Bonn liegt nicht auf dem Weg nach Aachen

Als wir endlich auch dran sind, beim Glücksrad, gewinnen wir zwar viele Lose, aber schlussendlich nur ein paar weihnachtliche Süßigkeiten, die sofort in der Gruppe verteilt und vernichtet werden. Der „Kuss" scheint von allen vergessen und nur noch in meinem Kopf umherzuschwirren. Immer wieder ertappe ich mich, wie mein Blick zu Tim wandert und ich mich frage, wie es wäre ihn richtig zu küssen. Dann verpasse ich mir jedes Mal innerlich eine Backpfeife in der Hoffnung mir dadurch diesen Gedanken auszutreiben, weil es nicht passieren wird.

Unsere Gruppe wandert wieder zurück in den Raum mit dem Buffett und einige holen sich neue Getränke. Auch wenn ich wirklich das Bedürfnis habe mir mit ein bisschen mehr Alkohol den Kopf zu vernebeln, damit dieses Karussell endlich aufhört, nippe ich weiter am gleichen Glas, da ich noch keine Ahnung habe, wie ich nach Hause komme, schließlich kann Tim jetzt ziemlich sicher kein Auto mehr fahren.

Der Abend treibt vor sich hin und das Gesprächsthema fällt auf die Weihnachtsfeiertage. Sina erzählt, dass sie wie jedes Jahr mit ihrer Schwester und ihren Eltern nach Österreich in ein Skiresort fahren werden. Die meisten sind bei ihren Familien oder mit ihren Familien irgendwo. Ana, eine der Influencerinnen, die ich über den Abend etwas kennenlernen konnte, erzählt, dass sie mit ihrer Familie in den Süden fliegen wird, weil ihnen das Wetter hier immer viel zu kalt ist. Ich kann ihre Ansicht nicht nachvollziehen und schüttle nur den Kopf. Die niedrigen Temperaturen sind doch gerade das schöne im Winter. Tim schießt sich den meisten in der Gruppe an, dass er die Zeit bei seinen Eltern verbringen wird. In seiner Stimme klingt dabei jedoch wesentlich weniger Vorfreude mit, als bei den anderen, was mich wirklich überrascht. Ich kann mich noch lebhaft an unser Gespräch erinnern, an dem er so von seiner Familie geschwärmt hat und vor allem von seinem Hund. In mir macht sich ein Gefühl von Irgendetwas-stimmt-hier-eindeutig-nicht breit, aber ich gebe mich ihm nicht hin und meine bloß: „Dann siehst du ja Henry wieder!" Sofort scheint er wesentlich entspannter. „Wer ist Henry?", fragt Sina nach. „Mein Hund", antwortet Tim stolz und die beiden verfallen in ein Gespräch.

Die ersten Gäste haben sich bereits im laufe des Abends verabschiedet, als gegen Mitternacht die Weihnachtsfeier langsam ihr Ende findet. „Wie machen wir das jetzt eigentlich?", fragt mich Tim, nachdem wir unsere Gläser geleert haben. „Was?" „Heim kommen. Ich hatte nicht bedacht, dass ich jetzt kein Auto mehr fahren kann." Jetzt verstehe ich, was er meint. „Keine Ahnung, also ich kann von hier aus mit der Bahn fahren, da müsste noch eine kommen." Dass das keine Lösung für ihn ist, weiß ich selbst. „Ihr müsst nach Köln rein? Dann können wir euch auch schnell mit nehmen, wir müssen sowieso einmal durch Köln durch.", bietet plötzlich jemand neben uns an. Als ich mich umdrehe entdecke ich Rezo. Ich möchte gerade dankend sein Angebot annehmen, as Tim anmerkt, dass er nach Bonn müsse. „Da kommen wir leider nicht vorbei, wir müssen nämlich zurück nach Aachen.", entschuldigt Rezo sich, überlegt kurz und schlägt vor: „Warum bleibst du dich Nacht nicht einfach bei Jan?" Dann wendet er sich mir zu: „Du hast doch sicherlich ne Couch auf der er pennen kann?" Ich nicke überrumpelt. Dann meint er zu Tim weiter: „Und dein Auto kannst du dann morgen direkt holen." Für ihn scheint, dass die perfekte Lösung zu sein, aber er weiß auch nicht, dass das Thema Übernachten eine Vorgeschichte hat. Fragend schaut mich Tim an und ich stimme zögerlich zu. Nicht wegen Tim sondern weil Rezo ein bedeutender Infuencer ist, der von mir nichts schlechtes denken soll. Zumindest rede ich mir das fleißig ein als wir gemeinsam durch die Tiefgarage laufen, denn ein kleiner Teil in mir weiß, dass ich es ihm sowieso noch angeboten hätte.

Die Fahrt ist kurz und sie fahren auch direkt weiter, nach dem sie uns abgesetzt haben. Verständlich, schließlich fahren sie noch eine Stunde. Schweigend steigen wir die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Tim verschwindet direkt im Bad, sodass ich erstmal in mein Schlafzimmer gehe. Ich muss etwas schmunzeln, als ich ihm schon wieder Klamotten raussuche. Wenn er noch häufiger spontan übernachten will, sollte er vielleicht mal ein paar seiner Klamotten vorbei bringen. Erst danach fällt mir auf, dass ich eigentlich nicht will, dass er hier öfter übernachtet.

Als ich höre, dass die Badezimmertür wieder entriegelt wird, trete ich ebenfalls in den Flur. „Hier" Ich reiche ihm die Klamotten hin. Dankend nimmt er sie entgegen. Schmunzelnd bleibt auch sein Blick kurz an den Klamotten hängen. „Was ist so lustig?", fordere ich ihn verwirrt auf. Er schreckt hoch. „Ach nichts... irgendwie ein seltsamer Abend, oder?" In meinem Kopf spielt sich der Abend einmal in Zeitraffer ab und natürlich bleibe ich an der Stelle mit dem Mistelzweig hängen. Ich gebe ein zustimmendes Geräusch von mir. Ohne es wirklich zu wollen ergänze ich dann: „Insbesondere die Sache mit dem Mistelzweig war unangenehm." Er lacht leise. „Aber doch nicht wegen unserem Kuss!", empört er sich mit einem ironischen Unterton. Vielleicht auch etwas flirtend. „Ach das war ein Kuss?", piesacke ich ihn im gleichen Tonfall und verkneife mir ein lachen. „Willst du mir etwa sagen ich wäre ein schlechter Küsser?", beschwert er sich amüsiert. Herausfordernd zucke ich mit den Schultern. Er weiß genauso gut wie ich, dass das kein guter Kuss war, was wir da auf der Weihnachtsfeier fabriziert haben.

Ich hebe meinen Kopf, um ihn wieder anzuschauen. Erst als er meinen Blick auffängt, merke ich, dass er näher gekommen sein muss, denn sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt als ich leise antworte: „Belehre mich eines besseren."


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Und damit, meine Freunde, entlasse ich euch in die nächste Woche!

Was wohl als nächstes passiert...

Schönen Sonntag nachmittag euch noch!

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