Ein Interesantes Rätsel

"Und das soll wirklich essbar sein?"
Marlena und Selena amüsierten sich ob der Skepsis die auf dem Gesicht ihres gemeinsamen Onkels deutlich ablesbar war.
Junge Halbling musste einräumen, dass die Wucherung die Selena mit fachkundiger Hand von der Rinde des Baums entfernt hatte wirklich nicht appetitlich aus sah. Von ihren Eltern wusste die junge Reiterin jedoch, dass diese Art Pilz, die an der Rinde der Bäume wucherte, durchaus essbar und schmackhaft war.
"Keine Sorge Onkel, wir wissen was wir tun. Über das das Kochen nur uns Frauen sorgt du lieber dafür dass das Feuerholz zum Lager kommt."
"Jawohl die Damen." erwiderte Murtagh im selben neckischen Tonfall den schon Marlena an den Tag gelegt hatte und schulterte das Bündel Holz welches er gesammelt hatte. Während sich Dorns Reiter in Richtung des Lagers aufmachte, dass die Reisegruppe im Buckel aufgeschlagen hatte beobachtete die junge Drachenreiterin ihre Cousine wie sie die letzten Pilzwucherungen vorsichtig von der Rinde des Baumes entfernte. Es freute die junge Halbling, wie viel Achtung Selena für die Natur und das pflanzliche Leben an den Tag legte.
Man sah der junge Frau natürlich an, dass ihr der Abschied von ihrem gewohnten Leben nicht leicht gefallen war. Das gleiche galt natürlich für Roran und Katrina. Obwohl sie bereits eine erwachsene Frau war, handelte es sich bei Selena doch um ihr jüngstes Kind. Erschwerend kam beim Abschied der jungen Frau noch dazu, dass man sie doch in ein sehr ungewisses Schicksal entließ.
Es beruhigte Marlena jedoch, das Ismira und Cale versprochen hatten noch einige Tage im Palancartals zu verweilen und die zurückbleibenden Angehörigen etwas Trost zu spenden. Murtaghs Stellvertreterin Elain war eine fähige Magierin und der dunkelhaarige Reiter zweifelte nicht daran, dass seine Vertretung weder seine Nichte noch für ihren Gatten eine große Belastung sein würde. Die beiden Reiter konnten es sich also durchaus leisten etwas Zeit bei ihren Verwandten zu verbringen.
In einem kurzen Gespräch mit Eragon und Arya hatten die Bewohner des Palancartals auch erfahren, dass sie sich in nächster Zeit auf einen Besuch der beiden ältesten Reiter des Ordens einstellen konnten. Für Abwechslung und Ablenkung war also gesorgt.
"Hast du dein Wissen über Pflanzen von den Heilern bei denen Du in die Lehre gegangen bist?" erkundigte sich Marlena als sie gemeinsam mit ihrer Cousine weiter durch den Waldschritt um Zutaten für das Abendessen zu sammeln.
"Teilweise." antwortete Selena. "Eine gewisse Begabung dem Sinn und Zweck pflanzlichen Lebens zu verstehen habe ich aber schon immer gehabt. Manchmal haben sogar meine Lehrer unter den Heilern noch etwas von mir lernen können. Zum Beispiel gibt es eine bestimmte Art von Wurzel die die Blutgerinnung fördert. Gerade bei größeren Verletzungen kann man so auch ohne Magie verhindern, dass der Verwundete zu viel seines Lebenssaftes einbüßt. Die meisten Heiler schneiden die Wurzel ab und reiben einfach eine frische Schnittstelle über die Wundränder. Das ist natürlich nicht besonders angenehm für die Behandelten. Man muss ziemlich Druck ausüben um etwas von den Pflanzensaft an die richtigen Stellen zu bekommen und man verschwendet sehr viel von diesem wertvollen Sekret."
"Weil die Wurzeln mit der Zeit austrocknet." Folgerte Marlena.
"Ganz genau!" offenbar genoss es Selena mit ihrer Cousine über dieses Thema zu sprechen. "Außerdem kann man die Wurzeln nicht gut aufheben oder transportieren. Auch dann trocknen sie zu schnell aus. Am besten schneidet man sie frisch aber gerade wenn viele Verletzte zu versorgen sind läuft man Gefahr das die Pflanze, die diese Wurzeln hervorbringt den Verlust nicht verkraften kann. Das erschien mir immer nicht richtig zu sein. Das so viel von diesem wertvollen Sekret verschwendet wird. Die Pflanzen müssen dann darunter leiden. Und sag mir nicht, dass Pflanzen nicht leiden. Alles was lebendig ist kann leiden!"
"Wem sagst du das?" schmunzelte Marlena und strich sich ihr braunes Haar zurück. Dabei entblößte sie ganz bewusst ihre elfengleichen Ohren.
"Oh, Entschuldigung!" lachte Selena.
Marlena kann nicht umhin festzustellen, dass ihr dieser Teil ihrer Verwandtschaft immer sympathischer wurde.
Inzwischen erzählte die junge Adlige weiter.
"Ich habe schließlich herausgefunden, dass man das Sekret sicher aufbewahren kann wenn man die Wurzeln aus kocht. Mein damaliger Lehrer hat Stein und Bein geschworen, dass das unmöglich sei. Er hätte erlebt, dass der Sud jegliche Wirkung verloren hätte wenn man eben das tut. Ich habe ihn bewiesen, dass es möglich ist und zwar wenn man etwas vom Öl der Eukaliptuspflanze ins Wasser gibt. Es wirkt wie ein Bindemittel, das verhindert das das Sekret seine Wirkung verliert. Mein Lehrer war ziemlich beeindruckt. Denn der Sud ist nicht nur wesentlich haltbarer und kann problemlos transportiert werden sondern er wird sogar stärker bei der Stoff, der die Blutgerinnung fördert dann höher konzentriert ist. Mein Lehrer hat sich daraufhin fest im Palancartals niedergelassen und baut jetzt die Pflanzen an aus deren Wurzel Mann dieses Medikament gewinnen kann. Er verkauft die Arznei inzwischen fast ins ganze Reich."
Marlena hatte interessiert zugehört und war begierig mehr von ihrer Cousine zu erfahren. Inzwischen sammelten die beiden Frauen einige Beeren von einem Strauch die als Nachtisch dienen sollten.
"Woher wusstest Du, dass man das Öl der Eukaliptuspflanze so nutzen kann?"
Auf Marlenas Frage hin unterbrach Selena ihre Arbeit und starrte etwas gedankenverloren auf die eigenen Hände. Es verging ein Augenblick des Schweigens bis sie schließlich zu Marlena hinüberblickte. Die Gelöstheit war aus ihren Gesichtszügen gewichen und eine deutliche Unsicherheit zeichnete sich dort ab.
"Ich weiß es offen gesagt nicht. Es ist einfach so ein Gefühl gewesen. Ich wusste einfach dass man dieses Öl so nutzen kann."
"Dieselbe Art von Gefühl, die dich dazu gebracht hat mich zu begleiten?" erkundigte sich Marlena vorsichtig. Es überraschte sie wegen verletzbar die Menschenfrauen neben ihr plötzlich wirkte.
Selena nickte nur.
"Das war auch so ein Gefühl. Ich hatte das schon öfter und meine Gefühle haben mich noch nie getrogen. Ich vertraue Ihnen. Doch sie machen mir auch Angst. Ich verstehe einfach nicht wieso ich manche Dinge weiß. Es ist auch nicht so, dass ich in meinem Leben wie ich es bisher geführt habe unzufriedenen war. Ich wusste aber ganz sicher, dass es Zeit ist zu gehen."
Marlena konnte gut verstehen wie sich Selena fühlen musste. Die Menschenfrau musste sich fast wie fremdbeherrscht vorkommen. Die junge Drachenreiterin wollte etwas sagen um die düsteren Gedanken ihrer Verwandten zu verscheuchen.
"Nun, sieh es doch mal so Selena, wo auch immer dich deine Gefühle hinführen, sie haben zumindest dafür gesorgt, dass du in netter Gesellschaft reist."
Nachdem sie den Satz beendet hatte bemühte sich Marlena um ein sympathisches Gesicht welches sie durch ein übertriebenes Klimpern mit den Augenlidern untermauerte. Tatsächlich heiterte diese Aussage Selena merklich auf und die beiden Reisegefährtinnen beschlossen, dass sie genug Zutaten für das gemeinsame Abendessens beisammen hatten.
Es überraschte die beiden Frauen etwas als sie das Lager erreichten weder Murtagh noch einen der Drachen vorzufinden. Mit gewohnter Routine reckte junge Drachenreiterin ihre geistigen Fühler und empfing schon bald Alonvys vertrauten Geist.
- "Kommt bitte zu uns ihr zwei." - forderte die weiße Drachendame und übermittelte erarbeiteten ein Bild von ihrem Standort.
Selena und Marlena blickten sich etwas unschlüssig an, machten sich aber doch auf den Weg. Der Ort zu dem Alonvys Gedanken sie führten lag nicht weit von der gewählten Lagerstätte der Reisegruppe entfernt. Die beiden Reiter und ihre Begleiter hatten diesen Punkt in der Nähe einer schroffen Felsklippe ebenfalls als möglichen Lagerplatz in Betracht gezogen sich aber dann entschlossen an einem kleinen Bergbach Quartier zu beziehen. Schließlich mussten sie sich von niemandem verstecken und die Nähe zu einer Frischwasserquelle war ein Luxus, den sich die Gruppe leistete.
Die beiden Frauen traten an Dorn und Alonvy vorbei und entdeckten Murtagh. Die Körper der beiden Drachen hatten vorher die Sicht auf den älteren Drachenreiter verstellt. Irgend etwas am Fuß der Felswand schien den gemeinsamen Onkel der beiden Frauen zu faszinieren.
"Was ist da?" Erkundigte sich Marlena und ging neben ihren Oheim in die Hocke. Selena tat es ihr gleich.
"Wonach sieht das für euch beide aus?"
Murtagh deutete auf einen Punkt am Fuß der Felswand. Marlena folgte den Blick ihres Onkels und Begriff was er meinte, jedoch nicht was an dem was sie erblickte so ungewöhnlich sein sollte.
"Da haben ein paar Drachen ihre Krallen geschärft. Diese Kerben im Fels sind recht eindeutig. Vor ein paar Jahren wäre das so ungewöhnlich gewesen Onkel aber heutzutage gibt es doch schon wieder einen gewissen Bestand an wilden Drachen."
Murtagh nickte ohne seine Nichten dabei anzublicken. Seine Augen ruhten weiterhin auf den Kratzern im Fels.
"Ich glaube nicht dass das ihr von wilden Drachen stamd. Hier haben wenigstens zwei Drachen ihre Krallen geschärft. Das passt nicht zum Verhalten der Wilden. Entweder leben sie in Gruppen von mindestens einem halben Dutzend oder sie sind als Einzelgänger unterwegs. Dass nur zwei wilde Drachen zusammen reisen ist ungewöhnlich."
- "Außerdem passt das nicht ins Bild." - brummte Dorn und deutete mit seiner Schnauze auf etwas direkt neben ihm, was bisher der Aufmerksamkeit von Selena und Marlena entgangen war. Neben der Flanke des roten Drachen waren deutlich die Überreste eines Lagerfeuers zu erkennen.
- "Es ist nicht unbedingt die Art der Kinder des Feuers und des Himmels Lagerfeuer anzuzünden kleine Halbling." -
- "Und erst recht nicht die Art von wilden Vertretern eures Volk ist meine Große." - stimmte Marlena der Einschätzung von Alonvy zu.
"Vielleicht sind es Mitglieder der Forschungsgruppe die in den Norden aufgebrochen ist zusammen mit diesem Drachenreiter Kalain." mutmaßte Selena nun.
"Keine schlechte Idee junge Heilerin aber auch keine gute." murmelte Murtagh. "Seht euch mal die Krallenspuren an. Es sind meiner Meinung nach zwei Drachen gewesen. Und beide passen nicht ins Bild. Diese größeren, tieferen Risse müssen von einem Drachen stammen, der sogar noch größer sein muss als Dorn oder Saphira. Einiges über 100 Jahre müsste dieses Exemplar alt sein. Und die anderen Spuren gehören zu einem wesentlich jüngeren Drachen. Seine Pranken können kaum größer gewesen sein als eine menschliche Hand. Ich würde sagen dass dieses Exemplar höchstens zwei Monate alt gewesen sein kann."
"Also gerade alt genug, dass dieser Drache vielleicht einige Worte sprechen und aus eigener Kraft fliegen kann. Aber auf keinen Fall wäre ein so junger Drache bereits in der Lage sein Reiter zu tragen." folgerte Marlena und Verstand langsam die Faszination ihres Onkels.
"Und kein Lehrer des Reiterordens würde mit einem so jungen Drachen und seinem Reiter so weit von der Ostmark entfernt eine Reise unternehmen. Ein so junges Gespann wäre viel zu angreifbar und ich sage es nochmal, der ältere der Drache muss an Größe sogar Dorn und Saphira übertroffen haben."
"Aber Vaters Seelenschwester und dein Drache sind die ältesten und größten Exemplare in Alagaesia." wunderte sich Marlena. Natürlich wusste sie, als voll ausgebildete Reiterin, dass noch einige ältere Exemplare in ihrem Seelenhorten existierten. Dieses Wissen musste man natürlich von Selena geheim halten und es bestand auch keine Notwendigkeit auf diesen Punkt näher einzugehen. Ein Drache der nur noch in seinem Eldunari existierte musste sich nicht mehr die Krallen schärfen.
"Ein interessantes Rätsel haben wir hier meine Damen." murmelte Murtagh.

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