24. Das Aufeinandertreffen

Ich stand immer noch dort, als es langsam hell wurde.
Ich atmete die kühle Morgenluft.
Wieder einmal musste ich daran denken, dass wir gegen unseren eigenen Bruder in die Schlacht ziehen mussten.

Unseren Bruder, der nichts, als Frieden wollte. Frieden unter uns, Frieden unter den verschiedensten Völkern.
Ich seufzte laut und begab mich zurück in die Halle. Ich schloss leise die Tür, damit die Wärme des Feuers nicht weichen konnte.
Langsam hörte ich Ivar näherkommen. Der dumpfe Schlag seines Stockes auf dem Boden war unverkennbar.

"Du willst sie töten oder? Es geht dir nicht um unseren Bruder?", hörte ich mich sagen, bevor ich nachdenken konnte.
Ich sah Ivars skeptischen Blick mir gegenüber, "Wie wäre es, wenn ich beide gleich umbringe? So ist uns niemand mehr im Wege.", Ivar lächelte mich boshaft an.

"Du darfst Björn nicht vergessen.", Hvitserk regte sich und hob den Kopf, "Wir dürfen nicht vergessen, dass er irgendwann auch nach Kattegat zurückkehren wird."

"Natürlich sollten wir vorausplanen, Hvitserk.", Ivar klang genervt, "Aber nicht zu weit."
Er setzte sich auf die Bank neben uns und sah ins flackernde Feuer.
"Wir sollten nun über einen Schlachtplan nachdenken.", erwartungsvoll sah er Hvitserk und mich an. Hvitserk war immer noch heiter drauf und daher leider nicht zu gebrauchen. Also wendete Ivar sich an mich, "Also kleine Schwester.", er grinste mich triumphierend an, "Wenn du schon nicht ordentlich kämpfen kannst, kannst du dir sicher Schlachtpläne ausdenken. Irgendetwas musst du ja von unserem Vater haben.", er lächelte gemein.

"Vater war nie da, was soll ich schon von ihm haben, Ivar. Floki war mehr ein Vater, als es Ragnar für mich war."

Ivar lachte los, "Also wirst du uns die Schiffe bauen, Tjara?"

Ich schlug laut auf den Tisch, "Nein, werde ich nicht, Ivar!", schrie ich ihn nun wutgeladen an.
Hvitserk schreckte hoch und sah verwirrt umher.

Ivar nahm seinen Stock und richtete sich vor mir auf, ich tat es ihm gleich und stand ebenfalls auf.
Ivar schien mich nicht einmal ernst zu nehmen, wenn ich ihn anschrie, denn auf seinem ernsten Gesicht erschien ein Lächeln. Er beugte sich zu mir, "Wuff, wuff.", flüsterte er mir ins Ohr.

Ich verdrehte genervt die Augen, doch irgendwie hatte er ja auch Recht.
"Nun setz dich und erzähl mir, was in deinem Kopf vorgeht."
Hvitserk sah interessiert zu uns und begann zu lächeln.

"Ich denke, dass wir über das Meer angreifen sollten.", eher fragend sah ich zu meinem Bruder.
Er nickte, doch in seinem brillanten Kopf ging etwas anderes vor.

Er lehnte seine Arme auf den Tisch und sah mich an, "Sie werden wissen, dass wir früher oder später angreifen werden. Ubbe weiß, wie wir in England kämpften, er weiß was meine Pläne waren.", ich wusste nicht genau was er mir damit sagen wollte und schaute zu Hvitserk, der langsam wieder klar denken konnte.

"Aber was, wenn Ubbe denkt, dass wir genau das Gegenteil machen von dem was wir machen sollten.", er grinste, "Wir werden sie über das Land angreifen."
Er stand auf. Er wollte wohl König Harald treffen und alles mit ihm besprechen.

Hvitserk sah mich nun ernst an, "Wir haben nicht mehr viel Zeit, bis wir angreifen. Ich werde dir in den nächsten Tagen alles beibringen und erzählen, was ich weiß. Alles, was ich von Vater und Ubbe gelernt habe.", ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.

Wir standen auf und begaben uns an einen einigermaßen freien Platz im Dorf. Mir schien es, als würde Hvitserk mir von Anfang an alles erneut beibringen wollen. Ich hörte zu und versuchte mir alles zu merken.

Tatsächlich wurde ich von Tag zu Tag besser. Kein Wunder, denn es gab fast keine freien Momente. Hvitserk quälte mich bis tief in die Nacht, weckte mich morgens, mit einem Schwert an der Kehle und bereitete mich auf sämtliche Situationen vor, die auf uns zukommen könnten.

Schließlich bereitete er mich auf das Entscheidendste vor - unserem ältesten Bruder im Kampf gegenüber zu stehen.
"Eigentlich bin ich mir sicher genug, dass Ubbe dir niemals etwas antun könnte. Doch vielleicht haben sich die Zeiten geändert."

Ich schluckte, ich wollte mir nicht einmal vorstellen, wie es sein könnte ihm gegenüber zu stehen.
"Du musst selbstbewusster, als sonst auftreten, stärker als sonst. Aber das wichtigste ist, dass du weißt wofür du kämpfst und dafür einstehst."
Ich nickte und wir fuhren mit unseren Kämpfen fort.

Nach 3 Nächten wurden die Schiffe beladen und alles für unseren Angriff vorbereitet.
Bevor ich an Bord ging überprüfte ich, ob meine Waffen alle da waren.
Ich weiß nicht warum, aber ich hatte immer Axt, Schwert und Pfeil und Bogen dabei, ich empfand es als sinnvoll.
Ich sprang zu meinem Bruder Hvitserk an Bord und lächelte ihn freudig an, ich war aufgeregt.
Hvitserk half Ivar an Bord, der sich nun zu uns gesellte.
"Glaubst du sie wissen, dass wir kommen?", Hvitserk sah Ivar an.
"Gewiss wissen sie es, Hvitserk, gewiss."

Ich genoss unsere Fahrt über das Meer, ich wusste, dass ich dazu bestimmt war über die Meere zu fahren.
Es dauerte einige Tage, bis wir eine einsame Bucht erreichten, den Rest müssten wir nun zu Fuß und auf den Pferden bewältigen.
Ivar saß in seinem Pferdewagen, Hvitserk und ich hatten ein Pferd, auf dem wir ritten.

Auch wenn wir weit von Kattegat weg waren fühlte ich mich wieder Zuhause.
Mit ausdruckslosem Gesicht fuhr Ivar voran, bis seine und König Haralds Streitmacht auf weitem Land standen.
Plötzlich hob Ivar die Hand und alle kamen zum Stehen.

In der Ferne sah ich sie. Die Streitmacht von Kattegat.
Auf einem weißen Pferd saß Lagertha. Ich atmete tief ein und sah Ivar an.
"Wir warten.", flüsterte er.

Schließlich bewegte sich auf der anderen Seite etwas und Björn kam mit Halfdan, König Haralds Bruder langsam auf uns zugeritten.
Wieder sah ich zu Ivar, der die Arme verschränkte und interessiert zu König Harald sah, der sich nun auf seinem Pferd vor uns schob.

Der König sah zu Ivar, der kurz auf Hvitserk zeigte und in Björns Richtung nickte.
Harald und Hvitserk machten sich auf den Weg und ritten Björn und Halfdan entgegen.
Ich kniff die Augen zusammen und sah den beiden hinterher.
Sie schienen Leibbürgen auszutauschen.

Ich sah wie Björn mit dem Kopf schüttelte, es schien, als deutete er kurz auf mich.
Hvitserk drehte sich zu Ivar, der schon ungeduldig wurde.
Unser Bruder kam zurück geritten, sprang vom Pferd und auf Ivars Wagen.
Er flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Langsam drehte Ivar den Kopf und sah entsetzt zu mir.

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