick durchbohrt ihren.

"Das Uns stört mich! Das gibt es nämlich nicht!" fängt sie an rumzuschreien und klatscht ihre Hände seitlich auf die Couch.

Welches 'uns' meint sie? In welchem sie mitspielt? Genau, das gibt es wirklich nicht.

Adam sieht sie schockiert an. Auch mein Ausdruck scheint seinem zu gleichen.

Sie jedoch, schlägt ihr Bein auf das andere und verschränkt ihre Arme "Ach Avelin. Deine Schauspielkünste habe ich schon immer bewundert. Selbst jetzt, wo ich schon fast alles sagte, bist du so ruhig und unschuldig. Soll ich im vielleicht erzählen, wie es dazu kam, dass er sein Gedächtnis verloren hat?"

Wenn sie das macht, verliert auch sie ihr Gedächtnis. Ich möchte nicht, dass Adam von diesem kleinen Unfall erfährt. Zumindest nicht die ganzen Details. Es frisst mich schon auf, nur daran zu denken, was wir verloren haben. Das Stechen in meiner Brust ist seither auch nicht verschwunden. Dieser Schmerz wurde ein Teil von mir, das einzige was ich noch von damals habe.

"Hat sie es dir nicht erzählt?" Kathrins Augen funkeln gefährlich verrückt, als er mich ansieht. Seine Augen wirken zerbrechlich und das einzige, was ich noch mitbekomme, ist, wie sie ein kleines Bild aus ihrer Tasche holt. Sie hält es verdeckt an ihr Bauch "Dann erzähle ich es jetzt!" ihre Augen huschen zu mir und versetzen mir eine Wunde. "Wir waren zusammen spazieren." sie hält die Luft an und ihr fließt eine kleine Träne die Wange runter. "Ja genau Adam. Wir beide waren spazieren. Weil es uns gab." sie führt ihre Hand zu ihrer Wange und wischt sich die Träne weg, während mein Kopf sich in ihren Worten verirrt.

Es gab euch nie! Verdammt, es gab euch nie! Warum tut sie das?

"Wir sind eng umschlungen in der Dämmerung auf dem Gehweg, in der Nähe vom Krankenhaus, gelaufen. Kannst du dich an die Ausfahrt erinnern, welche nur die Krankenwägen im Notfall benutzen dürfen? Sie führt gleich in die Kreuzung rein." Ich beobachte wie Adam ihr zu nickt und sie weiter erzählt. "Wir standen etwas abseits an der Kreuzung und warteten bis die Ampel für uns Grün wurde, damit wir über die Straße können.  Wir beide alberten rum, wie ein verspieltes verliebtes Pärchen das nunmal tut." sie sieht glücklich zu ihm, er jedoch schaut mit zusammengezogenen Augenbrauen auf den Boden. Das verliebte Pärchen sind sie nie gewesen. Die Vorstellung, dass das einmal Wirklichkeit werden könnte, reißt mir mein Herz in Stücke.

Bitte glaube das nicht, Adam! Bitte!

"Als die Ampel grün wurde, haben wir natürlich angefangen zu laufen, jedoch durch das Gelächter nicht den Krankenwagen gehört." ein Schluchzer entweicht ihr.

Den Krankenwagen höre selbst ich in meinem Arbeitszimmer! Den kann man doch nicht überhören! Oh Gott, was ist hier los?

"Als wir ihn schon hörten, war es zu spät. Wir wurden angefahren. Nicht nur wir beide. Wir drei." sie dreht das Bild um und es ist ein Ultraschall zu sehen.

Adam nimmt es ihr vorsichtig ab. Der Schock ist ihm ins Gesicht geschrieben, während er vorsichtig das Bild beachtet.

Nein, glaub das nicht! Bitte lass ihn das nicht glauben!

"Wir wurden in getrennten Wägen ins Krankenhaus gefahren. In beiden kämpfte man um's Leben. Dein Leben, und das Leben deines Kindes." ein Lächeln ziert ihr Gesicht, als Adam perplex zu ihr schaut.

"Mein Kind?" fragt er und begutachtet das Bild. Jedoch ist ihm die Ruhe in der nächsten Sekunde nicht mehr ins Gesicht geschrieben, denn er springt auf und fährt sich verzweifelt durch die Haare.

"Ich werde Vater. Ich werde eine glückliche Familie haben. Und du." dabei zeigt er auf mich "Hast mir davon nie gesagt? Du hast mir meine Familie verschwiegen und hättest dabei kein schlechtes Gewissen?!" seine Stimme hebt sich, während meine sinkt. Ich habe ihm Bitteschön was verschwiegen? Ich sollte ihm von einer Familie erzählen, welche es gar nicht gibt?

Zu geschockt bin ich, um ihm zu antworten. Was soll ich denn auf eine Lüge entgegnen, wenn nur die Wahrheit alles wieder gerade biegen kann? Und was ist, wenn gerade die Wahrheit das Arschloch ist?

"Du hast mich die ganze Zeit über belogen! Verdammt, Avelin! Ich habe Gefühle für dich entwickelt! Ich habe mich immer nach dir gesehnt! Und jetzt? Jetzt erfahre ich, dass ich eine Frau habe, welche von mir ein Kind erwartet?" seine Augen sind rot vor Wut, das Zeichen, dass man ihn lieber nicht reizen sollte.

"Adam hör mir-"

"Ach jetzt soll ich dir zuhören? Jetzt, wo alles gesagt ist?!" er schlägt mit seiner Hand auf die Lehne des Sofas.

"Es ist doch gar nichts gesagt!!" schreie ich. Meine Hände zittern, meine Stimme bebt. Die Kraft flieht mir aus den Fingern.

"Dieser Unfall ist nie passiert! Ihr seid nie passiert!" glaub mir doch, Adam! Es gab ihn nie!

"Ach ja? Wie habe ich dann mein Gedächtnis verloren?" er geht einen Schritt auf mich zu. Ich setze zu einem Satz an, jedoch fehlt mir die Kraft. Die Wahrheit ist zu schwer. So schwer. Sie sitzt auf meinen Schultern und lacht mir in meine Ohren

"Wusste ich es doch." seine Stimme ist gleichgültig. Es ist ihm jetzt gleichgültig was ich zu sagen habe. Gleichgültig, was ich sagen möchte und gleichgültig, was ich je gesagt habe.

"Ich warte draußen." sagt er noch, als er schon kehrt macht und die Tür ins Schloss fällt.

Mit Tränen in den Augen, lasse ich mich auf die Couch plumpsen, während Kathrin vor mir steht und ihren Schal richtet.

"Warum.." krächze ich und schaue durch das dicke Wasser, welches meine Augen bedeckt. "Warum hast du das getan?" frage ich nochmals. Meine Stimme ist erschöpft. Mein Hals ist trocken.

"Es war nun mal vorbei für euch. Jetzt ist meine Zeit." sagt sie, bevor sie ebenfalls das Haus verlässt.

Ich denke gerade nicht daran, wie sie an das Ultraschallbild kommt. Auch nicht an die Lüge, welche sie aufgetischt hat. Ich denke bloß an Adam. An die Zeit, in welcher er noch mir gehörte. In welcher das 'Uns' mein 'Alles' war.

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Es tut mir uuuuunglaublich leid!
Das Kapitel kommt wirklich spät, jedoch hatte ich die schwerste Schreibblockade der ganzen weiten Welt! Ausserdem fiel mir dieses Kapitel sehr schwer. Es tat mir im Herzen weh, dieses Kapitel zu schreiben.

Naja, ich versuche, regelmäßig Kapitel hochzuladen. Wie gesagt, ich versuche es ;)

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