73. Du wolltest nie herrschen
"Floki!", rief ich lächelnd und fühlte mich wieder wie ein Kind.
Er sprang vom Schiff und umarmte mich glücklich, "Tjara. Du bist eine hübsche junge Frau geworden.", er hielt meinen Kopf und begutachtete mich.
Selbstverständlich lud ich meinen Bruder und Floki in meine Halle ein, es sollte ihr Zuhause, so wie in alten Zeiten sein. Sie erzählten mir von ihren Erlebnissen, wie sie das goldene Land fanden und wie Ubbe zu Floki gelangt war.
Wir saßen bei Tisch, als es im Hinterzimmer der Halle polterte und Jess erschien.
Sorgsam erhob ich mich, als der kleine Junge langsam auf mich zukam.
Er hob die Arme ich nahm ihn hoch und ging zurück an den Tisch.
Floki und mein Bruder sahen mich überrascht an.
"Ist das dein Sohn?", fragte Ubbe und beäugte Jess genau.
Ich schüttelte leicht mit dem Kopf und erzählte meinen Gästen, zu wem Jess gehörte.
"Wo sind deine Eltern?", fragte Ubbe den kleinen schließlich.
Jess deutete auf die Tür.
"Seine Mutter und sein Onkel sind seit langer Zeit dabei sich eine Hütte am Fluss zu errichten. Sie arbeiten bis in die Nacht und ich passe auf Jess auf.", sagte ich schließlich.
Es dauerte nicht lange, bis er sich mit meinem Bruder und Floki anfreundete.
"Sag den beiden gute Nacht.", sagte ich schließlich, um ihn erneut in sein Bett zu legen.
Quengelnd sah der Kleine mich an.
"Morgen werden unsere Gäste auch noch da sein.", leicht lächelnd hielt ich ihm meine Hand entgegen, die er nach kurzem Quengeln schließlich nahm und mit mir kam.
Ich legte ihn wieder schlafen und hoffte, dass er nun nicht wieder unseren Abend unterbrach.
Als ich zurück an unseren Tisch kam sah Ubbe mich an, "Du wärst eine gute Mutter, Tjara.", sagte er brüderlich und trank seinen Met.
"Dem kann ich nur zustimmen.", warf Floki ein und lächelte mir freudig zu.
Lächelnd seufzte ich, "Als Ivar noch lebte, hatte ich nie die Chance dazu und nun bin ich alleinige Herrscherin von Kattegat."
Ubbe sah kurz zu Floki und anschließend zu mir, "Ich bin nicht nur zurückgekommen, um dich zu sehen, kleine Schwester."
Fragend sah ich Ubbe an.
"Ich bin hergekommen, weil ich immer noch den Wunsch habe das, was unser Vater gewollt hat zu verwirklichen.", er legte eine Pause ein und schien nicht genau zu wissen, wie er sich ausdrücken sollte, "Wir sind die letzten Hinterbliebenen unserer Familie. Wir sollten zusammen herrschen, eine Doppelherrschaft.", Ubbe klang von sich selbst überzeugt.
"Eine Doppelherrschaft?", wiederholte ich und sah zu Floki, der wie ein unschuldiges Lamm seinen Becher schlückchenweise leerte, er wollte anscheinend mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben.
Ich setzte meinen kältesten Blick auf, der einen sehr an Ivar erinnern konnte und dachte nach. Natürlich gäbe es Vorteile, doch selbst Vorteile ziehen auch Nachteile mit sich. Ubbe und ich müssten uns über Dinge, die abgesprochen werden müssen einig sein, was schon nicht klappte, als wir jünger waren. Doch auch wir waren älter und weiser geworden oder etwa nicht?
"Ich werde dein Angebot überdenken...", sagte ich nachdenklich und erhob mich, "Ihr seid natürlich eingeladen hier zu übernachten", ich deutete an die Feuerstelle, "Fühlt euch wie Zuhause."
Langsam verschwand ich nach hinten, um mich nun schlafen zu legen, denn es war ein anstrengender und langer Tag gewesen.
Bevor ich in mein Bett stieg, warf ich einen Blick auf Jess, der mit seinen zerzausten, blonden Haaren friedlich in einer Ecke des Raumes schlief.
Am nächsten Tag wachte ich immer noch erschöpft auf.
Ich hatte gründlich über Ubbes Angebot nachgedacht und einen Entschluss gefasst.
Ich erhob mich und begann, nachdem ich mein Gesicht gewaschen hatte, umzuziehen.
Auch wenn ich nun Königin war, änderte es nichts an meiner Kleiderwahl. Ich trug immer noch meine Kriegerkleidung, andere Sachen, wie gar Kleider, waren nichts für mich.
Langsam lugte ich um die Ecke in die Halle hinein. Mein Bruder schlief am Feuer, doch Floki war nicht zu sehen.
Leise ging ich zu einem Tisch und lehnte mich gegen diesen, um Ubbe aus der Nähe zu beobachten.
Während ich ihn ansah, überlegte ich, wie ich ihm über meinen Entschluss am besten berichten sollte.
Verträumt stand ich da und sah ihn an, bis er sich bewegte und schließlich die Augen öffnete.
Als er mich erblickte setzte er sich auf, "Wie lange stehst du schon dort?"
Ich stieß mich vom Tisch ab und ging auf ihn zu, "Nicht allzu lange.", sagte ich ruhig.
Mein Bruder erhob sich und sah prüfend durch die Halle, "Floki?"
Ich zuckte mit den Schultern, dann setzte ich mich auf meinen Thron und sah ihn an, "Ich habe meine Entscheidung getroffen, Bruder."
"Ich hoffe du triffst die richtige Entscheidung.", Ubbe kam näher und verschränkte die Arme.
"Es waren immer Hvitserk und du. Niemals ich und du, niemals du und Ivar, denn es waren immer Ivar und ich.", ich wusste, dass ich in Rätseln sprach, doch hoffte er würde verstehen.
Ubbe legte den Kopf schief und sah mich an.
"Wir waren nie einer Meinung, großer Bruder.", flüsterte ich, während er auf mich zu kam.
Er hockte sich vor mich und legte beide Hände auf meine Schultern.
"Damals war alles anders. Wir waren fünf, mit Björn waren wir sechs. Doch nun sind nur noch wir beide übrig, Tjara. Wir müssen zusammenhalten, wir sind älter geworden, reifer und vielleicht auch weiser. Ich bitte dich Tjara.", brüderlich sah er mich an.
Seufzend sah ich durch die Halle, "Du kannst hier nicht nach Jahren auftauchen und Anteil am Thron verlangen, Ubbe.", kopfschüttelnd sah ich ihn an.
Ubbe erhob sich schwungvoll und strich sich über sein Gesicht, während er sich langsam drehte, "Wie ist unser Vater Jarl geworden?", fragte er plötzlich.
"Was?", verwirrt stand ich auf und stieg die Stufen herunter.
"Wie ist unser Vater Jarl geworden?", fragte er nun lauter.
"Er schlug den Jarl vor ihm in einem Zweikampf.", antwortete ich auf die Frage und sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
Ubbe nickte und sah zu mir auf, "Genau.", flüsterte er.
"Du wolltest niemals herrschen, Ubbe. Du wolltest ferne Länder bereisen, du bist unserem Vater zu ähnlich.", ich wusste nicht, was in meinem Bruder vor sich ging, wieso er plötzlich herrschen wollte.
"Ich werde dich zum Zweikampf herausfordern, Tjara Lothbrok."
Ich schüttelte mit dem Kopf, "Ich lehne ab, Bruder.", flüsterte ich entsetzt.
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