29. Kämpf gegen mich

"Ich grüße dich, Nels.", sagte ich lächelnd, "Du bist noch am Leben.", neckte ich ihn sofort.
"Gewiss, Tjara Lothbrok. Es ist doch viel verwunderlicher, dass du noch am Leben bist. Oder muss ich ihr sagen, weil dein Bruder nun König ist?"

Ich verdrehte schmunzelnd die Augen, "Natürlich nicht, Nels. Es scheint dir gut zu gehen, obwohl Ivar nun König ist."

Nels nickte, "Meine Familie kann schlecht aus Kattegat fortgehen. Wo sollten wir hin?"

Nels und ich gingen durch Kattegat, wir hatten uns viel zu erzählen, denn wir hatten uns schließlich lange nicht mehr gesehen.

"Ivar hat Sigurd in England getötet.", ich war schon lange über den Tod meines Bruders hinweg, doch Nels sah mich mitleidig an.
"Ich habe davon gehört, es schauderte mich, als mein Vater davon erzählte."

Als die Sonne schon fast unterging waren wir wieder an der großen Halle angelangt, "Nun trennen sich also wieder unsere Wege, Tochter von Ragnar.", Nels lächelte mich an.
Ich nickte ihm kurz zu und stieg die Stufen zur Halle hinauf.
Die Vorderhalle war leer, also trat ich ins Hinterzimmer.
Dort saß Ivar. Er war alleine, weit und breit kein Hvitserk oder Rollo zu sehen.

Ich blieb am Eingang des Raumes stehen.

"Wenn du ihn noch einmal triffst, werde ich diesen Jungen eigenhändig umbringen.", Ivar starrte vor sich hin, "Ich habe meine Ohren und Augen nun überall, Tjara."

Entsetzt stand ich da und sah meinen Bruder an. Wie konnte er so etwas sagen? Nels war ein netter, gut erzogener junger Mann.

"Ivar, er ist doch...-", begann ich, doch Ivar unterbrach mich sofort, "Er ist gar nichts, ein niemand.", schrie er mich an, "Mich liebt niemand, also wird dich auch niemals jemand lieben."

Ich verdrehte die Augen und setzte mich zu ihm, "Du bist mein Bruder, Ivar, ich liebe dich."

Ivar hob abwertend seine Hand, "Ich bin dein Krüppelbruder, du musst mich lieben."

Ich schüttelte mit dem Kopf und seufzte, wieso musste er immer wieder damit anfangen?
"Nein, muss ich nicht, aber ich tu es.", sagte ich schließlich.

Gerade als er sich zu beruhigen schien wiederholte er sich, "Du wirst diesen Jungen nicht mehr sehen, Tjara.", er sah mich mit einem Blick an, der mich erstarren ließ. Ich konnte nicht anders als dem zu zustimmen.
Ivar war nun König, jedoch war er immer noch mein Bruder. Ich wusste nicht inwiefern ich mir so etwas gefallen lassen müsste.

Ich starrte in das knisternde Feuer, meine Augen fingen schon an zu brennen, doch ich träumte vor mich hin.

"Tjara?", Ivars Stimme holte mich plötzlich aus meinen Träumen.
Ich sah ihn fragend an. Er sah genauso fragend zurück, "Ich habe dich gefragt, ob du nicht auch mal gegen mich kämpfen willst.", er leckte sich die Zähne und sah mich an. Es war wirklich unheimlich.

"Wie kommst du auf so etwas, Ivar?"

"Du hast schon gegen jeden unserer Brüder gekämpft, selbst Björn hat dir Kampftechniken beigebracht. Nur gegen den Krüppel hast du noch nie richtig gekämpft."

Ich schüttelte mit dem Kopf und flüsterte, "Das will ich auch nicht, Ivar."

Ivar begab sich auf den Boden, kroch um das Feuer herum und setzte sich vor mich hin. Er sah mich wie ein Wahnsinniger an.
Ich wiederholte mich, doch das schien nichts zu nützen, denn im nächsten Moment riss mein Bruder mich zu Boden.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, es ging alles so schnell.

Ich landete auf dem Bauch und drehte mich schnell um, um zu sehen, was er nun vorhatte.
Er kroch auf mich zu und warf sich seitlich auf mich, in seinem Gesicht stand der pure Wahnsinn geschrieben.

Mir gingen nur noch zwei Gedanken durch den Kopf. Einerseits wollte ich meine Axt ziehen, um mich zu verteidigen, andererseits dachte ich daran, dass er ein Krüppel war und ich ihn nicht verletzen wollte. Doch nichts tun konnte ich auch nicht, ich war doch nicht feige.

Plötzlich spürte ich einen Schmerz auf meiner Wange, "Kämpf gegen mich!", schrie er mich nun lauter denn je an.
Ich entschied mich gegen meine Axt und entschloss mich, da er auch keine Waffe zog, für die Fäuste.
Ich holte aus und schlug ihm in sein Gesicht.
Schnell versuchte ich aufzustehen.

Mein Bruder sah das alles wohl nur als Spaß an, doch ich sah nun keinen Spaß mehr in dieser Sache.

Ich schaffte es noch nicht einmal mich wieder aufzurichten, denn im nächsten Moment hatte Ivar mich im Schwitzkasten und hielt mir sein Messer an die Kehle.
Ich atmete schwer, einerseits, weil Ivars Angriff unerwartet kam, andererseits machte mir das Messer an meiner Kehle Sorgen.
Ich spürte wie ich zu zittern begann, Zittern vor Angst.

Langsam ließ Ivar sein Messer sinken, "Du kannst nur froh sein, dass deine Gegner auf dem Schlachtfeld keine Krüppel waren.", spöttisch schubste er mich weg und setzte sich zurück auf seinen Stuhl.

Schwer atmend blieb ich auf dem Boden liegen, da trat Rollo in den Raum herein. Er sah von mir zu Ivar, der nur die Hände hob und tat, als würde er nicht wissen was passiert war.
"Kinder.", sagte er unschuldig.

Ich setzte mich zurück auf meinen Hocker und sah eingeschüchtert zu Ivar. Dieser ignorierte mich gekonnt, "Hast du sie gefunden?", fragte ihn Ivar. Rollo nickte, "Ja, habe ich."

"Sag mir, wo sind sie, Rollo?", Ivar beugte sich interessiert vor.

"Du musst mein Angebot annehmen, um es zu erfahren, Ivar. Verbünden wir uns nun?"

Nach kurzer Überlegung zuckte Ivar mit den Schultern, "Nun gut, Graf Rollo, wir sind ab sofort Verbündete.", über Ivars Gesicht huschte ein Grinsen.

"Wo sind sie, Rollo?", fragte ich vorsichtig.

"In einem Versteck. Dort floh einst euer Vater hin, als er von dem damaligen Jarl gejagt wurde."

"Werdet ihr uns dort hinführen?", fragte ich ihn.
Doch Rollo schüttelte mit dem Kopf, "Ich habe dort nichts mehr verloren.", flüsterte er.

"Ich verlange nur, dass ihr mich unterstützt, wenn ich angegriffen werde.", er sah zwischen Ivar und mir hin und her.

Ivars Blick fiel nun auf mich, "Also, Tjara. Was meinst du?"

"Rollo weiß genau, wo sie sich aufhalten. Doch Björn weiß wiederum, dass Onkel Rollo uns in der Schlacht seine Krieger geschickt hat. Er wird ihm nicht mehr vertrauen. Sie werden nicht mehr dort sein, Ivar."

Ivar nickte, "Doch von dort aus können wir sie suchen lassen, sie können noch nicht weit sein. Wir werden sie jagen, bis sie aufgeben."

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