46. Der Wille der Götter
Im nächsten Moment kamen die fünf Wachen auch schon auf uns zu.
Ich wurde gepackt und auf den kalten Boden gedrückt, während einer der Krieger mir sein Schwert in den Nacken hielt und ein anderer meine Hände fesselte.
Das gleiche taten sie mit Hvitserk.
Wir wurden unsanft auf die Beine gezogen und voran geschubst, "Was haben sie vor, Bruder?", fragte ich ihn unsicher.
Doch der größte der Krieger schlug mir brutal auf den Rücken und ich ging stumm weiter.
Wir wurden auf einen Hügel gebracht, welcher zuvor wohl ein Schlachtfeld gewesen war, denn viele tote Männer lagen dort herum.
Die Krieger begannen sich mit den anderen zu unterhalten. Sie sahen uns immer wieder an.
Ich hörte ihnen zu, auch wenn ich nichts verstehen konnte, bis auf ein Wort: Ivar.
Überrascht sah ich zu Hvitserk, der schien, es gar nicht mitbekommen zu haben.
Ich holte tief Luft und schrie los, "Ivar! Ivar!", ich versuchte mit dem Kopf zwischen Hvitserk und mir hin und her zu nicken, doch ich erntete nur einen Schlag in den Bauch.
Nun schienen zwei der Männer sich zu streiten. Hvitserk und ich standen verwirrt zwischen ihnen und sahen uns an.
"Tjara, Hvitserk.", hörte ich plötzlich eine vertraute Stimme flüstern.
Die Männer machten Platz und unser Bruder Ivar kam zum Vorschein.
Mit weit geöffnetem Mund starrte ich ihn an.
Er forderte die Männer auf, uns loszumachen.
Kurz darauf ging ich auf meinen Bruder zu und drückte ihn so sehr ich konnte an mich, "Du bist es wirklich, Ivar.", flüsterte ich glücklich.
Als ich ihn losließ klopfte er Hvitserk auf die Schulter und musterte ihn, "Du siehst erbärmlich aus, Bruder."
"So fühle ich mich auch, Bruder.", flüsterte Hvitserk.
Wir folgten gemeinsam mit Ivar den Kriegern zu den Schiffen.
Ivar wollte ganz genau wissen, wieso wir im Wald waren. Nachdem ich meine und Hvitserk seine Geschichte erzählt hatten, fing Ivar an zu lächeln, "Wie ich einst sagte; es ist der Wille der Götter uns vereint zu sehen. Egal wie oft wir uns noch verlieren, wir werden immer wieder zueinander finden."
Lächelnd sah ich ihn an und stieg auf das Schiff, was dort am Strand lag.
Wir setzten uns an die Spitze des Bootes.
"Doch was machst du hier, Ivar? Ubbe berichtete mir, dass du bei einem Volk, was sich Rus nennt wärst."
Ivar nickte und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.
Hvitserk war inzwischen schon wieder eingeschlafen.
"Wir haben die Landschaften um Kattegat herum auskundschaftet.", leise seufzend sah er mich an, als das Schiff ablegte, "Was geschah, als ich floh?"
Bereuend, darüber, dass er und ich so lange Zeit getrennt waren, sah ich ihn an, "Ich habe so lange es ging versucht sie zu täuschen, doch Hvitserk hat mich schnell durchschaut und schließlich erzählte ich auch Ubbe, dass meine Geschichte nicht wahr gewesen ist.", ich starrte auf das Meer hinaus, "Hvitserk und Ubbe sagten beide, dass ich dir immer ähnlicher geworden bin."
Ivar zog die Augenbrauen hoch und sah mich fragend an.
"Ich habe das Schwert gegen Hvitserk erhoben, als er sagte er würde Ubbe davon berichten, dass alles gelogen sei. Wäre Ubbe nicht hereingeplatzt, wüsste ich nicht, was ich getan hätte."
Ivar lachte kurz auf. Es war sein typisches Lachen, welches ich sehr vermisst hatte. Es hatte ein wenig von Spott und Belustigung, doch irgendwie auch etwas von Freundlichkeit.
"Du hättest gegen ihn keine Chance gehabt, Tjara. Er hätte dich besiegt.", er tätschelte mir wie einem Hund den Kopf.
"Er war in einem schlechten Zustand. Es wäre ihm wohl auch egal gewesen, wenn ich ihn erschlagen hätte."
"Was macht Ubbe?", hauchte er nun ernst.
Ich zuckte mit den Schultern, "Er wollte ein neues Land finden. Er hatte nur davon gehört, aber ob es wirklich existiert, wissen nur die Götter.", ich verstummte kurz.
"Ich habe gegen Ubbe gekämpft.", ich sah zu Ivar, der verträumt vor sich her starrte.
"Ubbe benimmt sich seit ich denken kann, als wäre er unser Vater. Es hat mir gereicht, dass er mir immer noch sagen wollte, was ich zu tun habe und was ich besser lassen sollte.", ich sah Ivar nun ernst an.
"Und lass mich raten, kleine Schwester, er hat dich natürlich geschlagen, weil er durchaus der Beste Kämpfer von uns ist?", ich hörte den Hohn in seiner Stimme und musste lachen. Er hatte ja Recht, wieso hatte ich mich auf so etwas eingelassen.
Mit meinem Kopf auf Ivars Schulter schloss ich immer und immer wieder müde die Augen, als Ivar dies bemerkte, stieß er mir leicht in die Seite, "Sag mir was Björn macht, dann darfst du schlafen.", sagte er liebevoll.
Müde blickte ich auf, "Er bereitet sich und seine Männer auf bevorstehende Angriffe vor, er sagte sie würden nicht mehr lange auf sich warten."
Ein kaum hörbares Seufzen kam von Ivar, bevor er kurz seine Hand auf meine Wange legte, "Schlaf nun, kleine Schwester."
Kaum hatte ich die Augen geschlossen, war ich auch schon eingeschlafen.
Die Geräusche der Wellen entspannten mich und ich wusste, dass ich in der Nähe meines Bruders Ivar in den besten Händen war.
Mitten in der Nacht schreckte ich hoch. Hvitserk hatte bei seiner Geschichte nicht einmal erwähnt, dass er Lagertha umgebracht hatte, wieso? Verwirrt sah ich an Ivar vorbei, zu Hvitserk. Beide schliefen seelenruhig.
Der Sternenhimmel über uns war klar und es war noch kälter, als es sowieso schon war.
Ich sah über das dunkle Meer, wie lange würde es wohl dauern, bis wir in dem unbekannten Reich der Rus ankommen würden?
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