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Die Sonne scheint mit voller Kraft. Fröhlich lacht sie zu mir herunter. Ich bruzle in meinem schwarzen T-Shirt wie ein Würstchen auf dem Grill. Schweiß bildet sich auf meiner Stirn und ich fahre mir ruckartig mit dem Arm darüber. Mein Atem geht hektisch und ich keuche. Selbst durch die Musik in meinen Ohren kann ich das Schnaufen hören. Ich war schon so lange nicht mehr Joggen, dass mir die Runde viel länger vorkommt. Meine Beine protestieren bereits gegen die Anstrengung und werden langsam schwer.
Durchhalten. Du musst durchhalten.
Ich biege in einen kleinen Weg ein, der aus der Stadt hinaus führt. Normalerweise begegne ich hier kaum jemanden. Wer sich nach etwas Grün in dieser tristen Welt sehnt, der tummelt sich im Park mit vielen anderen auf einer Wiese und versucht verzweifelt in Ruhe ein Buch zu lesen, ohne sich von den laut quatschenden Leuten nebenan stören zu lassen. Mir persönlich gelingt das überhaupt nicht. Da drehe ich lieber hier meine Runden. Joggen ist zwar anstrengender als faul in der Wiese zu liegen, aber ich bin allein und mache sogar etwas für meine Fitness.
In meinen Ohren singt Daniel O'Donoghue die letzten Töne und 'No Good In Goodbye' verklingt leise. Während ich weiter laufe, zücke ich mein Handy und tippe auf das Display, um einen neuen Song abzuspielen. Doch bevor ich auf 'Play' drücken kann, stoße ich frontal mit jemandem zusammen. Ich lande mit einem erschrockenen Keuchen auf dem Boden. Gleichzeitig vernehme ich einen kurzen Aufschrei und anschließend ein Fluchen. Ich richte den Blick nach vorn und sehe vor mir eine junge Frau, die sich den Ellenbogen reibt. Schnell stehe ich auf und strecke ihr meine Hand entgegen. Sie lässt sich von mir nach oben ziehen und klopft sich den Dreck von der Hose. Auf meine Frage ob alles okay sei, nickt sie lächelnd. Noch immer starre ich fasziniert auf ihre Lippen, die sich erneut zu einem Grinsen verziehen. Mein Blick wandert über ihre kleine Nase bis zu ihren Augen, die mich regelrecht anstrahlen. Das dunkle Braun beruhigt meinen Puls und ich erhole mich von unserem Zusammenstoß.
Verlegen schaut sie zu Boden. Ich bedauere, ihre Augen nicht mehr sehen zu können. Ich möchte, dass ihr Blick wieder mir und nicht dem staubigen Boden gilt. Und doch habe ich zu wenig Mut, um ein Gespräch zu beginnen.
Rasch hebe ich mein Handy auf, flüstere ein Tschüss und jogge davon. Ich spüre ihren Blick im Nacken und gebe mir Mühe, möglichst normal zu laufen. Sie soll nicht denken, ich würde schlagartig die Flucht ergreifen, weil sie mir unsympathisch sei. Nein, im Gegenteil. Sie ist mir mehr als sympathisch. Ihre Augen sprühen vor Energie, ihr Lächeln ist einfach bezaubernd und ihre kleine Stupsnase ist wirklich süß. Warum habe ich nicht versucht mich mit ihr zu unterhalten? Wieso bin ich einfach davon gerannt?
Weil du ein Angsthase bist.
Stimmt leider. Ich habe Angst vor Enttäuschungen. Ich würde es nicht ertragen, wenn sie mich abweist.
Und du willst ein Kerl sein?!
Ich schüttle den Kopf und ziehe mein Handy hervor. Musik ist meine Rettung. Und ich summe gedanklich schon das nächste Lied, als ich bemerke, dass meine Kopfhörer weg sind. Mist. Die habe ich bestimmt fallen gelassen und nun liegen sie hier irgendwo rum. Ruckartig halte ich an und drehe mich um. Meine Augen vergrößern sich als ich ein paar Meter vor mir, die junge Joggerin erkenne, mit der ich zusammengestoßen bin. Wie hypnotisiert bleibe ich stehen und beobachte sie. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.
Sie kommt vor mir zum Stehen und lächelt mich ehrlich an.
"Du hättest mir ja auch ein wenig entgegen kommen können.", meint sie und hält mir die Kopfhörer hin.
Dankbar nickend nehme ich sie entgegen.
"Ich ... also ... ähm.", mein Hals fühlt sich trocken an. Ich bringe keinen Satz zustande und kratze mich mit hochrotem Kopf peinlich berührt im Nacken.
Ihr Lachen klingt hell und ehrlich. Es wärmt mein Herz. Und wenig später muss ich auch einstimmen. Ich weiß zwar nicht genau, worüber sie lacht und was so witzig war, aber ich kann mich einfach nicht mehr halten.
Und in diesem Moment begreife ich, was mir all die Jahre gefehlt hat und mich plötzlich wieder vollends ausfüllt.
Meine Lebensfreude.
|E wie Endlich|
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