Galileo wartet nicht

Mein Blick ist auf die vorbei ziehenden Felder gerichtet und über meine Kopfhörer erklingt „Von Party zu Party" von SXTN. Ich sitze in der Bahn zu meiner Mutter. Heute wird der Dreh für Galileo stattfinden. Tim hatte mir zwar angeboten, dass er mich auch fahren könnte, aber erstens würde das absolut keinen Sinn ergeben, da er ja in Bonn wohnt und meine Mutter ebenfalls und zweitens wollte ich schon etwas früher zu ihr, damit ich ihr erklären kann, wer Tim ist. Ich hatte ihr bereits am Telefon versucht zu erklären, wie mein zukünftiger Job aussehen wird, aber da sie noch weniger Ahnung von Social Media hat als ich, war es eher vergeblich.

10 Minuten später verlasse ich die Bahn und versuche ohne den geschäftigen Menschen um mich herum ins Gesicht zu schauen, das Bahnhofsgelände zu verlassen. Ich laufe die Viertelstunde zu meinem Elternhaus, um meinen Kopf noch mal frei zu bekommen. An meiner Situation mit Tim hat sich nicht viel verändert. In der letzten Woche haben wir uns jeden zweiten Tag gesehen und tatsächlich irgendwie angefreundet. An den anderen Tagen schreiben wir meistens miteinander, leider bin ich dabei nicht selten angetrunken und die Gespräche sind seltsam. Allgemein ist es ein stetiger Wechsel. In dem einen Moment habe ich das Gefühl, dass der selbstbewusste und sehr arrogante Part an ihm mit mir flirtet und seinen Spaß damit hat, dass ich ihn nun mal attraktiv finde. Und dann gibt es diese andere Seite, die ein extremer Familienmensch ist und keinen Zweifel daran lässt, dass er unsere berufliche Zusammenarbeit gerne durch eine ehrliche Freundschaft untermauern würde.

Ich werde nicht aus ihm schlau und würde ihn gerne wegen seiner selbstverliebten Art hassen, aber immer wenn er kurz davor ist den Bogen zu überspannen, mich zu sehr zu provozieren, wird er wieder lieb und nett und... keine Ahnung... dieser Seite an ihm kann man einfach keine Sekunde etwas böses wollen. Er wirkt dann einfach so ehrlich, als ob er keine Geheimnisse hätte, als ob er einfach nur ein guter Freund ist. Aber er hat Geheimnisse. Das ist sicher. Schon das ein oder andere mal bekam er einen Anruf oder eine Nachricht und war danach einfach distanziert, keine der beiden üblichen Seiten. Er hängt dann jedesmal seinen Gedanken hinter her und redet nicht mehr mit mir.

Als es das erste Mal passiert ist, habe ich ihn gefragt, was los sei. Er ignorierte mich, aber fünf Minuten später entschuldigte er sich für den Aussetzer und meinte er wäre was privates und nicht so wichtig. Seit dem ist es eine Art unausgesprochene Abkommen zwischen uns, dass ich ihn immer ein paar Minuten in Ruhe lasse, er sich danach entschuldigt und ich nicht weiter nachfrage.

Es wäre gelogen, wenn ich nicht darauf brennen würde zu wissen, was ihn regelmäßig so wütend macht. Zumindest wirkt er auf mich wütend. Und ich würde ihm auch gerne helfen, aber so gut kennen wir uns anscheinend noch nicht. Schlussendlich sind wir dann wohl doch nur Kollegen und keine Freunde.

Ich öffne das kleine Tor zum Vorgarten und gehe den gepflasterten Weg bis zur Haustür. Theoretisch habe ich noch meinen Schlüssel irgendwo, aber ich drücke stattdessen auf den Knopf neben dem Namen ‚Zimmermann'.

„Jan!", begrüßt mich Marion freudig und zieht mich sogleich in eine innige Umarmung, die ich nur zaghaft erwidere. „Hallo Mama" „Komm rein! Ich bin gerade noch dabei die Wohnung aufzuräumen für den Dreh nachher." Ich folge ihr ins Innere.

„Jetzt erzähl mal, wie geht es dir? Wie das jetzt mit diesem Job und wer ist Tim?", fragt sie sofort drauf los, nachdem sie mir einen warmen Kaffee serviert hat und sich wieder der ‚Unordnung' der Küche widmet. Ich weiß zwar nicht genau, welches Ziel sie verfolgt, wenn der Topflappen statt dem rechten Haken an dem linken hängt, aber ich lasse es umkommentiert und widme mich ihren Fragen.

Nach dem ich ihr soweit alles erzählt habe, was für sie wichtig ist - dabei habe ich den Teil über meine seltsame Beziehung natürlich weggelassen, und mich auf die berufliche Verbindung konzentriert - ist es bereits kurz vor 14 Uhr. Auf die Minute Genua klingelt es an der Haustür und wir eilen in den Flur.

Vor der Haustür steht Xenia und mit ihr drei mir unbekannte Personen. Die zwei Männer habe eine Kamera und ein Mikrofon in der Hand, sowie jede Menge anderes technisches Zeug. Die Freu hat bloß ein Klemmbrett in der Hand. Von Tim fehlt jede Spur.

Wir lassen die vier rein und nachdem sie sich uns vorgestellt haben machen sie sich an die Arbeit um irgendwie das Licht und sonst irgendwas einzustellen. Während Xenia sich meiner Mutter widmet und noch ein paar Tipps für einen guten Auftritt gibt, checke ich mein Handy nach einer Nachricht von Tim. Nichts. Inzwischen habe ich gelernt, dass er gerne mal zu spät kommt, aber heute ist ein wichtiger Termin für unsere gemeinsame Karriere.

Die Aufnahmeleiterin pudert uns gerade ab, damit wir im Licht nicht glänzen. Eigentlich warten wir nur noch auf Tim, aber der scheint es heute wohl nicht für nötig zu halten auf die Uhr zuschauen, oder wenigstens auf sein Smartphone. Ich habe ihn bereits mehrfach angerufen und Nachrichten hinterlassen, aber er reagiert nicht. Xenia scheint verständlicherweise überhaupt nicht angetan zu sein von seinem Verhalten und murmelt immer wieder etwas in Richtung „Ich wusste es von Anfang an" und „Der wird, was zu hören bekommen".

Ich kann sie auch verstehen, als sie irgendwann beschließt, dass wir ohne Tim anfangen.


-----

Fazit dieses Kapitels: Ich komme nicht voran! Geplant war, dass ich der Galileo Dreh mit diesem Kapitel fertig behandelt ist, aber natürlich muss Tim zu spät kommen und es werden doch mehrere Kapitel. Danke Tim... so wird das mit unserer Zusammenarbeit echt nichts mehr... 

Schreibt mir gerne mal kreative Gründe in die Kommentare, warum Tim zu spät kommen könnte, darüber habe ich mir nämlich noch keine Gedanken gemacht 😂

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top