Herzenssache im Klokabinett
Schluchzend versuche ich die Luft einzuziehen, um zu verstummen, lausche den Schritten, die sich meiner Türe nähern und halte mir schließlich eine Hand auf den Mund, bevor ich auf ihr Druck ausübe.
"Avelin, ich weiß, dass du hier drinnen bist." klopft er mit der flachen Hand an die Tür.
Schweigend, betrachte ich nur seine Schuhe, die durch den kleinen Spalt unten zu sehen sind.
"Avelin verdammt, sag doch was!" ruft er bevor er sich verbessert "Nein, schliess auf, damit ich dich endlich sehen kann.".
Krampfhaft schlage ich auch meine zweite Hand auf meinen Mund und presse mir mein Schluchzen wieder rein.
Er möchte mich sehen. Pf. Hat man ja gesehen, wie seine Augen sich weiteten, als er mich sah. Die Tatsache, dass es ihm keines Wegs passte, dass ich auf einmal auch im Café saß, hat mich innerlich etwas zusammenzucken lassen. Quatsch, äußerlich sah ich sicherlich aus wie ein Chihuahua.
Deswegen tat ich einfach das, was für mich am logischsten in diesem Moment war. Genau, weglaufen. Nicht aus Angst. Ich rannte weg, weil ich es nicht ertragen konnte, seinen schweren Blick auf mir zu spüren. Doch wie bekannt ist, kann man den Problemen nicht davon rennen und das habe ich definitiv nicht, denn sonst würde Adam jetzt nicht klopfend vor meiner Tür stehen.
"Ich klettere gleich über die Wand!" ruft er verzweifelt und haut noch einmal leicht mit der Handfläche gegen die Tür. Auch wenn er die Wände einschlagen müsste, würde ich ihm nicht öffnen.
Irgendwann wird er still und hält mit dem Klopfen inne, als ich ihn auch schon gleich darauf panisch hämmern und rufen höre "Mach auf! Da kommt jemand.", doch ich denke immer noch nicht dran.
Im nächsten Moment sehe ich, wie er ein Bein über eine Wand der Toilette wirft und wir dem Platzmangel ausgeliefert sind. Stillschweigend sieht er mich an, als weibliche Stimmen zu hören sind.
Ich ziehe panisch die Luft ein und verdecke mein Gesicht mit meinen Händen. Gott, diese Situation ist peinlich. Ich, mit verschmiertem Make-up, geröteten Augen und ekelhafter Nase. Oh Gott!
Noch panisch, fast schon hysterisch fange ich an, mir unter den Augen zu reiben. Bevor ich mir Klopapier abreissen kann, um mir damit die Nase zu putzen, hält Adam mein Ellenbogen und zeigt mir mit einem Blick, dass ich das nicht wagen soll. Ich seufze bloß und lehne mich an die Wand, derweil ich die Augen schließe.
Solche Situationen sind mir bisher nur aus schlechten Filmen bekannt. Mit dem Unterschied, dass sie beide "verliebt" sind und dass das die beste Möglichkeit ist, um aus Versehen einem näher zu kommen.
Tja, bei uns sieht das natürlich nicht so aus und das Schicksal möchte nochmal einen drauf hauen, als eines der weiblichen Stimmen ertönt."Entschuldigung, aber die anderen zwei Toiletten sind beschmutzt und wir möchten Sie ungern benutzen. Könnten sie sich etwas beeilen?"
Ich zucke zusammen und blicke noch panischer als je zuvor zu Adam und sehe das auch seine Augen sich weiten und wir uns beide hilflos ansehen.
"Okay, okay, okay, okay." rauft er sich durch die Haare und tritt von einen Fuß auf den anderen."Okay, ich klettere jetzt vorsichtig zurück und dann kommst du aus der Kabine und gehst in die daneben."
Gerade will ich widersprechen, doch er drückt seinen Finger auf meinen Mund. "Wenn du nicht kommst, laufe ich raus und packe dich höchstpersönlich am Arm und ziehe dich mit in diese Kabine. Denk daran, dass sie nicht beide aufs Klo gehen und eine dieses Szenario sehen wird und die andere wird es höchstwahrscheinlich hören." flüstert er mir zart, aber bestimmt ins Ohr, was meine Nackenhaare aufstellen lässt.
'Ist ja nicht so, dass man es zu 99,99% auch hören wird, wenn ER über diese Wand klettert. Also bitte.'
Ehrlich gesagt, muss ich ausnahmsweise meiner Raupe recht geben. Doch seine Entschlossenheit lässt mich verstummen, weswegen ich genervt seufze und mein Handy aus meiner Hosentasche hole, derweil Adam über die Wand in das andere Klo klettert.
Ich reime mir einen kleinen Monolog zusammen, bevor ich durchatme und aus der Kabine trete, wo mich die zwei Blondies schon mit einem genervten Blick empfangen. Ich kann gar nicht glauben, dass ich das jetzt wirklich sagen werde.
"Hey! Ja das tut mir wirklich sehr leid, aber ihr wisst ja wie Mütter sind. Ständig rufen Sie in den unpassendsten Momenten an." kläre ich sie auf und würde meinen Kopf am liebsten so oft gegen die Wand hauen, bis ich in Ohnmacht falle. Meine Ausreden sind schlimmer, als die Spitznamen, die sich Anton jedes Mal für mich ausdenkt.
Beide sehen mich verstörend an.
Blondie eins wacht als erstes aus ihrer Starre und schlüpft schnell in die Kabine, während mich die andere noch einmal abwertend betrachtet und sich dann ihrem Spiegelbild widmet.
Kurz kämpfe ich mit den Gedanken, einfach zu verschwinden, doch das wäre noch dümmer, als meine Ausrede, weshalb ich schnell in die Kabine schlüpfe, sie hinter mir schließe und beim Umdrehen gegen Adam stoße.
"Du hast mit deiner Mutter telefoniert?!" krächzt er flüsternd und ich presse ihm meine Hand auf seinen Mund, um sein Lachen verstummen zu lassen, bevor ich ihm einen zornigen Blick schicke, der für andere zum davonlaufen ist, doch in seinen Augen sehe ich bloß, wie sehr er sich amüsiert.
"Das.Ist.Nicht.Witzig." zische ich und spüre kurz darauf etwas nasses an meiner Handfläche, weshalb ich sie mit einem Ruck an mich ziehe und sie angewidert ansehe.
"Aber funny." grinst er mich an, ganz stolz auf seinen Konterspruch.
Ich verdrehe bloß die Augen und wische meine Handfläche an seiner Brust ab. Ihr glaubt mir nicht, was ich jetzt alles dafür tun würde, um seine Spucke gegen Sekundenkleber einzutauschen. Ich möchte meine Hand am liebsten den ganzen Tag an seiner Brust kleben haben und ohne es zu bemerken, starre ich ihn an und tue das, was ich mir gerade ersehne.
Genau, meine Hand liegt immer noch auf seiner Brust. Auch er starrt mich eindeutig an und hebt seine Hand an meine, bevor er sie mit seiner bedeckt.
"Wie gehts dir?" fragt er mich, haucht er schon fast und ich schließe augenblicklich die Augen.
Diese Situation.... ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll. Einerseits genieße ich seine Hand an meiner und das warme fürsorgliche in seinen Augen. Aber einerseits komme ich mir erbärmlich und schwach rüber, wie ich mich seinen Berührungen hingebe und kurz vorm Fallen bin.
"Möchtest du Smalltalk führen oder interessiert es dich wirklich?" frage ich ihn und zwinge mich zu einem Lächeln, während ich hoffe, dass er auf meinen Themenwechsel eingeht und nicht weiter fragt. Er sieht mich stirnrunzelnd an, bevor er ungläubig seinen Kopf schüttelt und ihn mit einem traurigen Lächeln hebt.
"Es interessiert mich." sagt er und ich lasse meine Schultern sinken, da mein Versuch misslungen ist.
"Mir geht es Super. Scheint dir wohl auch zu gehen." antworte ich schroff und blicke beschämt zu Boden.
'Zügle deine Eifersucht du Frosch!'
Ich versuch's ja!
Genervt atme ich aus und sehe nun tapfer zu Adam, der mich belustigt mustert.
"Bist du etwa eifersüchtig?" sagt er und piekst mich in die Seite.
Mir entfährt ein schriller Schrei und schon eilt meine Hand zur Hilfe und bringt mich zum Schweigen. Dann verschränke ich meine Arme vor meiner Brust und schnaube "Ich bin nicht eifersüchtig. Worauf denn auch."
Doch mir fallen viele Sachen ein, auf die ich durchaus eifersüchtig sein sollte. Wie zum Beispiel ihr perfektes Lächeln, ihre hohen Wangenknochen oder, dass sie mit ihm im Café sitzt, statt ich. Ich habe nichts von alldem. Statt hohe Wangenknochen, zieren rosa Bäckchen mein Gesicht. Naja gut, mein Lächeln ist nicht schrecklich. Mir werden oft Komplimente gemacht, dass ich öfter lächeln soll. Andererseits bekommt das wohl jeder zu hören.
"Stimmt. Ist ja nicht so, dass Kathrin superschön ist." Antwortet er ernst.
Entsetzt starre ich ihn an und wäre gerade wieder am heulen gewesen, wenn ich das verräterische Zucken an seinem Mundwinkel nicht gesehen hätte. Kurz darauf fängt er an lauthals loszulachen und nun pressen meine Hände wieder seinen Mund fest, nur diesmal mit Druck. Er schiebt sie jedoch mühelos zur Seite
"Du hättest deinen Ausdruck sehen sollen."
macht er sich lustig "Den hätte ich aufnehmen sollen. Oh Gott, wieso sind in so einem Moment keine Kameras an."
Während er sich weiterhin amüsiert, drehe ich mich um und möchte endlich zu meinem Tisch, doch da macht er mir einen Strich durch die Rechnung.
Wieso müssen Männer auch stärker als Frauen sein?! Kann das nicht auf Gleichseitigkeit beruhen?!
"Denkst du, ich lasse dich mit so einem Blick gehen?" dreht er mich um und sieht mir nun ernst in die Augen. "Wenn du jetzt wegrennen solltest, lasse ich meinetwegen das Treffen mit Kathrin sausen, nur um dir Sturkopf hinterherzurennen. Was hindert dich denn dran, dich mir anzuvertrauen?"
Ich zucke mit den Schultern, bevor ich sie hängen lasse und mein Gesicht, abermals mit meinen Händen verdecke. ARGH, das kann doch alles nicht wahr sein. Er ist sich doch gar nicht bewusst, was er damit in mir anrichtet. Ich möchte nicht seine beste Freundin sein!
"Ach Alié." flüstert er bloß und ich spüre wie seine Hände meinen Körper umzingeln und ich sachte an seine Brust gedrückt werde.
"Bitte kleiner Schmetterling, lass mich dir beweisen, dass du mir wieder vertrauen kannst. Du hast es doch davor schon getan und ich möchte nicht, dass du das alles fallen lässt. Lass uns einfach da weitermachen, wo wir aufgehört haben."
Schon wieder fließen mir die Tränen über meine Wangen und dieser stechende Schmerz vergrößert sich, während mein Herz weiter in kleine Teile zerspringt.
Für ihn klingen die Worte aufmunternd und ich höre die Hoffnung in ihnen raus, doch seine Hoffnung zerstört wiederum meine. Ihm ist nicht bewusst, was es bedeutet wenn er mich Schmetterling nennt.
Er sagte immer: 'Du hast zwei Seiten. Die ehrliche, freie und aufgeschlossene Seite.
Und dann hast du die nette, kontaktfreudige, aber verschlossene Seite.
Ich liebe beide deiner Seiten. In beiden deiner Seiten steckt so viel Liebe darinnen und so viel Feingefühl. Die aufgeschlossene Seite zeigst du mit Acht, nur den Menschen, an denen dir viel liegt.
Und weißt du was? Ich bin stolz auf mich, dass beide deiner Seiten mir gehören, denn das ist das beste was ich gewinnen konnte.'
Mir wird wieder bewusst wie sehr ich ihn vermisse, seine bewusste Liebe in seiner Stimme, seine bewussten feinfühligen Berührungen und die Sucht nach seinen intensiven Küssen wächst und wächst und wächst.
Deswegen nehme ich mir jetzt die Worte meiner Mutter zu Herzen und schallte meinen Verstand ab. Nur noch mein Herz entscheidet und nichts kann es jetzt daran hindern.
"Lass uns diese Beziehung wieder aufbauen." bittet er mich.
Ich atme tief ein und seufze dann schwer, bevor meine Worte meinen Mund verlassen
"Okay, lass uns wieder bauen."
Und das auf meine Art. Denn auf freundschaftlicher Basis bleibe ich nicht mehr lange.
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