Schwiegersohn mit Labrador
Als es an meiner Wohnungstür klingelt, springe ich von meinem Sofa auf und gehe zur Tür. Als ich sie öffne steht ein grinsender Tim davor. „Hey" Demonstrativ werfe ich einen Blick auf meine nicht vorhandene Armbanduhr. „Du bist zu spät!" „Das kommt ganz darauf an, was man als pünktlich definiert. Für meine Verhältnisse ist eine Stunde noch völlig im Rahmen." „Für meine nicht." Ich weiß, ich sollte kein Drama daraus machen, aber seine Art an sich macht mich aggressiv. Dabei kann ich gar nicht beschreiben, was mich eigentlich an ihm stört. Er, als ganzes, nervt mich einfach.
„Lässt du mich jetzt noch rein oder verbringen wir den Tag auf der Türschwelle?" Wortlos drehe ich mich um und gehe ein paar Schritte in meine Wohnung. Er bleibt an der Garderobe stehen und schält sich aus seiner Jacke. Kurz schweift mein Blick über seinen Körper. „Enttäuscht, dass ich einen Hoodie anhabe und du nicht meinen Oberkörper anstarren kannst?", bemerkt er grinsend. „Bei deinem Anblick bekomme ich ja Augenkrebs!", hilft mir Gisela aus der eher unangenehmen Situation. „Man, ich wusste, ich hätte doch das Hemd anziehen sollen", ergänzt er grinsend und ich rolle einfach nur genervt mit den Augen bevor ich in mein Wohnzimmer gehe.
Tim lässt sich auf mein Sofa fallen, als wäre ER hier zuhause und nicht ich. Unschlüssig bleibe ich vor der Couch stehen. „Willst du irgendwas zu trinken?", frage ich ihn höflich, auch wenn ich es aus Prinzip gerne gelassen hätte, komme ich wohl manchmal nicht um meine gute Erziehung drum rum. „Sind wir jetzt wieder freundlich?", provoziert mich Tim grinsend. „Man nennt das Gastfreundschaft, aber das ist für dich sicherlich ein Fremdwort, Mister Ich-bin-der-König-der-Welt!", gebe ich eine Spur zu bissig von mir als ich es beabsichtigt hatte.
Erstaunlicherweise weicht diesmal tatsächlich das selbstsichere Grinsen aus seinem Gesicht und wird durch ein einfach ehrliches Lächeln ersetzt. Bin ich jetzt zu weit gegangen? Sofort frage ich mich, ob ich irgendwas falsch gemacht habe, dass er so schnell einsieht, dass es mich nervt. Natürlich nervt er mich, aber so sehr jetzt auch wieder nicht. Ich meine er hat ja meistens recht, und mehr dieser Fakt stört mich so sehr. Dass er weiß, dass ich ihn rein oberflächlich betrachtet sehr attraktiv finde und mich sehr gerne damit aufzieht.
„Willst du jetzt noch etwas anderes machen als regungslos im Zimmer rumstehen?", reißt mich Tim aus meinen Gedanken. Schnell gehe ich in die Küche und hole für uns zwei Gläser und eine Sprudelflasche. Während ich zurück ins Wohnzimmer laufe, lege ich mir bereits meine Satz im Kopf zurecht. Vielleicht schaffen wir es ja wieder in ein normales Gespräch zu kommen, wie das letzte mal.
„Wir sollen uns ja weiter kennenlernen, wie wäre es deshalb wir erzählen uns einfach gegenseitig ein bisschen was von unseren Familien?", unterbreite ich ihm meinen Vorschlag und stelle die Gläser auf den Couchtisch. „Klingt nach einem machbaren Plan", stimmt er ohne weiteren dummen Spruch zu. „Ich kann ja mal anfangen", beginnt er sogleich und fängt an über seine Familie zu berichten.
Erst zählt er mehr die Personen und ihren Verwandtschaftsgrad zueinander auf.Wirklich merken kann ich mir das wahrscheinlich sowieso nicht, aber trotzdem stelle ich Verständnisfragen, wenn mir nicht klar ist, ob seine Cousine dritten Grades nun mit ihrem Freund schon verheiratet ist, da die erste Feier aus einem Grund, der mir bereits entfallen ist, abgesagt werden musste. Irgendwann erzählt er mir mehr von lustigen Situationen auf Familienfeiern und mehr und mehr wird mir klar, wie viel ihm seine Familie wohl bedeuten muss. Seine Augen beginnen auf so eine bestimmte Art und Weise an zu leuchten und sein Redefluss scheint gar nicht mehr zu stoppen zu sein. In diesem Moment wirkt er wieder, wie der perfekte Schwiegersohn, dem ich wirklich stundenlang zuhören könnte, ohne das mir langweilig werden würde.
Sein Hund Henry scheint ihm besonders viel zu bedeuten. Als ich ihn frage, wie er den aussieht, holt er sofort sein Handy raus und zeigt mir die vielen Bilder von Henry. „Ich muss Henry umbedingt mal mitbringen, dann kannst du dich selbst davon überzeugen, dass er wirklich der beste Hund der Welt ist!", verkündet er und wirkt dabei mehr wie ein kleiner Junge. „Kannst du gerne mal machen, auch wenn ich mehr der Katzenliebhaber bin." „Meintest du nicht, dass wir auch Videoideen sammeln können? Wie wäre es Tourette und Hund? Von mir aus können wir dann ja auch Tourette und Katze machen." Ich stimme seiner Idee zu und versuche sie mir gedanklich auf einer Liste zu vermerken. „Natürlich geht das nur, wenn wir auch eine Katze haben..." „Ich hab ne Katze", antworte ich ihm. „Hier?", fragt er und schaut verwirrt in meiner Wohnung umher, wo offensichtlich nicht auf eine Katze hin deutet. „Nein, Lilly ist bei meiner Mutter geblieben, als ich ausgezogen bin, da ich in meiner ersten eigene Wohnung keine Haustiere halten durfte." „Hast du nicht überlegt sie hierher zu holen?", fragt er interessiert nach. „Nicht wirklich, sie hat dort ihre gewohnte Umgebung und viel mehr Platz als in dieser Wohnung." Und so beginne auch ich von meiner Familie zu erzählen. Tim hört mir aufmerksam zu und gibt nicht einen seltsamen Kommentar ab. Vielleicht können wir ja doch Freunde werden...
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Mir ist gerade aufgefallen, dass Tim in dieser Story ziemlich viele Stimmungswechsel hat... naja, Reallife-Tim hat das ja auch gerne mal 😂😂
Es freut mich übrigens sehr, dass euch meine Geschichte gefällt! 🥰
GuNa
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