10. Blutrache
"Wie die kleinen Schweinchen Grunzen, wenn sie hören, was der Eber ertragen musste.
Es erfreut mich zu wissen, das Odin an seiner Tafel bereits auf mich wartet. Schon bald werde ich Bier aus Hörnern trinken. Ich werde nicht von Angst erfüllt sein, wenn ich Odins Halle betrete. Dort werde ich dann auf meine Kinder warten. Und wenn sie da sind, werde ich mich an den Geschichten ihrer Siegestaten erlaben. Die Asen werden mich willkommen heißen. Ich werde nicht um Vergebung flehen und ich werde die Walküren begrüßen, wenn sie kommen, um mich nach Walhalla zu führen."
Ich stand im strömenden Regen. Der Wind war so stark, dass er mich fast umschmiss.
Auf einmal packte mich eine Hand am Arm.
"Vater.", rief ich erschrocken.
Doch es war nur Ubbe, der mich ernst ansah und zustimmend nickte, "Ich habe es auch gehört."
Er zog mich durch den Sturm in unsere Hütte, wo wir uns am Feuer wärmten.
Keiner vermochte etwas zu sagen.
Wir tranken bis in die Nacht, bis ich irgendwann am Tisch einschlief.
Einige Tage später war wieder strahlend blauer Himmel, die Sonne schien.
Ich zwängte mich an Sigurd, der im Türrahmen stand und mit einem Messer schnitzte zurück in die Hütte und setzte mich neben Ubbe an den Tisch.
Er schob mir seinen Krug Bier zu und ich trank einen großen Schluck.
Ivar saß uns gegenüber.
"Das ist mein Messer.", sagte er, ohne sich zu rühren. Ich sah ihn verwirrt an, dann drehte er sich leicht zu Sigurd. Er kam herein und schloss die Tür, während Ivar sich langsam drohend wiederholte, "Das ist mein Messer."
"Nein, ist es nicht."
"Gib es mir.", Ivar ging zu Boden und kroch auf Sigurd, der nun auf einem Hocker saß zu.
"Du bist verrückt, das gehört nicht dir, Vater hat mir das Messer gegeben."
Ich sah kurz zu Ubbe, der sichtlich genervt war. Er nahm seinen Krug und trank, während er unsere Brüder beobachtete.
"Ich werde Lagertha damit umbringen. Ich werde sie mit Vaters Messer umbringen."
"Du bekommst es aber nicht."
"Hört damit auf.", warf Ubbe kurz ein, doch natürlich wurde er ignoriert.
Ich sah in Ivars Blick, dass er etwas vorhatte. Und im gleichen Moment zog er mit einem Ruck den Hocker unter Sigurd weg und schmiss sich auf ihn.
Sigurd hielt das Messer weit nach oben, so dass Ivar nicht drankommen konnte.
Ubbe, der immer noch neben mir saß, schlug kurz auf den Tisch und stand genervt auf. Ivar verpasste Sigurd mittlerweile Schläge ins Gesicht.
Ubbe packte Ivar am Nacken und zog ihn von Sigurd runter.
"Hör auf."
Sigurd wiederum packte er und zog ihn auf die Beine.
"Wir müssen wichtige Entscheidungen treffen.", sagte Ubbe schließlich.
"Wie immer musst du uns sagen, was wir zu tun haben.", Sigurd sah ihn wütend an.
"Wer soll es euch sonst sagen?", Ubbe wurde lauter und setzte sich wieder.
Ivar hatte sich mittlerweile auf die Bank neben mich gesetzt.
"Du musst nicht immer alles kriegen, was andere haben. Du kannst sie auch mit einem anderen Messer umbringen.", zischte ich leise, denn ich wollte nicht, dass Sigurd mitbekamm, dass ich diesmal auf seiner Seite war.
"Ich werde Lagertha mit diesem Messer umbringen. Mit diesem und mit keinem anderen!", schrie Ivar und schubste mich von der Bank.
Ich fiel zu Boden, doch gefallen lassen wollte ich es mir auch nicht. Also stand ich wieder auf, ging um den Tisch herum und zog Ivar auf den Boden. Ich wollte mich gerade auf ihn stürzen, als Ubbe nun mich am Kragen packte und wegschubste.
"Jetzt hört endlich damit auf!", schrie er wütend.
Wir wurden alle still und Ivar zog sich erneut auf die Bank hinauf.
Ich hielt nun Abstand von ihm und setzte mich an die Feuerstelle.
"Wenn nur Björn hier wäre.", Ubbe seufzte.
"Denkst du er weiß das mit Vater?", fragte Sigurd nun.
"Denkst du Odin hat es nur uns erzählt, aber Björn hat er vergessen, hm?", Ivar sah ihn ironisch an und tippte sich mit dem Messer unseres Vaters gegen den Kopf.
"Ich hoffe, dass er bald Heim kehrt."
"Und Hvitserk ebenfalls.", ergänzte ich.
Ubbe nickte.
"Aber solange Björn nicht hier ist, müssen wir entscheiden, was zu tun ist."
"Und was ist zutun, Ubbe?", ich sah ihn an.
"Wir wollen Blutrache an Aelle.", er sah in die Runde.
"Nicht nur an Aelle.", Ivar sah ihn entgeistert an. "Ich habe es euch doch gesagt. König Egbert hat unseren Vater geopfert und genau das gleiche werden wir ihm auch antun.", Ivar setzte seinen verrückten Blick auf, "Das wollte unser Vater. Und er wollte, dass ich euch diese Botschaft überbringe."
"Das ist leichter gesagt als getan."
"Oh, da ist sie wieder. Die Stimme der Vernunft.", Ivar rammte das Messer unseres Vaters, welches er endlich bekommen hatte, in den Tisch, "Ich hasse Vernunft.", Ivar zog in die andere Ecke der Hütte ab.
Sigurd setzte sich nun auf den Platz, wo Ivar zuvor saß.
"Was meinst du? Ich höre dir zu, wenn er es nicht tut."
"Aelle hat ein kleines Königreich und Egberts Königreich ist gewaltig, sagt mir, wie wir das schaffen sollen, wenn wir so etwas noch nie vorher versucht haben."
Ivar war mittlerweile auf dem Weg zur Tür und öffnete sie.
"Wir brauchen eine Streitmacht, eine Streitmacht, viel größer, als je zuvor.", Sigurd sah selbstsicher von Ubbe zu mir.
"Vater war ein großer Mann. Ich bin mir sicher, dass sich viele Krieger uns anschließen würden.", ich nickte Sigurd zustimmend zu.
Ivar schloss wieder die Tür, "Sie haben Recht. Wir werden eine Streitmacht haben, die doppelt so groß ist, wie die mit dem Vater in Paris war."
"Wir erklären England den Krieg.", warf Sigurd wieder ein.
Ubbe sah nur noch von beiden hin und her.
"Nein. Im Namen unseres toten Vaters, der der größte Mann unseres Volkes war und im Namen Odins, werden wir der ganzen Welt den Krieg erklären.", Ivar sah mich mit seinem gestörten Blick an. Ich nickte und sah zu meinen Brüdern, die anscheinend nicht so recht wussten, was sie davon halten sollten.
Die nächsten Tage verbrachte ich damit, meine Waffen, wie meine Brüder es taten aufzuarbeiten. Meine Wunde war schon ganz gut abgeheilt, jedoch schmerzte sie immer noch sehr, was Ubbe nicht unbemerkt ließ.
Es war ein regnerischer Tag und die Wunde schmerzte, wie nie zuvor. Ich versuchte meinen Schmerz zu verbergen, doch, als ich beim Gehen zusammenbrach reichte es Ubbe.
"Wir gehen zu Lagertha."
Ich schüttelte den Kopf, "Nein, wir warten, bis Floki zurückgekehrt ist."
"Lagertha hat heilkundige Leute unter sich.", widersprach Ubbe.
"Sie will sich nicht von einer Frau helfen lassen, die unsere Mutter ermordet hat, versteh es doch, Ubbe.", mischte Ivar sich ein, worüber ich recht dankbar war, "Wenn sie sagt, sie wartet auf Floki dann wartet sie auch auf Floki."
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