Raue Schönheit
Etwas unwirsch rückte Marlena noch etwas dichter an Alonvys warmen Körper und zog sich ihren gefütterten Reiseumhang noch etwas fester um die Schultern. Der Blick der jungen Drachenreiterin war auf die Tasse mit heißem Tee gerichtet die sie in Händen hielt. So intensiv blickte die junge Frau in das Kräutergebräu, als könnte sie die Flüssigkeit durch eine Willenskraft dazu überzeugen einen Teil ihrer Wärme an Marlenas ausgekühlten Körper ab zu geben.
Die Gruppe war inzwischen weiter in den Norden vorgestoßen als Marlena es in ihrem Leben je gewesen war. Die anfängliche Neugier der jungen Drachenreiterin war aber in Enttäuschung umgeschlagen. Die Landschaft bestand aus einer gleichförmigen Ebene die so weit reichte die das Auge sehen konnte. Karge Felsen die nur mit einer dünnen schicht Erde spärlich bedeckt waren bildeten zusammen mit einigen rubusten Flechten und Sträuchern alles was zu sehen gab. Dazu kam die Kälte, die einem regelrecht durch Mark und Bein ging. Immer öfter gab es kleine Schneeschauer und Marlena hat inzwischen das Gefühl, dass weder die Wärme die ihrer Drachendame abstrahlte noch das Lagerfeuer welches die Reisenden entzündet hatten die steife Kälte aus ihren Gliedern wieder vertreiben konnte.
Als eine weitere kalte Windböe heran heulte versuchte Marlena abermals dichter an den warmen Körper ihrer Drachendame heran zu rutschen. Alonvy kommentierte das nur mit einem wohlwollenden Summen.
"Du magst wohl keine Kälte oder?"
Marlena hob den Blick von ihrer Teetasse und erkannte, dass Keanai sie über das Lagerfeuer hinweg beobachtet hatte. Irucan hatte sich neben seinem Reiter eingerollt und ließ sich kraulen. Dorn und Lenjara waren zu Jagd aufgebrochen und Murtagh absolvierte gerade einen Übungskampf mit Ajescha. Daher waren die beiden jungen Reiter unter sich.
"Es ist weniger Kälte die mir aufs Gemüt schlägt. Es ist die Stille."
Keanais leicht verständnisloser Blick amüsierte die junge Halbling.
"Du weißt, das ich sehr viel elfisches Blut in mir habe. Jedes Lebewesen, jede Pflanze, jedes Tier nehmen wir geistig war. Du wirst das auch noch lernen. Die Elfen nennen es das Lied des Lebens. Es ist anders an jedem Ort auf der Welt. Nirgends wird man zweimal dieselbe Melodie finden. Meine Mutter hat immer gesagt, dass ich ein besonderes Talent dafür habe dieses Lied zu hören. Hier ist es so leise. Es gibt hier so wenig Pflanzen, so wenig Leben."
"Der Norden ist eine raue, lebensfeindliche Welt aber das bedeutet nicht, dass er nicht auch seine schönen Seiten hat." Keanais Blick glitt kurz zum sich langsam verdunkeln den Himmel und irgend etwas schien ihn in Vorfreude zu versetzen. Der junge Mann erhob sich, die um das Lagerfeuer rum und streckte Marlena eine Hand hin.
"Lass mich dir eine dieser schönen Seiten zeigen."
Doch während die junge Halbling zögerte und überlegte tapste Irucan um seinen Reiter herum und warf diesem einen tadelnden Blick zu. Offenbar war der dunkelblaue Jungdrachen überhaupt nicht begeistert davon, dass es mit seinen Streicheleinheiten zu Ende sein sollte. Beleidigt kuschelte er sich zwischen Alonvys Vorderbeine und rollte sich dort zusammen.
Die Weise Drachendame schickte ihrer Reiterin einen aufmunternden Gedanken und erklärte, dass sie sich um den jungen Artgenossen kümmern würde.
Noch immer etwas unsicher akzeptierte bei dem er die ihr angebotene Hand und folgte Keanai zu einer kleinen Anhöhe. Immer noch hatte der junge Mann aufgeregt sein Blick auf den Himmel gerichtet als würde er erwarten, dort jeden Augenblick etwas zu sehen.
"Du hast schon recht." Sagte er nach einigen Augenblicken. "Der Norden ist blau und man muss die Schönheit suchen. Aber wenn man sie findet dann ist jede kleine Blume, jede Pflanze wie ein kleines Wunder. Ich finde, dass man hier das wenige viel mehr zu schätzen lernt als in einem Wald, der vor Leben explodiert. Diese Melodie des Lebens von der du sprichst mag hier leiser sein aber laut stärker ist doch nicht alles was die Schönheit eines Lebens ausmacht oder?"
Inzwischen hatten Marlena und Keanai die Spitze der Anhöhe erreicht und die junge Halbling wandte sich ihre Begleiter zu: "Da hast du natürlich recht. Vielleicht habe ich alles einfach aus einem falschen Blickwinkel betrachtet. Ich sollte mehr auf die einzelnen Klänge eingehen und nicht nur das große Ganze sehen."
"Vielleicht." Keanai grinste und trat hinter Marlena. An den Schultern drehte er die junge Halbling etwas zur Seite und deutete auf den sich verdunkeln den Himmel. "Der Norden mag rau sein aber die Schönheiten die er zu bieten hat sind umso eindrucksvoller."
Marlena wollte gerade Fragen was Keanai eigentlich zeigen wollte als ein Schauspiel begann welches die junge Halbling noch nie gesehen hatte. Langsam wandelte sich der Himmel. In weichem, fließenden Wellen schienen alle Farben des Regenbogens in der Dunkelheit aufzublühen. Es war als hätte sich der Himmel in einen Ozean des Lichts verwandelt, der von zärtlichen Winden vorangetrieben, in ständigem Wandel begriffen war.
Marlena wollte sich zu Keanai umdrehen und ihn Fragen was sich da vor ihren Augen abspielte doch der Anblick machte sie einfach sprachlos. Der andere Drachenreiter verstand aber auch so was sie zu erfahren hoffte.
"Wir nennen sie die Lichter des Nordens." flüsterte er der immer noch andächtig staunenden Marlena zu. "Es gibt sie nur hier bei uns im Norden und nur zu einer bestimmten Jahreszeit. Du weißt doch, dass ein Kompass immer nach Norden zeigt. Das hat nur irgend etwas mit Magnetismus zu tun. Meine Mutter glaubt das auch diese Lichter irgendwie mit diesem Phänomen zusammenhängen. Ich gebe zu, dass mir das eigentlich egal ist. Ich finde es einfach nur ein überwältigender Anblick."
Sprachlos nickte Marlena und ließ ihren Blick durch den Ozean aus Farben wandern. Der spektakuläre Anblick wurde noch veredelt durch Dorn und Lenjara die von ihrer Jagd zurückkehrten und durch das unbeschreiblich zarte Gespinst aus Farbe und Licht flogen. Der Glanz ihrer Schuppen, die Anmut ihrer Bewegungen und die Lichter des Nordens ergänzten sich nun zu einem Anblick, der jedem Wesen den Atem raubte.
"Wunderschön." brachte die junge Halbling gerade noch hervor.
"Genau wie du."
Diese geflüsterten Worte von Keanai brachten die junge Reiterin dazu sich zu dem jungen Mann umzudrehen. Überrascht stellte sie fest, dass der andere Drachenreiter offenbar alles Interesse an dem verloren hatte was sich am Himmel über ihnen abspielte. Auch für Marlena rückte das Naturschauspiel in den Hintergrund. Viel fesselnder kam ihr auf einmal der Glanz in den Augen des jungen Mannes vor der sanft einen Arm um ihre Hüften legte und sie näher zu sich heranzog. Plötzlich war die Kälte des Nordens bedeutungslos und lediglich die Wärme, die von Keanai ausging hatte für Marlena noch Bedeutung.
Der Kopf der jungen Halbling war völlig leer und es war ihr unmöglich zu entscheiden welchen der Gefühle in ihr tobten sie nachgeben sollte. Sie begriff nicht was vor sich ging doch etwas tief in ihrem Körper trieb sie weiter und sagte ihr, dass der sanfte Kuss den Keanai ihr nun auf die Lippen hauchte mich zwar wogegen sie sich wehren sollte. Vielmehr spornte eine innere Stimme sie dazu an die Arme um Keneis Hals zu legen und die sanfte Liebkosungen seiner Lippen mit ihren eigenen zu erwiedern.
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