Tim: Kommst du heute Abend mit auf die Weihnachtsfeier?

Jan: Kostenlosen Alkohol lasse ich mir doch nicht entgehen 😂

Tim: Soll ich dich dann abholen?

Jan: Gerne

Tim: Ich bin um 17 Uhr bei dir

Ich antworte ihm noch mit einem Daumen-hoch-Emoji, bevor ich mein Handy wieder auf die Seite lege.

Eigentlich bin ich jetzt nicht der größte Fan von solchen Veranstaltungen, besonders seit mein Tourette so ausgeprägt ist. Aber um einen guten Eindruck zu machen, sollte ich wohl erscheinen und außerdem interessiert es mich auch, welche anderen Influencer bei AME unter Vertrag sind und wie ihr Weg zum Erfolg dort war. Vielleicht kann man ja schon ein paar Kontakte knüpfen, das sollte vor allem in dieser Branche ja von Vorteil sein.

Punkt 17 Uhr ziehe ich die Wohnungstür hinter mir zu und gehe die Treppen runter ins Erdgeschoss. Tim ist natürlich noch nicht da. Ich bin nicht überrascht darüber. Ich stelle mich auf den Gehsteig vor meiner Haustür, damit Tim keine Parkplatz suchen muss.

„Hast' dich schick gemacht?", begrüßt er mich grinsend, als er mit dem Auto ankommt. Ich blicke irritiert an mir runter. „Nur weil dein normales Outfit aus Hoodie und Jogginghose besteht, muss das nicht auf jeden zutreffen." Dass er auch darin gut aussieht verschwiege ich ihm. „Also eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass du gut aussiehst.", erwidert er schmunzelnd. Ich nicke nur, unfähig etwas zu sagen und bin einfach froh, dass er sich wieder auch die Straße konzentriert und nicht sieht, dass ich sehr wahrscheinlich rot geworden bin. Warum bringt er mich auch ständig aus dem Konzept? Kann er einfach nichts sagen und seinen Job machen? Okay, das würde ich mir eigentlich auch nicht wünschen, gestehe ich mir dann doch ein. Er soll einfach normal sein, so dass ich verstehe was los ist.

Tim parkt sein Auto in der Tiefgarage des Managements und wir steigen in den Aufzug. Sofort fällt mir die Reihe an Knöpfen ins Auge und ich versuche nur auf die andere Seite zu blicken. Ich scheitere und meine Hand hebt sich, um die Knöpfe zu drücken. Und ich weiß, dass vor allem der rote Notrufknopf das Interesse meines Tourette hat. Plötzlich packt Tim mein Handgelenk und zieht es von den Knöpfen weg. Ich stolpere, schaffe es aber nicht zu fallen und stehe mit einem mal an der anderen Seite des Aufzugs. Tims Eingriff war vielleicht etwas zu hart, aber besser als nachher dem Hausmeister die Situation erklären zu müssen. „Geht's?", fragt Tim mich sofort besorgt. „Alles gut", antworte ich ihm und versuche nicht weiter auf die Knöpfe zu achten. „Kannst du dich vielleicht davor stellen, dann sehe ich sie zumindest nicht mehr, dass hilft meistens.", bitte ich ihn, was er sogleich macht. „Danke" „Kein Ding."

Trotzdem bin ich froh, als wir den Aufzug wieder verlassen können. Das Büro ist fast nicht mehr wiederzukennen. „Wow", staunt Tim neben mir als er die ganze Weihnachtsdeko entdeckt. Überall sind geschmückte Tannenzweige, weihnachtliches Lametta und beleuchtete Rentier-Figuren. „Hey Jan, hey Tim!", begrüßt uns Sina, die sich aus einer Gruppe Mitarbeiter löst. „Schön, dass ihr es da seid! Wie gehts euch?" Wir führen etwas Smalltalk mit ihr und nach einiger Zeit gesellen sich auch ein paar mir unbekannte Menschen zu uns.

Irgendwann verabschiede ich mich kurz, um mich etwas umzusehen und vielleicht etwas zu trinken zu finden. Die Wand zwischen den zwei Konferenzsälen wurde zur Seite gefahren und verschiede Sitzmöglichkeiten und Stehtische wurden im Raum verteilt. An der einen Seite ist ein Buffett aufgebaut. Daneben ist eine Bar, welche ich direkt ansteuere. Es gibt Cocktails mit weihnachtlichen Namen, keinen habe ich je zuvor gehört und ich bestelle einen Glühwein on the Rocks.

Mit meine Getränk gehe ich auf den anderen Seite der Etage wieder zurück. Auch dort wurde einer der größeren Räume umfunktioniert und man kann an einem Glücksspiel teilnehmen. Zumindest vermute ich es im vorbei gehen. Vielleicht können wir später mal gemeinsam rüber gehen.

Ich komme wieder bei den anderen an und stelle mich zwischen Tim und Sina. „Warum hast du mir nichts mitgebracht?", beschwert sich Tim gespielt beleidigt, als er mein Getränk sieht. „Hättest du halt mit kommen müssen.", gebe ich schulterzuckend zurück. „Du hättest aber auch einfach mitdenken können." „Ja, weil du das selbst ja nicht kannst!", frontet Gisela ihn direkt. Alle lachen und auch Tim sieht seine Niederlage ein.

Wir werden aufgefordert in den großen Saal zu kommen, da die Geschäftsleitung einige Worte sagen möchte. Ein älterer Herr im Anzug greift nach dem Mikrofon. Er scheint der Chef zu sein, den ich bislang noch nie persönlich kennenlernen konnte. Otto Brandt. Es spricht kurz über den Erfolg der Firma im letzten Jahr und kommt dann zu den üblichen Themen rund um Weihnachten. Fest der Liebe, Zeit mit der Familie etc. Ich höre nur mit halbem Ohr zu. Irgendwie kann ich nicht wirklich glauben, dass er wirklich Ahnung von Social Media hat, aber dafür hat er vielleicht auch die ganzen Mitarbeiter. Und manchmal täuscht man sich ja auch gewaltig in Menschen.

Er beendet seine Rede damit, dass er uns noch einen angenehmen Abend wünscht und das Buffett eröffnet. Die leise Weihnachtsmusik im Hintergrund setzt wieder ein und die Menschen verstreuen sich wieder in der Etage. „Holen wir uns direkt was zu Essen?", fragt Sina mich. Ich nicke: „Bevor nachher alles weg ist, weil Tim vor uns dort war." „Was hast du gerade gesagt?", fragt Tim verwirrt von der Seite, der wohl seinen Namen gehört hat. Sina lacht nur und ich antworte grinsend: „Ach nichts." Dann gehen wir zum Buffett.

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Es ist so seltsam im Juni über Weihnachten zu schreiben 😂 (wobei: Unser Weihnachtsbaum steht ja auch noch im Wohnzimmer)

Danke übrigens nochmal für diese Idee!!

Schönen Samstag Abend euch noch!