Etwas Altes Teil 4
"Du hast in der Tat einen Fehler gemacht als du Morzan und Galbatorix unterstützt hast." sagte Murtagh.
Ajeschas atmete tief durch und Marlena hatte den Eindruck, dass sich durch Murtaghs Äußerung ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt hätten.
"Ich sage ja es ist alles meine Schuld."
"Falsch!" unterbrach Murtagh die andere Drachenreiterin mit energischer aber sanfter Stimme. "Glaub mir eins Ajescha: Ich habe Erfahrungen damit was es bedeutet alte Schulden mit sich herumzutragen. Ich konnte zwar meinem Bruder Eragon in einem entscheidenden Moment des großen Krieges helfen aber zuvor Galbatorix mich mit meinem wahren Namen und Schnüren in der alten Sprache gezwungen ihm zu dienen. Während des Krieges und lange danach habe ich mich ständig gefragt was gewesen wäre wenn! Wenn ich den damaligen Anführer der Varden nicht begleitet und die Zwillinge, zwei verräterische Magier in Diensten des dunklen Königs, mich nicht entführt hätten. Inzwischen sind jedoch einige Sommer vergangenen und mir ist klar geworden, dass es nur eine Antwort auf die Frage gibt was gewesen wäre wenn. Die Antwort lautet: Es wäre anders gewesen. Das ist die einzige Aussage, die sich treffen lässt. Niemand kann sagen ob es besser oder schlechter gewesen wäre. Dasselbe gilt auch für dich Ajescha. Wenn du dich anders entschieden hättest, wäre es vielleicht möglich, dass du deinen Lehrmeister gewarnt hatte und was dann? Hatte er Morzan und Galbatorix besiegen können? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wirst Du auch unmittelbar von Morzan getötet worden um zu verhindern, dass du etwas verrätst. Galbatorix wahnsinnig gewesen sein aber er war auch klug. Glaubst du wirklich er und Morzan hätten ein Nein von dir einfach akzeptiert und sich ziehen lassen? Wahrscheinlich hätten sie dich getötet und es aussehen lassen als wärst du bei einem Angriff von Urgals oder Ra zac ums Leben gekommen. Sag mir, wenn du gestorben wärst damals, wäre beispielsweise dein Sohn Keanai nie geboren worden und Irucan hatte vielleicht nie sein Ei verlassen weil es irgendwo in der Wildnis verloren gegangen wäre. Es gibt nun endlich viele Möglichkeiten was geschehen wäre wenn du anders gehandelt hättest. Es ist absolut unmöglich vorher zusagen ob es besser, schlechter oder genauso verlaufen wäre. Vielleicht wäre der Unterschied so verschwindend gering gewesen das es niemand bemerkt hatte. Ob man dich für das was du getan hast zur Verantwortung ziehen kannst leitet sich daraus ab wie viel du vorhersehen konntest und die Antwort lautet: Du hättest unmöglich vorhersehen können wie weit Galbatorix Verrat reichen würde. Außerdem muss man mit einbeziehen, dass du gerade mal 12 oder 13 Sommer alt warst und sehr unerfahren. Das hat mein Vater und sein wahnsinniger Meister mit Sicherheit ausgenutzt. Du hast einen Fehler gemacht als du Morzan und Galbatorix geglaubt hast, das ist wahr! Doch es ist falsch von dir die Schuld ihre Verbrechen auf dich zu laden. Darin waren alle Wyrdfel, jeder einzelne der 13 Verräter Meister. Von Galbatorix waren die Varden daran schuld, dass er seine Versprechen auf Reichtum und Wohlstand nicht einlösen konnte. Das ist nicht wahr! Er war die Quelle des Übels und der Korruption im Reich herrschte. Ich habe mein Leben lange Zeit mit einer Frau geteilt, die vorgelebt hat, dass es für einen Herrscher bessere Wege gibt! Du hast einen Fehler gemacht. Lerne jetzt daraus, dass man sein Gegenüber nach dem beurteilen muss was dieser jemand tut und nicht nach dem er sich gibt und gesehen werden möchte aber wenn du diese Lektion für dich begriffen hast, löse dich von der Vergangenheit unkonzentriert ich auf die Zukunft. Ich sehe ein, dass es für dich zunächst keine andere Möglichkeit gab als Flucht. Du weißt jung und nicht ausgebildet aber wenn du beispielsweise zu den Elfen geflogen wärst hättest du dort deiner Ausbildung fortsetzen können und wärst eine wertvolle Hilfe im Kampf gegen Galbatorix geworden. Die Schatten der Vergangenheit dürfen dich nicht davon abhalten zu tun was in der Gegenwart nötig ist."
- "Das siehst du es!" - Lenjara blickte Mutter kurz mit tiefer Dankbarkeit an und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Reiterin. - "In all den Jahren habe ich dir immer gesagt, dass du dir zu große Schuld an dem gibst was über das Land gekommen ist. Jetzt hast Du von einem anderen Drachenreiter gehört, dass deine Schuld nicht so groß ist wie du glaubst. Der Reiter von Dorn hat völlig recht! Wenn du Morzan damals nicht zugestimmt hättest, was hatte er wohl getan? Ich sage es dir, das was er getan hat als wir sein wahres Gesicht erkannt haben. Als er nach dem Massaker von Junturheim zurückgekehrt sind und von den ermordeten wilden Drachen zu berichten die wir im Umkreis entdeckt haben" -
Durch ihre Aufregung wurde die Stimme der kupferfarbenen Drachendame immer intensivere. In den Strom ihrer Gedanken mischten sich jetzt auch Bilder. Alle Anwesenden sahen durch die Augen Lenjaras die Vergangenheit. Von einer Felsenklippe aus beobachteten Lenjara und die damals noch wesentlich jüngere Ajescha den brennenden Ort, den man heute die Stadt der Toten nannte. Dann bebte die Erde und ein roter Drache, der durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zu Dorn aufwies landete neben den Seelenschwestern. Ein dunkelhaarige Amman stieg von seinem Rücken! Deutlich konnte man die unterschiedlichen Farben seine Augen erkennen. Wie die Wogen eines aufgepeitschten Meeres spürten Marlena Murtagh und die anderen Zuschauer Ajeschas unglauber und Verzweiflung, sie hörten Morzans grausames Lachen und seine Worte.....
...... Galbatorix und ich haben jetzt keine Zeit mehr uns mit Kindern zu beschäftigen! Du bist mir schon lange lästig ......
Dann ein scharfer Schmerz als der verräterische Drachenreiter Ajescha sein blutrotes Schwert in den Körper rammte, dort wo sie nun ihre Nabe trug. Anschließend warf er das tödlich getroffenen Mädchen einfach von der Felsklippe in die Tiefe. Lenjaras Angst um ihre Reiterin flammte auf so plötzlich wie die Blitze eines Gewitters. Die Drachendame sprang von dem Plateau und versuchte ihre Reiterin aufzufangen. Es gelang ihr gerade so doch retten konnte sie ihre Seelenschwestern nur in dem sie die uralte Magie ihres Volkes entfesselte. Die Wunde war so tief und so gefährlich, dass es Lenjara einen Großteil ihrer Kraft kostete ihre Reiterin zu retten. So sehr geriet die Lebensflamme der beiden ins flackern, das Morzan der Meinung war, er hätte das Mädchen und die halbwüchsige Drachendame getötet.
Langsam beruhigte sich die aufgewülten Gedanken Lenjaras und aus Bildern und Eindrücken wurden wieder Worte.
- "Als wir dann wieder zu uns gekommen sind habe ich Ajescha überredet, dass wir uns nach Westen wenden sollten. Etwa einen Tagesflug von dem was ihr jetzt die Stadt der Toten nennt war eine kleine Siedlung. Sie war nicht besonders groß nur einige Bergarbeiter und ihre Familien lebten dort. In dem Gestein an dessen Fuß sie ihre Häuser errichtet hatten gab es das, was ihr Zweibeiner Kohle nennt. Diese kleine Siedlung versorgte Junturheim mit diesem Brennmaterial. Wir wussten, dass ein Magier dort lebte, und über die Sicherheit und Gesundheit der Bergleute wachte. Mit seiner Hilfe haben wir gehofft den Orden kontaktieren zu können." -
"Aber wir haben diese Siedlung zu spät erreicht." setzte Ajescha die Ausführungen ihrer Drachendame fort. "Als wir dort ankam war nicht nur der Magier sondern alle Männer und Frauen der Siedlung Tod. Seltsamerweise hatten nur die Kinder überlebt. Kein Knabe und kein Mädchen das älter als 15 Sommer war atmete noch. Die Kinder waren völlig verängstigt und erzählten mir, dass eine Gruppe von Drachenreitern in einiger Entfernung vorbei geflogen wäre. Einer der Reiter, sein Drache war groß und schwarz, aber die Formation verlassen und sei einmal über die Siedlung hinweg geflogen. Als sein Drache wieder ab wehte sein aller Erwachsenen einfach tot umgefallen."
"Galbatorix." murmelte Murtagh und schüttelte den Kopf. "Ich weiß warum nur die Kinder verschont geblieben sind. Ein Zauber ist auch immer abhängig von der Wahrnehmung des Wesens das ihn ausspricht. Ich vermute das Galbatorix eines der Todesworte mit dem Befehl verknüpft hat, dass alle Menschen in diesem Dorf sterben sollten. Die Kinder haben deshalb überlebt bei Galbatorix noch nie viel für Kinder übrig hatte. Vor der letzten Schlacht des großen Krieges befahl er mir zwei Kinder aus der Hauptstadt zu ihm zubringen die er als lebendige Schutzschilde gegen den Angriff meines Bruders einsetzen wollte. Ich fragte ihn warum es ausgerechnet Kinder sein müssten. Er sagte, weil Kinder nichts wertvolles sein. Man könne immer neuer haben und vollwertige Menschen wären sie ja noch gar nicht. Ihr Geist wäre unterentwickelt, sie seien schwach und abhängig von ihren Eltern. Ich glaube gerade dieser letzte Punkt war es, was ihn an Kindern so zuwider war. Er hasste es abhängig zu sein und Kinder waren für ihn der Inbegriff von Abhängigkeit gegenüber einer anderen Person, nämlich den Eltern."
"Ich verstehe." flüsterte Marlena obwohl ihr die Erkenntnis die sich ihr aufdrängte schlicht und einfach ekelhaft vorkam. "Wenn Galbatorix über einen Zauber befohlen hat dass alle Menschen sterben sollten und Kinder in seinen Augen gar keine wirkliche Menschen waren ab der Todeszauber sieht deshalb verschont."
"Wir haben lange versucht das Rätsel zu lösen warum nur Kinder überlebt haben." gestand Ajescha. "Eure Erklärung erscheint mir zwar abstoßend aber logisch Argetlan Marlena. Es tut mir leid, dass mein Sohn und ich euch angegriffen haben. Im Grunde hatte ich wissen müssen, dass ihr nicht Morzan sein könnt Meister Murtagh."
Marlena konnte förmlich sehen wie es dem anderen Drachenreiter unbehaglich war mit Meister angesprochen zu werden. Die meisten vollwertige Mitglieder des Ordens hatten inzwischen schon einen oder zwei Schüler ausgebildet. Murtagh war die Ausnahme. Zwar hatte er immer lapidar behauptet, dass er an der Magierakademie genug lernwillige um sich hatte aber wer ihn besser kannte wusste das er davor zurückschreckte ein Lehrer des Ordens zu werden. Für einen jungen Drachenreiter wäre eher damit ein Vorbild und tief in seiner Seele, das wusste Marlena, trug ihr Oheim immer noch Schuldgefühle mit sich herum.
Inzwischen vor Ajescha fort:
"Euer Sculblaka Dorn ist von majestätischer Größe aber wenn Morzan noch leben würde müsste sein Begleiter um ein Vielfaches größer sein."
"Es war ein bedauerliches Missverständnis." beschwichtigte Murtagh. "Ich hätte mich wohl auch mehr bemühen müssen mit euch ins Gespräch zu kommen und es aufzuklären aber als eure Drachendame zum Sturzflug ansetzte in Richtung meiner Nichte stand bei mir Sorge im Vordergrund. Ich denke aber dass das nun hinter uns liegt. Die erwähnte bereits, dass ihr in den vergangenen Jahren die Kinder beschützt hättet. Ich gehe also davon aus, dass ihr euch der Überlebenden angenommen habt?"
"Allerdings!" bestätigte Ajescha. "Ich war zu schwach um Galbatorix und seine Gefolgsleute aufzuhalten und meine Schuldgefühle waren zu groß. Deshalb habe ich die Kinder weiter in den Norden geführt wurde ein fruchtbares Tal entdeckt haben und habe mein Bestes getan sie zu beschützen. Mit den Unterlagen des Magiers habe ich meine Studien fortgesetzt. Natürlich bin ich noch weit von der Meisterschaft als Drachenreiterin entfernt. Wie wir ein Irucansei gekommen sind haben wir bereits enthüllt. Aus den Kindern von damals sind natürlich erwachsener geworden die ebenfalls Kinder bekommen haben. Vor einigen Jahren hat sich der gewählte Vorsteher unserer Siedlung ausgerechnet in mich verliebt. Ich habe mich lange Zeit gegen dieses Gefühl gewährt weil ich schon sein Großvater gekannt hatte und die Nachkommen meiner einstigen Schützlinge als meine Familie ansehe aber schließlich......"
Eine leichte Röte zeigte sich auf Ajeschas Wangen und zum ersten Mal umspielte so etwas wie ein glückliches Lächeln ihre Mundwinkel als ihr Blick zu ihrem Sohn glitt.
"Ich habe natürlich versucht meinen Sohn und seinen Jungdrachen so gut es geht Auszubildenden aber wie ich bereits sagte ist mein Wissen begrenzt."
"Eine Sache ergibt für mich aber noch keinen Sinn Argetlam Ajescha." warf Marlena nun in die Unterhaltung. "Es ist euch offenbar gelungen im Norden ein sicheres Versteck zu finden. Obwohl bereits seit einigen Sommern Drachen und Reiter wieder dieser Lande bereisen hat man euch nicht entdeckt. Warum wagte euch gerade jetzt so weit nach Süden? Irucan wird sicher mal eines der Stolzesten Mitglieder seiner Rasse werden aber im Augenblick scheint immer noch recht jung für eine so lange Reise."
Während der dunkelblaue Jungdrachen sich in die Brust warf, ob Marlenas Kompliment wurde Ajeschas Blick wieder ernst.
"Eine abschlug berechtigte Frage. Der Grund unseres Hierseins ist ganz einfach: Seit Kurzem steht das Überleben unserer Siedlung im Norden auf Messersschneide. Vielleicht ist seine Gnade der Götter, dass wir hier zusammengetroffen sind. Wir brauchen nämlich dringend Hilfe."
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