Der berühmt berüchtigte Morgen danach
Es tut weh. Genauer gesagt mein Kopf tut weh. Schwer liege ich auf der Matratze. Es ist viel zu früh, hell, warm und laut. Ich will nicht. Langsam wieder ich mich auf die andere Seite und nehme die Decke in die Gefangenschaft meiner Arme. Schlaf. Ganz viel Schlaf. Ich kuschle mich in mein Bett und versuche wieder einzuschlafen.
Ich bin kurz davor wieder im Land der Träume zu versinken, als mich ein sägendes Geräusch neben mir, mich wieder in das Hier und Jetzt katapultiert. Was ist das, frage ich mich und stöhne leise auf. Wieder dieses Geräusch. Jetzt dringen auch die leichten Bewegungen in neben mir in mein Bewusstsein. Nach einigen panischen Augenblicken, erinnere ich mich daran, dass das nur Tim sein kann. Ich hoffe es zumindest, da ich nicht die Augen öffnen möchte. Mit meiner Hand taste ich vorsichtig nach der Person. Als ich ihn anstupse dreht er sich und das Schnarchen endet glücklicherweise. Ich kuschle mich wieder an meine Decke und drifte langsam in ein Delirium von Wolken ab.
Als ich das nächste mal wach werde, ist leise Musik aus dem Flur zu hören und ein köstlicher Kaffeeduft dringt in meine Nase. So ist das doch gleich viel schöner, stelle ich fest und schiebe die Decke auf die Seite. Ich bin nackt. Also bis auf die Unterwäsche. Ich schlafe eigentlich nie nackt. Was zur Hölle ist gestern passiert? Die andere Betthälfte ist wie zu erwarten leer. Verzweifelt versuche ich mich daran zu erinnern, ob Tim vorhin etwas an hatte. Nichts. In meinem Kopf ist gähnende Leere, bis auf einen Presslufthammer der mit Freuden meine Schädeldecke bearbeitet. Okay, jetzt erstmal langsam. Vielleicht weiß Tim mehr.
Angezogen folge ich dem Duft in meine Küche. Tim lehnt an der Theke, in der einen Hand sein Handy, in der anderen eine Tasse. „Morgen", mache ich mich bemerkbar. „Morgen. Ich hab mich hier einfach mal bedient, ich hoffe das war okay." „Nur wenn du mir auch einen Kaffee gemacht hast." „Aber natürlich", meint er lächelnd und reicht mir eine weitere Tasse, mit dem warmen Getränk. „Bitte sehr der Herr." „Danke vielmals", erwidere ich genauso überfreundlich. Er tippt eine Nachricht zu Ende bevor er sein Smartphone auf die Seite legt und aufblickt. „War vielleicht doch nicht so eine gute Idee so viel zu trinken", bemerkt er mit einem zaghaften lächeln. „Mir dröhnt auch der Schädel." Er nickt verständnisvoll. „Dein Schnarchen heute Nacht hat da auch nicht besser gemacht", ergänze ich grinsend. „Ey, ich schnarche überhaupt nicht!" „Doch sehr wohl, das klang als ob jemand neben mir mein Bett auseinander sägt", übertreibe ich es etwas. „Du hättest ja auch nicht mit mir in einem Zimmer schlafen müssen, ich hätte auch die Couch genommen", rechtfertigt er sich. „Du hättest auch einfach das Gästezimmer nehmen können." Der Satz bleibt unbeantwortet im Raum stehen. Meine Gedanken kreisen, um alle möglichen Enden des letzten Abends, weil ich mich irgendwie nicht mehr an alles erinnere. Ich weiß noch, dass ich Tim ins Gästezimmer helfen wollte, nachdem er angefangen hat zu weinen. Auch ein Thema, was ich irgendwann mal ansprechen sollte. Aber danach sind es nur noch einzelne Fetzen, die keinen Zusammenhang ergeben und ich mir auch nicht ganz sicher bin, ob Teile davon nicht vielleicht auch meiner Fantasie entsprungen sind.
Schweigend nehme ich zwei Teller aus dem Regal und stelle sie auf den Küchentisch. Dem zwei Messer und die Reste eines Aufstrichs aus dem Kühlschrank. Tim starrt währenddessen regungslos aus dem Fenster. Ich stecke zwei Scheiben in den Toaster und deute Tim an sich zu setzen. „Weißt du eigentlich... also gestern Abend...", beginnt Tim plötzlich das Gespräch, „Ich kann mich nicht an so sonderlich viel erinnern." „Bei mir sind auch so einige Lücken.", gestehe ich. „Weißt du noch wie wir ins Bett gekommen sind?", fragt er. „Nicht wirklich." „Okay..." Still essen wir weiter. „Ist gestern noch irgendwas passiert was wichtig zu wissen wäre?", fragt er mich und ich bin mir unsicher, ob er über sein Weinen spricht oder über das was eventuell danach passiert sein könnte. „Ich bin mir nicht sicher." „Mhm... wir waren beide halb nackt heute morgen.", erklärt Tim. Es beschleicht mich, der ungute Verdacht, dass wir uns gestern noch näher gekommen sind. Vielleicht nicht direkt miteinander geschlafen, aber auf jeden Fall mehr als wir sollten. Erst recht im betrunkenen Zustand. Ich stütze meinen Kopf in meine Hände und stöhne auf. Das kann doch einfach nicht wahr sein.
Ich blicke wieder zu ihm hoch und wir wissen beide, dass wir dasselbe vermuten. „Ich... es... wir sollten...", versuche ich irgendwas sinnvolles zu dieser Situation beizutragen. „Lass es uns einfach vergessen", schlägt Tim vor, „Wir können uns doch sowieso nicht daran erinnern und wir waren beide betrunken. Da kann sowas ja mal passieren." „Das ist wohl das beste", stimme ich ihm zu.
Nach dem Frühstück hilft mir Tim noch kurz zu spülen und auch die Sachen vom Couchtisch aufzuräumen, danach verabschiedet er sich und macht sich auf den Heimweg. Warum waren wir so dumm und haben uns betrunken?
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Ich hoffe zumindest etwas von gestern hat sich aufgeklärt...
Übrigens ist mir aufgefallen, dass Jan in diesem Buch quasi kein Tourette hat 😂. Also eigentlich hat er es ja schon, aber ich beschreibe es einfach nicht, weil es irgendwie nicht reinpasst und ich es eh die ganze Zeit vergesse. Ich hoffe, dass es keinen stört! Denkt euch einfach die üblichen Ticks dazu. 😂
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