25. Im Lager des Feindes

"Björn fordert dich als Leibbürge.", sagte Ivar. Er schien nachzudenken und flüsterte wieder mit Hvitserk, bis er sich wieder an mich wendete, "Du wirst mit Björn und Ubbe in ihr Lager reiten."

Entsetzt sah ich Ivar an.
Ich mochte es nicht von ihm getrennt zu sein, möge er so gemein und fies sein wie er wollte, an seiner Seite fühlte ich mich wohl, jedenfalls die meiste Zeit.
Ivar nickte in Björns Richtung und mit einem Entsetzen im Gesicht ritt ich langsam los.

"Ich grüße dich, Tjara.", Björn nickte mir zu und musterte mich. In seinen Augen war weder Abneigung noch Zuneigung zu sehen.
"Sei selbstsicher.", hörte ich Hvitserks Stimme in meinem Kopf, "Reiten wir.", Björn drehte um, ich folgte ihm langsam auf meinem Pferd.

Es fühlte sich falsch an, ich fühlte mich unwohl, unsicher und einerseits auch ungewollt in ihrem Lager.
Ubbe, Björn und Lagertha standen um mich herum. Mein Bruder gab mir Met, wie in alten Zeiten.
"Was treibt Ivar?", Ubbe durchbrach die Stille, doch er vermied es mir in die Augen zu sehen.
Ich zuckte kurz mit den Schultern, "Was soll er schon tun."

Ubbe starrte vor sich hin, "Wieso stehst du nur auf seiner Seite, ich verstehe es nicht, Tjara.", er klang bedauernd.

"Das brauchst du auch nicht, Ubbe.", flüsterte ich gereizt.

"Doch, erkläre es mir.", er setzte sich vor mich und sah mir nun in die Augen.

"Du weißt nicht wie es ist fünf ältere Bruder zu haben. Jeder versucht dich zu belehren. Jeder versucht dich so hinzubiegen, wie es ihm gerade passt."

Ubbe lachte kurz auf, "So wie Ivar es tut meinst du?"

"Nein, so wie du es immer getan hast. Du warst derjenige, der mich immer von Ivar trennen wollte, du warst derjenige, der wollte, dass ich Ivar als Monster und schlechten Bruder ansehe.", ich sah ihn an, "Selbst jetzt willst du es noch, Ubbe."

Nun setzte sich Lagertha auf den Tisch vor mir und sah mich an. Sie bemühte sich zu lächeln, doch selbst wenn ihr Lächeln ernst gemeint wäre, würde ich sie immer noch hassen. Sie hat unsere Mutter umgebracht.
"Wir möchten vermeiden, dass Blut fließt, Tjara."

Amüsiert lachte ich auf, "Dann überlass Ivar den Thron.", flüsterte ich mit einem falschen Lächeln.
"Ich glaube du verstehst nicht, Tjara. Wenn es zum Kampf kommen sollte, wird unsere Streitmacht, die deines Bruders niedermetzeln, bis auf den letzten Mann. Wir können das auch ohne Blutvergießen klären. Es liegt in deiner Hand."

Sie stand auf und verließ mit Björn das Zelt.

"Ivar ist im unrecht. Du unterstützt ihn falsche Entscheidungen zu treffen, warum?"

"Weil er...-", begann ich, doch Ubbe unterbrach mich zischend, "Sag jetzt bloß nicht, weil er dein Bruder ist.", er sah mich autoritär an, "Das bin ich auch."
Ich sah zu Boden.
"Du opferst deinen Willen für Ivar."

Ich atmete tief ein, um erneut zum Reden anzusetzen, doch ich kam nicht so weit. "Du opferst nicht nur deinen Willen, sondern auch dein Leben."

"Die Götter haben es entschieden, Ubbe. Der Seher hat es mir gesagt, er sagte ich treffe die richtige Entscheidung.", wütend erhob ich mich.

Kopfschüttelnd sah mein Bruder zu Boden.
"Ich will dir nicht in der Schlacht gegenüberstehen.", flüsterte er, während er vor sich her starrte, "Ich will meine einzige Schwester nicht erschlagen müssen.", Ubbe erhob sich, er legte seine Hand an meine Wange und sah mich bedauernd an, "Du hast bis morgen früh Zeit dich zu entscheiden. Morgen wird verhandelt."

Am nächsten Morgen war ich endlich wieder mit Hvitserk und Ivar vereint. Wir saßen auf einem freien, weiten Feld Ubbe, Björn, Lagertha und Halfdan gegenüber.
Ich saß neben Ivar.
"Wir müssen heute entscheiden, ob wir kämpfen, oder ob wir eine Einigung finden, die uns erlaubt friedlich miteinander zu leben.", Björn sah jeden einzelnen von uns genau an, "Ich wende mich an meine Geschwister. Ivar. Tjara. Hvitserk. Lasst uns alles vergessen. Unser Vater hätte es nicht gewollt."

"Ich will auch etwas sagen.", Ubbe meldete sich zu Wort, "Ja, ich habe mich gegen meinen Bruder gewendet, aber vielleicht kannst du mir verzeihen, Ivar."

Ich wagte nicht in Ivars Gesicht zu sehen, denn ich wusste, dass es nicht fröhlich am Strahlen war.

"Wir könnten uns versöhnen.", beendete Ubbe seine Worte.

"Es geht hier um Kattegat. Das Königreich ist von meinem Gemahl Ragnar Lothbrok aufgebaut worden und dann von mir. Ich bin die rechtmäßige Königin.", Lagertha stand auf.

"In uns fließt das Blut von Ragnar Lothbrok, nicht in dir!", schrie ich sie an und fuhr nach vorn.

Ivar drückte mich stumm zurück.
So eine Beherrschung hätte ich ihm niemals zugetraut.
Lagertha ignorierte meine Worte, doch sie wusste, dass es stimmte.

"Wieso sollten wir unsere Krieger für ein bisschen Land, was sowieso schon uns gehört, in den Tod schicken?", Lagertha sah besonders Ivar an, doch der blieb stumm.

"Bruder, lass uns nicht kämpfen, was haben wir davon? Nichts.", fragte Halfdan seinen Bruder.

König Harald schüttelte mit dem Kopf, "Wir gewinnen die Welt. Schließe dich an und wir teilen sie."

Lagertha schritt auf Ivar zu, "Du hast viel zu verlieren, Ivar. Wenn du Krieg willst, dann lass uns Krieg führen. Aber wenn du verlierst, dann verlierst du alles.", sie drehte sich um und ging langsam zurück in ihre Reihen, "Wenn dir der Sieg gelingt, dann wird jeder sagen, dass du nicht der rechtmäßige Herrscher von Kattegat bist. Und wenn du verlierst, werden alle sagen, dass es der Wille der Götter gewesen ist."

"Lass es Ivar, wir sind doch alle Ragnars Kinder. Ist das nicht genug?", fragte Ubbe ihn.
Doch Ivars Miene verfinsterte sich. Er blickte nachdenklich zu mir und Hvitserk, bis er sich schließlich erhob.

"Bringt Hörner mit Met, wir sollen feiern.", Ivar schien aufgegeben zu haben.
Fassungslos sah ich ihn an. Ich schwenkte meinen Blick zu Hvitserk, der genau so sprachlos aussah, wie ich.
Einerseits fiel mir ein Stein vom Herzen, doch andererseits hatte ich mich auf den Sieg und auf Kattegat gefreut.
"Es wird nicht gekämpft. Heute nicht und auch nicht morgen.", Ivar sah sich um.
König Harald stand wütend auf, "Das ist nicht deine Entscheidung!"

"Ich hasse mich, weil ich Sigurd getötet habe, ich will nicht gegen meine Brüder in die Schlacht ziehen. Das wäre noch viel schlimmer.", er sah zu Boden, "Ich kann nicht.", flüsterte Ivar.
"Ich widerrufe, dass ich Lagertha töten werde.", rief er, "Sie kann Kattegat behalten, ich will es nicht mehr."
Ivar ging nun zu Ubbe, "Du hattest Recht, wir sind alle Ragnars Kinder, verzeih mir."

Uns wurde der Met gebracht, "Skål."

Glücklich tranken Hvitserk und ich, Ivar lächelte ebenfalls und trank einen Schluck.
Er lachte Ubbe kurz an, bevor er wieder seinen normalen, finsteren Blick aufsetzte und Ubbe den Inhalt seines Bechers schwungvoll ins Gesicht schüttete.

Leise seufzte ich.

"Wie blau sind meine Augen, Ubbe?", fragte Ivar unseren Bruder.

"Was?", fragte er verwirrt.

"Wie blau sind sie?"

"Sie sind sehr blau, Ivar."

"Ich musste dich damals jeden Morgen Fragen wie blau das weiß in meinen Augen ist, erinnerst du dich?"

"Ja, es war ein großer Teil meiner Kindheit, wie blau sind Ivars Augen heute?"

Ich erinnerte mich ebenfalls daran. Nicht selten sagte Ubbe ihm, dass seine Augen blau waren und er sich den Tag schonen sollte, doch Ivar hörte nicht und brach sich immer wieder die Knochen.

"Ich kann mir vielleicht Knochen brechen, doch keine Versprechen. Ich werde sie umbringen, denn ich kann ihr niemals verzeihen, dass sie unsere Mutter umgebracht hat. Wie kannst du das nur, hm?"

Ubbe wendete sich lachend ab und drehte Ivar den Rücken zu, "Unsere Mutter, Ubbe!", er schlug ihn wütend auf den Rücken.
"Natürlich werde ich sie töten!", schrie Ivar aggressiv.

Ubbe schluckte, er suchte nach den passenden Worten, er schien sich unsicher zu sein, "Du hast gesagt du kämpfst nicht gegen deine Brüder."

"Du bist nicht mehr mein Bruder.", sage Ivar bedrohlich.

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