22. Geschwisterliche Fesseln

Ubbe sah Hvitserk fassungslos hinterher.
Ohne ein Wort oder einen Blick zu wechseln stellte er sich zu uns und sah zu wie unser ältester Bruder in See stach.

"Wieso, Hvitserk?", fragte ich meinen Bruder, als wir zusammen mit Ivar am Feuer saßen und Met trunken.
Doch Hvitserk schwieg. Schließlich lehnte sich Ivar vor und sah ihn durchdringend an.
"Du hast mir gesagt der Seher sagte, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst.", Hvitserk sah mich an.
Ivar wusste nicht wovon er sprach und sah zwischen mir und Hvitserk hin und her.
"Der Seher prophezeite mir all dies.", ich sah kurz zu Ivar.
Dieser wendete sich an Hvitserk, "Der Seher hat Tjaras Schicksal vorausgesagt, doch es ist wohl der Wille der Götter uns drei vereint zu sehen.", Ivar trank seinen Met und stellte ihn laut auf den Tisch.
"Also, was ist dein weiterer Plan, Ivar?", fragte Hvitserk unseren Bruder. Ich sah interessiert zu ihm.
"Wir werden kämpfen, bis wir diesen Krieg gewonnen haben.", gleichgültig zuckte er mit den Schultern.
"Du musst doch einen genauen Plan haben, Ivar.", sagte Hvitserk ernst.

Ivar sah auf und musterte Hvitserk, "Glaubst du es war falsch das Schiff zu verlassen und dich uns anzuschließen? Bereust du es?", Ivar klang fies.
"Nein. Ich bereue es nicht. Es war mein Wille. Ubbe hat mich wie einen kleinen treuen Hund behandelt."
Nickend stimmte ich dem zu. Ivar sah Hvitserk mitleidig an.
"Ich bin von niemanden der Hund, Ivar."
Ivar nickte nachdenklich und sah ihn provozierend an. "Wuff, wuff.", flüsterte er, bevor er seinen Becher leerte.

Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, Hvitserk sah mich ernst an.
Ivar begann ebenfalls zu lachen.
Hvitserk nahm seine Waffen und verließ uns.
"Ivar.", sagte ich und versuchte nicht zu lachen, "Er hat sich für uns entschieden, du solltest dankbarer sein."

Er sah mich an und das Lachen verschwand aus seinem Gesicht.
Ich stand auf, um Hvitserk zu folgen, Ivar behandelte ihn ungerecht.
"Wenn du jetzt diese Halle verlässt, werde ich dich in einem Boot raus auf das Meer treiben lassen. Ich werde dich ertrinken lassen.", gleichgültig aß er ein Stück Fleisch, er sah mich nicht einmal an.
Nachdem er Sigurd umgebracht hatte, wusste ich, dass Ivar so etwas machen würde und setzte mich wieder.

Ein unangenehmes Gefühl füllte meine Magengegend.
Mein Bruder grinste, denn er hatte wieder einmal gewonnen.
Ich fühlte mich unwohl in seiner Gegenwart, war meine Entscheidung die Richtige? Selbst der Seher kann sich mal täuschen oder nicht?
Nachdenklich starrte ich auf den Tisch, bis Ivar die Stille unterbrach, "Bereust du es nun auch hier geblieben zu sein, Schwester?"
Ich sah auf und direkt in Ivars Augen.
Schnell schüttelte ich mit dem Kopf, "Nein, Ivar.", ich sah wieder stumm auf den Tisch und flüsterte schließlich, "Immerhin bin ich dein ewig treuer Hund."
Mir wurde jetzt erst klar, dass ich mein Leben lang zu jeder Zeit an Ivar hing, zu ihm hielt und ihn verteidigte, wenn unsere Brüder ihn auf Grund seiner Krüppelbeine ausschlossen.

Ivar grinste belustigt, anscheinend hatte er mein Geflüster gehört. Er hob seinen Becher, "Skål."
Ich erhob meinen Becher in Ivars Richtung und trank einen großen Schluck.

Am nächsten Morgen ging ich mit Hvitserk durch die Gassen von York. Es herrschte eine Seuche und überall lagen tote Krieger herum.
"Eine Seuche. Eine Seuche in der Stadt und Ivar tut so, als wenn wir die toten verbrennen. Ich verstehe es nicht.", Hvitserk sah sich das Elend an.
"Ivar hat einen Plan, Hvitserk. Du musst ihm endlich vertrauen. Er mag ein Krüppel sein, doch sein Kopf ist voller brillanter Ideen."
Er blieb stehen, "Und was genau ist sein Plan, Tjara? Hat er dich dran teilhaben lassen?"

"Unter der Stadt führen Tunnel entlang. Nachdem sie denken, dass wir unsere Toten verbrannt haben, werden wir uns dort verstecken. Die Christen werden denken, dass wir ihr Land verlassen haben und dann greifen wir an.", ich lachte.
Hvitserk sah mich an, als würde er nicht glauben können, dass unser Bruder so ein Genie war.

Wir versteckten uns schließlich unter der Stadt. Hier und da waren in den Gängen Schächte, die in die Stadt führten.
Wir hörten, wie die Sachsen durch die Stadt schlichen und schließlich jubelten.
Sie glaubten wir wären weg.
Leise wurden Leitern an die Schächte gestellt, bevor Ivar das Zeichen zum Angriff gab, zog er mich und Hvitserk zu sich, "Kämpft für den Allvater."
Hvitserk und ich warfen uns schnelle Blicke zu, bevor wir voller Energie die Leitern hinauf kletterten und uns in den Kampf begaben.

Die Sachsen verfielen sofort in Panik, sie schrien und zogen ihre Waffen.
Hvitserk und ich kämpften Seite an Seite, wir besiegten viele Christen, bis wir schließlich dem König und seinen Söhnen gegenüber standen.
"Mach unseren Bruder stolz, Tjara.", sagte er und deutete kurz in die Richtung des Sohnes vom König.
Ich Schritt auf den Sohn zu und er setzte zum Angriff an. Hvitserk kämpfte währenddessen mit seinem Vater, damit er ihm nicht zur Hilfe eilen konnte.

Ich schlug immer wieder mit meiner Axt nach ihm, doch sein großes Schild schütze ihn nur zu gut.

In einem Moment der Unachtsamkeit drang sein Schwert in mein Bein ein. In das Bein, welches seit dem Kampf in Kattegat mir Probleme bereitete.
Meine Beine wurden schwer und ich sank schließlich zu Boden.
"Tjara!", hörte ich Hvitserk brüllen. Doch seine Schreie hörten sich so weit weg an.
Er schaffte es irgendwie mich aus der Situation herauszuholen.
Er stütze mich und ging zielstrebig in eine Richtung.

An der Mauer von York übergab er mich Ivars Wachen, die mich stützend zu Ivar auf die Mauer brachten.
Er sah mich bedauernd an und wendete sich wieder ab, um die Schlacht zu beobachten.

Ich saß währenddessen gegen eine Mauer gelehnt. Meine Wunde wurde fest verbunden. Nach einiger Zeit versuchte ich mich wieder aufzurichten.
Ivar bemerkte anscheinend im Augenwinkel meine Bewegungen und drehte sich um, "Nein!", schrie er aggressiv wie noch nie und richtete seine Messer auf mich, bevor er sich wieder abwandte.

Ich war bereit wieder zu kämpfen, doch mein Bruder ließ mich nicht.
Zögernd stellte ich mich neben ihn und beobachtete alles von oben.

Langsam drehte Ivar den Kopf und schrie erneut los, "Was wärst du nur ohne uns, Tjara, was wärst du nur ohne deine Brüder, die dich stets beschützen?!", so aggressiv war er lange nicht mehr.
War er so, weil er so in Fahrt war und auf den Sieg aus war? War er wütend auf mich oder sorgte sich gar um mich? Ich wusste nicht, was ihn gepackt hatte, aber ich sah bereuend zu Boden.

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