Versprechen
Kapitel 3
Fünf Jahre zuvor
Nora stemmte sich aus dem Wasser, setzte sich an den Rand des Beckens und versuchte nicht zu lächeln, als dieser Junge sich näherte, der kein Junge mehr war. Im angenehm kühlen Poolwasser spiegelte sich seine Erscheinung direkt hinter ihr, doch sie blieb davon unberührt und rang sich weiter ihre langen Haare aus, die nach dem Bad im Schwimmbecken rabenschwarz wirkten.
„Da bist du ja wieder. Ich dachte schon, mein Vater hätte dich doch noch umgebracht", merkte sie an und wagte nun endlich ihm einen Blick über die Schulter zu gönnen. Er ragte über ihr auf, ihr Kopf auf der Höhe seines Schrittes und sie erwischte ihn dabei wie sein Blick für wenige Sekunden zu lange an ihren Brüsten klebte.
Fast hätte sie geschnauft. Ihre Oberweite war nicht besonders spektakulär, auch nicht wenn der Bikini, den sie trug nicht viel versteckte. Es war nicht ihr Körper, der ihn dazu verleitet hatte ihre Nähe aufzusuchen, sondern das was in der Nacht vor zwei Jahren passiert war. Am Abend noch hatte ihr Vater seinen Rücken mit einer Peitsche bearbeitet, wodurch die Haut seines Rückens in Fetzen an ihm herab gehangen hatte. Er war nicht der erste Mann, der das hatte durchleiden müssen und er war nicht der Letzte gewesen. Bei weitem nicht.
Ihr Vater herrschte mit Grausamkeit und Furcht über sein Waffenschmuggler Imperium und gerade gegenüber den geringsten in der Hackordnung, verteilte er drakonische Strafen. Doch nie, wirklich niemals, hatte Nora sich da eingemischt. Nicht vor ihm und nicht nach ihm. Man hätte es als die Laune eines kleinen, verwöhnten Mädchens abtun können, aber nicht, nachdem was sie in der darauffolgenden Nacht getan hatte.
Sie hatte sich aus dem Bett geschlichen, war in die Küche geeilt und hatte ihm etwas zu trinken gebracht, weil er den ganzen Tag ohne Wasser in der Sonne mit blutenden Wunden geschmort hatte. Es war kein Mitgefühl gewesen. Sie war mit einem Gefühl von Wut und Starrsinnigkeit zu ihm gegangen. Mitten unter den Augen der Wachen, die um diese Uhrzeit Schicht gehabt hatten. Niemand hatte sie aufgehalten, niemand hatte sie je von irgendetwas angehalten. Und in dieser Nacht war sie dickköpfig genug gewesen ihn nicht sterben zu lassen. Sie hatte ihrem Vater davon abgehalten ihn zu Tode zu prügeln. Allerdings nicht um ihn ein paar Stunden später verdursten zu lassen. Was für eine Verschwendung ihrer Mühen das doch gewesen wäre.
Sie mochte Sinnlosigkeiten nicht.
Alec erwiderte nichts darauf. Sah sie einfach nur an, schien sie analysieren zu wollen, doch er wurde nicht schlau aus ihr. Armer Kerl. Wahrscheinlich dachte er zuerst, dass sie sich einfach in ihn verguckt hatte. Nun aber sah er keine Anbetung, kein Schmachten in ihrem Blick, zumindest nicht im romantischen Sinne.
Wortlos überreichte er ihr ein Handtuch, wie der brave Diener, der er war und Nora stand auf und nahm es entgegen.
„Du hättest schreien sollen. Nur weil du dich geweigert hast zu schreien, ist mein Vater in diesen Blutrausch verfallen", erklärte sie müde und ging auf einen kleinen Tisch zu, wo eine Haushälterin ihr einen kühlen Eistee hingestellt hatte. Immer noch kam keine Reaktion und Nora leerte das Glas in einen Zug, bevor sie weiter sprach.
„Wohin hat mein Vater dich gesteckt? Iran? Irak? Afrika?", fragte sie und erinnerte sich an den Ausbruch ihres Vaters, der auf dieses Glas Wasser gefolgt war, das sie Alec gebracht hatte.
Natürlich war Magnus nicht auf seine Tochter wütend, er hatte es als die Anwandlung eines kleinen Mädchens abgetan und ihr nur liebevoll den Kopf getätschelt. Der Ausbruch hatte dem Mann gegolten, der zur Alecs Bewachung abgestellt worden war, damit niemand dem Jungen half.
Als aber Nora kam, hatte sich der Mann in einer Zwickmühle befunden. Er hatte die Anweisung jeden zu erschießen, der versuchte die Autorität seines Bosses infrage zu stellen, aber dessen über alles geliebte Tochter etwas anzutun konnte er schließlich auch nicht. Armer Mann. Er hatte diese Zwickmühle nicht überlebt. Ein paar Tage danach hatte Magnus Alec wegbringen lassen. Das hatte der alte Mann gar nicht gut aufgenommen, aber zurückbeordert hatte ihr Vater Alec auch nicht.
„Das hast du ihn nicht gefragt?", fragte Alec stirnrunzelnd. Nora lächelte süßlich und zuckte mit den Schultern.
„Nein. Warum sollte ich?" Weil sie ihm das Leben gerettet hatte? Hielt er sie tatsächlich für ein so einfach gestricktes Mädchen? Wohl kaum. Es war Berechnung, und zwar zu ihrem eigenen persönlichen Vorteil.
„Sibirien", antwortete er daraufhin auf ihre längst gestellte Frage und Nora betrachtete ihn eingehender. Er hatte sich in den letzten zwei Jahren sehr verändert. War noch größer geworden, noch kräftiger und der Ausdruck in seinen Augen ist nun um einiges kälter. Nein, ein Junge war er längst nicht mehr. Inzwischen wusste sie auch, wie alt er wirklich war. Zwanzig.
„Ich musste eine Menge Leute töten um wieder hier her zu können." Die Aussage hatte sicherlich den Zweck sie zu schockieren, aber das tat sie nicht. Jeder auf diesem Anwesen war ein Mörder und nur weil sie im Luxus lebte bedeutete das nicht, dass sie das nicht wusste. Absolut jeder hier hatte getötet, teilweise vor ihren Augen. Jeder außer sie selbst.
Nora hatte weder die Kraft noch das Feingefühl eines Mordes und zudem Leute, die sowas für sie erledigten. Ihren Vater zum Beispiel, der ihren Geschichtslehrer an die Hunde verfüttert hatte, weil sie ihm erzählte er würde sie anfassen. Das hatte er zwar nicht getan, aber er war ein Arschloch gewesen, der es nicht leiden konnte, wenn eine Frau klüger war als er und nicht den Anstand hatte dies zu verbergen.
Er hatte ihrer Mutter, die sie eh schon hasste, erzählt sie würde mit einem ihrer aktuellen Liebhaber flirten und Nora hatte dafür nur knapp einen Giftanschlag ihrer super Mutter überlebt. Ihre Katze, die davor von ihrem Pudding genascht hat, hatte nicht so viel Glück. Irgendwer hatte dafür büßen müssen. Und wenn ihr Vater es bei Lisa nur bei einer Tracht Prügel beließ, musste sie den Rest eben selbst in die Hand nehmen. Mit Manipulation.
Seitdem hielt sich Lisa von ihrer Tochter fern und versuchte nicht erneut den Verdacht zu erregen sie würde ihre offensichtliche Feindseligkeit gegenüber Nora, in einen Mordanschlag ausleben. Ihre Familie war einfach reizend.
„Offensichtlich genug, dass mein Vater auf dich nicht mehr verzichten will. Versuch nicht zwischen den Beinen meiner Mutter zu landen, dann wirst du hier keine Probleme haben", säuselte Nora mit Schalk in den Augen und wollte zurück ins Haus gehen, um sich anzuziehen, doch Alec hielt ihren Arm fest. Überrascht über die plötzliche Berührung schnellte Noras Blick zurück und sah ihn warnend an. Niemand hatte es je gewagt sie zu berühren. Niemand!
„Eifersüchtig, Prinzesschen?" Hatte er tatsächlich die Nerven gehabt sie das zu fragen oder hatte sie sich das eingebildet? Sie verzog ihre Lippen zu einem sinnlich, grausamen Lächeln und etwas blitzte in seinen schwarzen Augen auf. Das gefiel ihm. SIE gefiel ihm und langsam glaubte Nora, dass er eine wirkliche Chance sein könnte. Sie näherte sich ihm, legte ihm eine Hand auf die Brust, direkt dort wo sein Herz schlug.
„Das solltest du nicht hoffen. Wenn ich dich wollen würde, könnte ich dich damit in Situationen bringen, die meinen Vater glauben lassen würde, du könntest dich mir unziemlich nähern."
„Und wenn ich mich dir unziemlich nähere?", fragte er sofort, ohne zu überlegen. Noras Mundwinkel zuckten amüsiert und zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie etwas in ihrem Magen, dass sie begreifen ließ, was Frauen an Männern finden konnten. Vielleicht war doch etwas mehr von ihrer Mutter in ihr, als sie geglaubt hatte, denn sonst hätte sie sich nie auf die Zehenspitzen gestellt und ihm folgende Worte ins Ohr gesäuselt.
„Dann würde ich dir versprechen, dass du der Erste sein wirst."
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