43. Hvitserks Schicksal
Ich versuchte mein Entsetzen zu unterdrücken.
Ich wollte gerade zu sprechen beginnen und Björn zusichern, dass Ubbe und ich ihn unterstützen würden, doch Ubbe hielt mich zurück und begann selber zu sprechen, "Bist du dir da ganz sicher, Björn? Er wird es als Erlösung seiner Qualen sehen. Du würdest ihm nur ein Gefallen tun.", Ubbe stellte seinen Becher weg, den er die ganze Zeit in der Hand hielt.
Björn schien über Ubbes Worte nachzudenken und fing schließlich langsam an zu nicken, "Das mag sein, doch er hat meine Mutter ermordet!", rief Björn.
"Denk an Vater, Björn. Er hätte jemanden, der schuldig ist, niemals von seinen Qualen einfach so erlöst.", sagte ich und stimmte somit Ubbe zu.
"Also gut.", Björn erhob sich und ging auf und ab, "Was schlagt ihr vor? Ubbe? Tjara?"
Ubbe und ich sahen uns kurz fragend an. Ich begann nachzudenken und kam schnell zu einem Entschluss, "Sperre ihn ein, bis er wieder er selbst ist, er wird noch größere Schuldgefühle haben, als er sowieso schon hat. Diese werden ihn von innen aufgefressen.", sagte ich fast schon gehässig.
Björn nickte mir zu und zeigte mir so, dass er meinen Vorschlag zur Kenntnis genommen hatte, "Und du, Ubbe?"
Ich sah zu Ubbe.
"Lass ihn denken, dass du ihn töten wirst. Es muss wie eine Hinrichtung aussehen, die im letzten Moment abgebrochen wird. Das würde ihm eine Strafe sein."
Björn atmete aus und wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht, "Danach wird er aus Kattegat verbannt.", er sah hasserfüllt in das Feuer, "Wir haben etwas vorzubereiten, Ubbe.", sagte Björn zu meinem Bruder, der daraufhin die Halle verließ. Es schien, als wüsste er, was zu tun war.
Flehend zu helfen sah ich Björn an, "Deine Hilfe werde ich auch brauchen, Tjara.", Björn legte seine Hand auf meine Schultern und sah mich ernst an.
Am nächsten Morgen war es soweit.
Ganz Kattegat hatte sich versammelt, um zu sehen, wie mein Bruder stirbt.
Es herrschte Totenstille, als Hvitserk durch die Menge geführt wurde.
Björn, Ubbe und ich standen aufgeteilt unter der Menschenmenge, jeder von uns wartete nur auf ein Signal, um seine Arbeit auszuführen.
Hvitserk wurde in mitten von Wasser an einen dicken Baumstamm, der von Holz umgeben war gebunden.
Er schien den Tod herbeizusehnen.
Das Holz, auf dem der Baumstamm errichtet war, wurde in Brand gesetzt. Ich sah immer und immer wieder zu Björn und wartete auf mein Zeichen. Immer wieder fühlte ich, ob meine Axt da war, wo sie sein sollte.
Hvitserk sah hinauf zum Himmel, er grinste und lachte. Das Feuer war schon fast an seinen Beinen angelangt, als Björn mir das Zeichen gab.
Ich sah kurz zu Ubbe und zeigte ihm somit, dass es losging.
Ich zog meine Axt, ich durfte nicht nervös sein, denn dann könnte ich meinen Bruder verletzen.
So tief ich konnte atmete ich ein und warf mit voller Kraft meine Axt in Richtung Hvitserk.
Die Axt durchtrennt das Seil, mit dem er an den Baumstamm gebunden war, Hvitserk viel wie ein toter Fisch ins Wasser.
Ubbe war schon in das Wasser gesprungen, um Hvitserk heraus zu fischen.
Schnell ging ich zu Björn, der nun den Steg betrat und wartete, dass Ubbe Hvitserk dorthin brachte.
Es dauerte einige Zeit, bis mein Bruder ihn hatte und ihn durch das Wasser zu uns ziehen konnte.
Die Dorfbewohner schienen verwirrt zu sein, es begann ein Murmeln in den Reihen.
Hvitserk und Ubbe wurden von Björns Wachen auf den Steg gezogen.
Ich klopfte Ubbe auf die Schulter, als er sich außer Atem auf dem Steg niederließ.
Björn hatte inzwischen Hvitserk gepackt und zu Boden gedrückt.
"Ich habe dich gerettet und weißt du wieso? Weil ich wusste, dass du dem Tod mit Freude entgegensiehst. Doch ich will nicht, dass du Freude empfindest. Du wirst niemals Odins Halle betreten. Ich will, dass du stirbst, während du noch lebst. Verbannt aus Kattegat, verbannt aus allen Siedlungen der Menschen, verbannt aus der Geschichte von Ragnar Lothbrok. Du wirst alleine und von allen vergessen sterben!", mit jedem Wort, das Björn sprach, wurde er lauter.
Hvitserk schien nicht zu wissen, wie ihm geschah, als Björn ihn auch schon zur Seite wegschubste, "Schafft ihn weg!", schrie er.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch sah ich den Wachen, die meinen Bruder weg schafften hinterher.
Ich zog Ubbe stumm auf die Beine und sah ihn ernst an.
"Er wird den Winter nicht überleben.", flüsterte er.
Ich wollte vor unserem Volk keine Schwäche zeigen und ignorierte den Einwand meines Bruders.
Björn sah kurz durch das Volk und verließ den Steg.
Ubbe schob mich vorweg und wir folgten unserem Bruder.
Fern ab von meinen Brüdern, setzte ich mich in der großen Halle an einen Tisch.
Immer wieder strich ich mir durch meine Haare, die durch den aufregenden Morgen schon zerzaust waren.
Ich öffnete alle Zöpfe. Es war unnormal für mich offene Haare zu tragen, weswegen sofort Björns Sklavin zu mir kam, "Darf ich eure Haare wieder herrichten?", fragte sie in einem sehr liebevollen Ton.
Laut seufzte ich und stimmte ihr schließlich zu.
"Bitte nicht so wie sonst, etwas anderes.", murmelte ich leise.
Während sie meine Haare wieder ordentlich machte lauschte ich dem Gespräch meiner Brüder, "Es ist zwar Winter, doch ich möchte so schnell wie möglich nach Island aufbrechen.", Ubbe sah Björn überzeugt an.
"Nein!", schrie ich von der anderen Seite der Halle meinem Bruder zu, "Du kannst nicht gehen! Nicht jetzt!", entsetzt sah ich ihn an.
Die Sklavin war mit meinen Haaren fertig und ich ging wütend auf Ubbe zu, "Du kannst mich nicht alleine lassen!"
Ubbe stand auf und drückte mich fest an sich, "Es ist meine Bestimmung, ich muss es tun. Ich habe meinen Männern schon bescheid gegeben, dass wir bald aufbrechen werden."
Ich schloss meine Augen, um meine Tränen zu unterdrücken.
Ich glaubte nicht, dass es wahr ist, was ich da hörte, doch mein Bruder schien entschlossen.
Björn legte mir seine Hand auf den Kopf, als Ubbe mich losließ, "Wir werden zusammen Kattegat schützen, denn die nächsten Angriffe werden nicht mehr lang auf sich warten."
Entsetzt schüttelte ich mit dem Kopf und stürmte in das Hinterzimmer, wo noch Schild und Schwert lagen.
Ich griff danach, legte mir mein Fell über und verließ die Halle.
Ich hörte, wie einer der beiden mir hinterherlief, als ich draußen die Stufen herunterlief, doch ich blieb nicht stehen.
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