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Ich sitze auf dem Sofa in meiner Wohnung. Der Ausflug in den Wald hat gut getan, doch mein Magen machte sich mit lautem Brummen bemerkbar, sodass ich beschlossen habe nach Hause zu gehen. Ich habe gegessen, ein Weilchen geschlafen und mich ein wenig frisch gemacht. Nun weiß ich allerdings nicht, was ich machen soll. Ich starre die gegenüberliegende Wand an und frage mich, wieso ich sie in einem so hässlichen Braunton gestrichen habe, der überhaupt nicht zur Farbe des Sofas passt.
Nach einer weiteren Stunde sinnlosen Rumgegammels und noch sinnloseren Fragen bezüglich meiner Inneneinrichtung beschließe ich, noch einmal rauszugehen.
Ich trete vor die Haustür und ziehe sie leise ins Schloss. Es ist kühl. Ein leichter Wind weht. Die Dunkelheit legt sich wie ein schwarzer Schleier über die Stadt und macht mich ganz schläfrig. Meine Füße tragen mich an den Stadtrand. Und ehe ich es realisieren kann, wohin ich laufe, befinde ich mich schon vor einem eisernen Tor. Vorsichtig schiebe ich es auf und betrete den Friedhof, der sich schaurig-schön vor mir ausbreitet.
Das Grab meines Bruders liegt direkt neben dem Eingang. Vorsichtig laufe ich darauf zu, immer darauf bedacht, nicht hinzufallen.
Doch plötzlich knackt es hinter mir. Und schlagartig wird mir klar, wie bescheuert meine Idee war. Nachts auf einem Friedhof.
Allein.
Die Angst lähmt mich, gleichzeitig spanne ich aber alle Muskeln an, bereit um zu rennen. Schon wieder knackt es. Rasch hechte ich hinter den Grabstein und kauere mich dort zusammen. Ich höre Schritte. Dann ein tiefes Brummen. Und schließlich sehe ich den Schein einer Taschenlampe. Vorsichtig wage ich mich ein wenig aus meinem Versteck hervor. Augenblicklich stockt mir das Blut in den Adern. Ein Mann steht auf dem Hauptweg direkt am Tor. Ein schwarzer Mantel umhüllt ihn und macht ihn in dieser Dunkelheit fast unsichtbar. Die Kapuze hängt ihm tief im Gesicht, sodass ich dieses nicht einmal erkennen kann. Ich glaube mein letztes Stündlein hat geschlagen. Wenigstens sterbe ich hier bei meinem Bruder.
Der Fremde spricht mich an. Ich reagiere nicht. Noch immer habe ich die Hoffnung, dass er mich nicht sehen kann. Doch er leuchtet mit der Taschenlampe in meine Richtung und schließlich bin ich im Licht deutlich zu erkennen.
Ich blicke ein letztes Mal in den Sternenhimmel, schicke noch schnell einen Gruß an Bruder und Freund und mache mich darauf gefasst, in der Hölle zu landen.
Der Mann oder die Gestalt, wie auch immer ich dieses Wesen bezeichnen soll, kommt mit schweren Schritten immer näher. Er geht in die Hocke vor mir, legt mir eine Hand auf die Schulter und rüttelt.
Seine tiefe Stimme reißt mich aus meinem Gedanken und katapultiert mich wieder in die Wirklichkeit. Entsetzt schaue ich ihn an und rutsche instinktiv noch ein wenig zurück. Ich spüre die kalte Mauer in meinem Rücken.
Der Fremde zieht sich die Kapuze vom Kopf. Sorgenvoll blickt er mich an und schlagartig beginne ich zu lachen. Ich habe mir fast in die Hosen gemacht, aus Angst vor unserem Friedhofswärter, der sich um einige Gräber kümmert.
Als ich mich wieder beruhigt habe und ihn anschaue, beginnt er leise zu sprechen.
Ich war am Grab deines besten Freundes.
Ich schlucke. Da wollte ich auch nochmal hin.
Schweigend hält er mir die Taschenlampe hin. Ich nehme sie dankend und schleiche die komplette Nacht auf dem Friedhof herum. Ich pendele zwischen dem Grab meines Bruders und dem meines Freundes. Die ganze Nacht. Und ich rede. Mit mir und mit ihnen. Ich erzähle ihnen alles, was mir auf der Seele liegt und weine leise vor mich hin. Langsam fällt die Last von meinen Schultern ab, ich fühle mich befreiter.
Es hat gut getan, mal alles rauszulassen, auch wenn mir keiner der beiden geantwortet hat. Es war wie eine kleine Therapie für mich.
|N wie Notwendig|
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