Porzulum
Fasziniert betrachtete Marlena von Alonvys Rücken aus das Silbertal. Auch die weiße Drachendame schien den Anblick der unzähligen Wasserfälle zu genießen. Sie hielt sich mit kräftigen Flügelschlägen in der Schwebe und ließ auch ihren Reitern Zeit den Anblick ganz in sich aufzunehmen.
"Ein bemerkenswerter Anblick Atalet." sagte Marlena schließlich als sie ihre Sprache wieder fand.
"Aus dieser Perspektive schon." erklärte der Zwerg, der vor der jungen Halbling im Sattel saß. "Ich kann mich bei eurer Drachendame nur bedanken dass sie ihn mir ermöglicht."
Alonvy schnaubte geschmeichelt und bat Marlena ihre Dankbarkeit zu übermitteln. Gleichzeitig wollte sie aber auch wissen ob dem Zwergenprister ein sicherer Lagerplatz im Silbertal bekannt wäre. Die Sonne stand bereits tief im Westen und es war an der Zeit ein Nachtlager aufzuschlagen. Marlena leitete die Frage pflichtbewusst weiter und konnte ihrer Drachendame nur Recht geben. So beeindruckend die Schwaden des Aufgewirbeltenwassers auch sein mochten, sie verdeckten völlig den Boden des Tals.
"Am Boden dieses Tals werdet ihr keinen sicheren Lagerplatz finden." erklärte Atalet. "Ich eure geehrte Drachendame bitten den Flug noch etwa 1 h in westlicher Richtung fortzusetzen. Wir werden dann auf der rechten Seite ein Felsplateau erreichen welches zwischen zwei Wasserfällen liegt. Dort haben wir Knurlan einen unterstand für Reisende errichtet und auch einiges an Brennholz eingelagert. Es dürfte der sicherste Ort für uns sein um zu rasten."
Alonvy schnaubte zustimmend und nahm den Flug nach Westen wieder auf. Kyra und Svenaja folgten ihr.
"Warum werden wir am Boden dieses Tals keine geeigneten Lagerplätze finden?" erkundigte sich Marlena. "Ihr scheint der Meinung zu sein, dass dieses Tal keine besonders gastlicher Ort ist. Es war von Sümpfen die Rede in der Konferenz mit König Orik und gerade habt ihr gesagt, dass es nur aus dieser Perspektive ein beeindruckender Anblick wäre. Ich würde gern mehr über diesen Ort erfahren wenn es sich nicht um ein Geheimnis eures Volkes an."
"Eta, Eta Silberhand." beruhigte Atalet. "Ich werde eure Frage gern beantworten."
Schnell räckte Marlena ihren Geist zu Svenaja und Kyra herüber und übertrug ihre Unterhaltung mit dem Zwerg an ihre Schülerinnen. Zweifellos war dies eine interessante Möglichkeit etwas über das Wesen und das gesellschaftliche Leben der Zwerge zu erfahren.
"Nun," hob Atalet an der einige Augenblicke seine Gedanken gesammelt hatte. "Ihr habt sicherlich schon durchschaut warum man diesen Ort das Silbertal wenn. Der Glanz des herabstürzenden Wassers und des Nebels sind der Grund warum man diesen Namen wählte. Leider ist, wie ihr schon richtig gesagt habt das Tal selbst keine besonders gastlicher Ort. Es ist nur eine recht schmale Schlucht und all dies Wasser kann nirgendwo im Boden versickern da die Umstehenden Berge dies mit ihrer massiven Gestein verhindern. Wenn ihr durch den Nebel fliegen würdet, würde die eine sehr unwirklichen Landschaft vor euch sehen. Auf diesem feuchten Boden gedeihen nur einige Moose und Pilze. Außerdem ist der ganze Untergrund sehr aufgeweicht und locker. Eurer Drachendame landen, würde sie selbst an der gangbarste Stelle des Tals vermutlich bis zum Bauch einsinken. Lange war es uns ein Rätsel warum das ganze Wasser nicht längst alle erde fort gewaschen hat und nur den massiven Steinen zurückgelassen hat. Der Grund ist, dass alle Flüsse und auch das Schmelzwasser welches hier über die Klippen stürzt immer etwas Sand und fort gewaschene Erde mit sich führt. Auch ist ja bekannt, dass ein steter Tropfen selbst Stein zu höhlen vermag. Der Stein verschwindet ja nicht einfach auch er wird vom Wasser fort getragen. Da gibt es noch kalt und andere Substanzen wie die Flüsse alle hier ablagern. Im Grunde ist das ganze Tal eine einzige riesige Schlammgrube die sich aus den unterschiedlichsten Substanzen zusammensetzt. Es gibt Gerüchte, dass manche Bereiche des Tals so bodenlos sind, dass ein falscher Schritt genügt und man versinkt innerhalb von Sekunden in den unergründlichen Tiefen des Morasts. Und selbst wenn er eine Stelle finden würdet, wo der Boden euch trägt, so wird ihr schon nach wenigen Minuten völlig durchnässt. Der Nebel unter uns ist schließlich nichts anderes als aufgewirbeltes Wasser."
"Das klingt wirklich nicht besonders einladend." murmelte Marlena. "Warum habt ihr dann überhaupt einen Unterstand in dieser unwirklichen Gegend errichtet?"
"Und halt nicht zu schnell Silberhand. Sicher, der Ort ist nicht besonders gastlicher und ich würde auch nicht leben wollen aber es gibt durchaus Gründe für Knurlan hierher zu kommen. Viele Schätze die die Götter in den Tiefen der Berge versteckt haben hinterlassen ihre Spuren in diesem Schwemmgut. Indem man den Boden untersucht und heraus findet welcher Fluss die Erde angeschwemmt hat wurde so mancher Schatz der in den Tiefen der Erde verborgen war aufgespürt. Außerdem setzt sich der Schlamm in den verschiedenen Abschnitten des Tals anders zusammen. In bestimmten Bereichen enthält er Substanzen, die wenn man sie richtig einsetzt einen einzigartigen Mörtel ergeben. Wir nennen diese Substanz Porzelum. Sie kommt eigentlich nur in der Nähe von Vulkanen vor und aus verständlichen Gründen meiden wir natürlich die Nähe zu feuerspeihenden Bergen. Hier jedoch spült das Wasser das Porzulum von den Bergen herunter und wir können es abbauen. Ohne diesen Mörtel wäre es uns wohl nie gelungen Tronjheim zu errichten."
Durch die geistige Verbindung erkundigte sich Svenaja was das Besondere an diesem Mörtel sei und auch Marlena war daran interessiert zu erfahren was ihn so einzigartig machte. Bereitwillig gab Atalet Auskunft:
"Nun, das Pozulum die dem Mörtel eine besondere Festigkeit und Resistenz. Besonders gegen Wasser ist er nahezu unempfindlich."
"Das macht Sinn." betonte Marlena. "In vielen Teilen des Königreiches der Menschen ist die wasserlöslichkeit des Kalk-Mörtels ein großes Problem. Man muss die Gebäude ständig ausbessern bei mit der Zeit mehr und mehr des Mörtels fort gewaschen wird."
"Oeí!" sagte Atalet."Genau das ist es was unsere Mörtel so einzigartig macht. Er ist fest, wenn er getrocknet ist nicht mehr wasserlöslich und trotzdem leicht. In der Zeit vor der Herrschaft des dunklen Koenigs Galbatorix war der Porzulum-Mörtel eines unserer wertvollsten Handelsgüter. Ursprünglich verkauften wir in nur an das Volk der Elfen. Zwar zieht das spitzohrigen Volk eurer Mutter es vor sich seine Häuser aus Bäumen zu singen aber es gibt Regionen in Alagaesia einfach nicht genug Bäume gibt um Städte zu errichten. Die beeindruckenste Stadt die Zwerge und Elfen gemeinsam errichtet haben war Ilirea. Ihr wisst ja, dass die heutige Hauptstadt der Menschen einst von den Elfen errichtet worden ist und stets ein Zentrum für Diplomatie war. Daran hat sich auch nichts geändert als die Elfen die Stadt schließlichaufgaben und die Menschen sie besiedelten. Die Drachenreiter hatten dort einen ihrer wichtigsten Stützpunkte und vier unterstützt sie dabei die Stadt den Bedürfnissen der Sculblaka anzupassen. Auch bei der Errichtung der einzigartigen Gebäude auf Vroengard kam unser Porzulum-Mörtel zum Einsatz. Unser damaliger König wollte gegenüber den Reitern ein Zeichen der Freundschaft setzen. Wir wollten zwar zu dieser Zeit nicht Teil des Paktes sein und waren den Reitern dankbar wenn sie sich aus unseren Angelegenheiten heraus hielten aber als Feinde wollten wir sie auch nicht haben. Unser damaliger König erkannte durchaus, welche Vorteile eine gesunde diplomatische Beziehung zu Orden hatte. Natürlich ist es nicht allein der Mörtel, der unsere Kunstfertigkeit ausmacht wenn es um das Bauen geht aber er ist ein wesentlicher Eckpfeiler. Seit Ende des großen Krieges beraten wir noch darüber ob der Porzulum- Mörtel wieder Teil unseres Handels werden soll."
"Aber der Krieg gegen Galbatorix liegt doch bereits Jahrzehnte zurück." wunderte sich Marlena. Immerhin hatten ihre Eltern den dunklen Tyrannen gestürzt lange bevor sie geboren wurde.
Atalet lachte nur verständnisvoll.
"Sicher, der Krieg ist lange vorbei aber wir Zwerge erinnern uns noch gut an den Aufstieg von Galbatorix. Er brachte innerhalb von einigen Monaten eine Ordnung zu Fall, die vorher Jahrhunderte bestanden hatte. Dieser Eindruck haftet bei uns immer noch tief. Versteht mich nicht falsch Silberhand. Euer Vater und auch eure Mutter haben Großes geleistet Seite Krieg zu Ende ist aber manche Wunden brauchen ihre Zeit um zu heilen. Wir wollten zunächst einfach sicher sein, dass die Verhältnisse stabil sind. Wie gesagt, der Mörtel ist einer der Eckpfeiler unserer Baukunst. Wir sind die einzigen, die ihn herstellen können und wollten uns nicht zum Ziel machen, falls sich der Frieden als trügerisch erwiesen hätte. Wenn ihr die Geschichte nach dem Krieg studiert hab Marlena, dann wisst ihr, dass es zunächst recht stürmische Zeiten gegeben hat als das Imperium fiel. Der Fahrrad dieses Narren Orrin, Shruikans Angriff und auch eure Mutter hat ihren Teil dazu beigetragen."
Marlena blinzelte überrascht.
"Ich hoffe Ihr vergebt ihr meine Offenheit aber ihre Entscheidung sich zur Königin ihres Volkes zu krönen obwohl ihr das Schicksal mit ihren Drachen einen anderen Weg vorbestimmt hatte wurde von vielen Knurlan nicht gut aufgenommen. Euer Vater hat auch nicht offen verkündet, dass die Drachenreiterin Arya nicht Teil des neuen Ältestenrates der Reiter werden würde. Das alles hat zu einiger Verstimmung in unserem Volk geführt. Es ist allein der Geduld von König Orik zu verdanken, dass sich die Lage nicht noch mehr zugespitzt hat. Einige Clanoberhäupter haben, wie ich finde zurecht, die Frage gestellt ob man diesen neun Drachenreiter überhaupt vertrauen kann. Die Elfen hatten unglaublich viel Einfluss. Selbst wenn eure Mutter nur eine Stimme in einem Rat geworden wäre so hätte sie doch eine Stimme gehabt die immer mehr Gewicht gehabt hätte als die der anderen Ratsmitglieder. Schließlich hatte sie das Recht für ein ganzes Volk zu sprechen. Letztlich hat eure Mutter der die richtige Entscheidung getroffen und ist dem Weg gefolgt den das Schicksal besiegt vorgezeichnet hatte. Heute betrachten wir ihre Zeit als Königin als ein Ergebnis der allgemeinen Verunsicherung die nach dem Krieg um sich gegriffen hat. Wir hegen auch keinen Groll mehr gegen eure Mutter. Ihr Verhalten hat längst gezeigt, dass sie eine weise und ehrenhaft Frau ist, die lediglich von dem Wunsch getrieben war ihrem Volk zu dienen. Trotzdem treffen wir Zwerge wichtige Entscheidungen niemals übereilt. Wir entstammen nun einmal dem Stein. Wir sind geduldig."
"Das verstehe ich natürlich. Ich bin aber sicher meine Mutter wird alles tun um eure Sorgen zu zerstreuen sollte sie immer noch eine Rolle in eurem Zögern spielen."
"Eta, das tut sie nicht." beschwichtigte Atalet. "Auch wenn wir Priester es manchmal etwas schwer mit ihr haben, so respektieren wir sie doch. Im wesentlichen wollen wir nur beobachten ob, gerade nach dem plötzlichen Tod von Königin Nasuada der 1., dass Reich der Menschen stabil bleibt. Ich gehe davon aus dass wir innerhalb der nächsten Jahre zu einer Entscheidung gelangen werden.Oh! Dort drüben ist der Unterstand."
Marlena blickte in die Richtung in die Atalet wies und erkannte dem scheidenden Licht des Tages tatsächlich eine einfache aber solide Hütte, die zwischen zwei Wasserfällen auf einem Felsplateau stand. Der Anblick erleichterte die junge Halbling. Die Nacht würde wohl erholsamer sein als die Mittagsrast gewesen war.
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