23. König Harald

Nach einem erneuten Sieg über die Sachsen zogen meine Brüder und ich uns in die große Halle zurück.
Unsere Streitmacht feierte in der Stadt und entsorgte die Leichen.
Ich saß auf einem Stuhl und sah immer noch bedrückt zu Boden.

Ivar ging mit seinem Gehstock um mich herum. Ich wagte es nicht ihn anzusehen.
"Das sind ihre ersten Kämpfe, Ivar. Sie kämpft noch nicht lange, sie...-", Hvitserk wurde von Ivar ungebrochen, "Du hältst jetzt die Klappe!", schrie er ihn an, ähnlich wie mich auf der Mauer.

Hvitserk sah ihn schweigend an.
"Hvitserk mag Recht haben.", er redete ruhig, doch die Ruhe hielt nicht lange an, denn im nächsten Moment schrie er mich lauthals an, "Doch du bist die Tochter von Ragnar Lothbrok! Du solltest wissen wie man kämpft, doch heute hast du das Gegenteil bewiesen!"
Ich sah ihn nicht an, das letzte Mal hatte er mich so sehr angebrüllt, als er als Kind seinen Willen nicht bekommen hatte.

Sonst war er immer verständnisvoll, manchmal sogar fast liebevoll und nun das.
"Du kannst nur froh sein, dass Hvitserk da war.", seufzend ließ er sich auf einen Stuhl fallen.
Er schien sich beruhigt zu haben.
Uns wurde Bier und Met gebracht.

"Die Streitmacht der Sachsen hat sich davon gemacht. Sie haben ihr Lager aufgegeben.", plötzlich stand einer der Männer neben Ivar. Ivar nickte ihm zu und er verschwand wieder.
"Wir könnten sie verfolgen.", Ivar sah uns fragend an.
"Nein, wir haben wichtigeres zu tun. Wir müssen an Kattegat denken. Was ist, wenn Ubbe Lagertha tötet oder ihm der Thron überlassen wird?", er sah Ivar ernst an, "Wir müssen Ubbe töten, du musst König werden, bevor Björn heimkehrt, Ivar."

"Wir können unseren Bruder nicht einfach töten.", warf ich entsetzt ein, "Er mag sich gegen uns gewendet haben, doch er ist immer noch unser Bruder, unser Ältester."

Ivar starrte mich an, ihm schien mein Einwurf nicht zu gefallen, "Wie du schon sagtest, er hat sich gegen uns gewendet, Tjara. Hvitserk hat recht, er wird von Tag zu Tag scharfsinniger.", Ivar lächelte Hvitserk boshaft an.

Ich seufzte kurz, "Wenn du das wirklich machen willst, dann sollten wir uns mit König Harald verbünden, er wollte schließlich Kattegat angreifen."

Ivar nickte mir zustimmend zu, "Sehr gut, Schwester. Wir werden York verlassen. Es werden genug Männer hierbleiben, um die Stadt bis zu unserer Rückkehr zu verteidigen.", Ivar stand auf, "Wir werden noch heute lossegeln."

Hvitserk machte sich auf, um genug Männer aufzutreiben, die mit uns segeln würden. Es ging ziemlich schnell, bis die Schiffe beladen waren und wir uns alle versammelt hatten, um ablegen zu können.

Ivar stand weit vorne am Schiff, als das Land schon viele Tage nicht mehr zu sehen war.
Hvitserk und ich saßen am Ende, "Wir werden gegen Ubbe kämpfen müssen. Ich werde dir bis dahin noch viel beibringen müssen."
Ich zitterte am ganzen Körper, entweder war mir kalt oder mir war unwohl dabei gegen meinen ältesten Bruder in die Schlacht ziehen zu müssen.
"Willst du ihn wirklich umbringen, Hvitserk?"

"Ivar ist ein Genie, er mag verrückt sein, aber ein Genie. Er muss einfach König von Kattegat werden."

Immer noch zitternd legte ich meinen Kopf gegen Hvitserks Schulter und schloss die Augen. Er zog die Decken, die uns wärmten, ordentlich.
Als ich wieder aufwachte war es wieder Tag. Unsere Schiffe fuhren auf Land zu und wir legten schließlich im kleinen Hafen an.
Ivar, Hvitserk und ich wurden zu König Harald begleitet.
"Die Kinder von Ragnar Lothbrok.", er lachte, "Warum seid ihr nicht nach Kattegat gesegelt?

Ich setzte mich zu Hvitserk auf eine Bank und ließ Ivar reden.

"Ubbe und ich liegen im Zwist. Wir waren uns in vieler Hinsicht nicht einig. Am Ende waren Tjara und Hvitserk an meiner Seite und unser Bruder ist alleine Heim gesegelt. Deswegen sind wir hier."

"Wenn ich Kattegat angreife werdet ihr mich mit euren Kriegern also unterstützen?"

"Ja, werden wir, aber nur wenn Ivar König wird.", sagte Hvitserk nun.
Ivar sah ihn entsetzt an, das gehörte wohl nicht zu seinem Plan.

"Ihr wisst, dass ich mit diesem Königreich anders vorhabe?"

"Gewiss, ja, mein geliebter Bruder hat nur versucht zu sagen, dass es auf lange Sicht nichts gibt, was euch davon abhalten kann über Kattegat zu herrschen. Ich bin ein kranker Mann, irgendwann sterbe ich und bin fort."

König Harald sah nun Hvitserk und mich an, "Was ist mit deinen Geschwistern?"

"Das Einzige, was wir wollen, was wir alle wollen, ist das Königreich, welches uns entrissen wurde. Wir wollen uns mit euch verbünden und es zurückholen."

Der König sah uns nachdenklich an und fing an langsam zu nicken.

Später saß ich mit meinen Brüdern zusammen, wir bekamen ausreichend Essen und Trinken.
"Was willst du in Wahrheit, Ivar?", Hvitserk sah ihn misstrauisch an.
Ivar zuckte mit den Schultern, als wenn es nicht offensichtlich wäre.
"Ich möchte der berühmteste Mann werden, der je gelebt hat."

"Berühmter als Vater?", fragte ich ihn und sah zu ihm auf.

Er nickte, "Viel berühmter als Vater. Niemand wird Ivar den Knochenlosen vergessen."
Ich musste grinsen. Einerseits war Ivar größenwahnsinnig, andererseits sehr Zielstrebig und wusste, dass er alles erreichen konnte, was er auch wollte.
Hvitserk sagte nichts mehr und verschwand in der Menschenmenge des Dorfes.
Ivar sah mich an, "Was denkst du darüber, Schwester?"

"Du bist jetzt schon ein großer Mann, warum solltest du nicht noch größer als Vater werden?"

Er begann zu lächeln, doch schnell wurde er wieder ernst und schwieg lange.

"Ich will dich nur schützen, Tjara. Wir sind Waisenkinder, wir müssen aufeinander Acht geben. Und ich will nicht, dass du vor mir Walhalla betrittst."

Am späten Abend wurde in der großen Halle von König Harald gefeiert, es gab eine Menge Met, Bier und vor allem Fleisch.
Als ich schon gut viel getrunken hatte erhob sich Hvitserk, "Trinken wir auf den Sieg über Lagertha und auf die Befreiung von Kattegat."

Ich hörte ihm an, dass er ebenfalls Betrunken war. Alle jubelten und tranken mit meinem Bruder.

Hvitserk und ich tranken viel. Wahrscheinlich viel zu viel, denn an das letzte, was ich mich erinnern konnte, war das Ivar seinen Becher nach einem jungen Mann warf, der sich versuchte mich anzunähern.
Früh am Morgen, es war noch stockdunkel draußen, wachte ich in der großen Halle von König Harald auf. Ich lag auf einem Pelz auf einer Bank. Ich richtete mich auf und sah durch die Halle.
Es drehte sich alles und ich sah zuerst nur verschwommene Umrisse.
Dann erblickte ich Hvitserk, der am Ende der großen Tafel mit dem Kopf auf dem Tisch schlief, seinen Becher hielt er noch fest in der Hand.
Ich rutschte zu ihm rüber und legte meinen Arm um seine Schulter.

"Guten Morgen, Bruder."

Hvitserk hob langsam seinen Kopf an und sah genau wie ich erst einmal durch den Raum. Daraufhin sah er mich mit zusammengekniffenen Augen an, "Wo sind denn alle?"
Ich lachte, "Ich nehme an, dass sie Alle Zuhause sind.", sagte ich noch lallend.
Er legte den Kopf wieder auf den Tisch.
Langsam richtete ich mich auf und torkelte in Richtung Ausgang.
Es war still draußen, ich blickte durch die finstere Nacht und fand Gefallen daran einfach auf das Meer hinaus zu sehen.
Ich hielt mich im Türrahmen fest und starrte vor mich hin.

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