Sterne
Kapitel 8
Nora stand einfach nur stumm da, in ihrer Hand das Geschenk ihres Lateinlehrers, der so unberührt sein Interesse an ihr bekundet hatte, dass es an Einfältigkeit grenzte. Und zum ersten Mal sah Nora, dass es auch noch andere Gefühle in Alec gab außer dieser ständigen Kälte und der Hunger, den er in ihrer Gegenwart verspürte. Wut. Zum erfrieren kalte, unnachgiebige Wut und die Tatsache, dass er einfach nur dastand und nichts sagte oder tat, machte die Situation umso unheimlicher.Nach einem kurzen Schreck von dem sich Nora schnell wieder erholte, glitt sie in einer fließenden Bewegung in seine Richtung.
„Wo ist mein Vater jetzt?", fragte sie ohne auf diese Situation einzugehen. Alec schenkte ihr keine Beachtung, sein dunkler, tödlicher Blick lag auf den Mann hinter ihr. Ihrem Lehrer.
„Alec? Stimmt etwas nicht?" Diese Frage war scheinheilig, sie wusste ganz genau, dass etwas nicht stimmte und sie wusste auch, was nicht stimmte. Doch er hatte kein Recht dazu verstimmt zu sein. Noch nicht. Noch gehörte sie ihm nicht. Noch hatte sich Nora nicht in seine Gefangenschaft übergeben
.Sein Blick fiel auf ihr Gesicht und ihre Ausdruckslosigkeit schien auch ihn wieder klar denken zu lassen. Man konnte förmlich zusehen wie er die Wut zurück in einen sehr finsteren Winkel seiner Seele zurückschob und sein Verstand begann zu arbeiten
.„Euer Vater", kommentierte er lediglich und Nora nickte verstehend bevor sie an ihm vorbeiglitt. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er ihr folgte. Er vermied es sie auch nur einen Schritt unbeobachtet zu lassen. Das war sein Job und seine Obsession. Nora war sich sehr sicher, dass er sie auch verfolgen würde, wenn er nicht ihr Leibwächter wäre. Alec war zu ... besessen. Ein Verrückter, der einer Verrückten folgte, ganz so als hätte sich das Schicksal mit ihnen einen Scherz erlaubt. Der Psycho war besessen von dem Psycho.
„Nora! Mein Herz! Komm zu deinem alten Herren!", tingelte Magnus Clay, als seine Tochter den Hof betrat, mit ausgestreckten Armen. Nora lächelte, umarmte ihn herzlich und ließ sich lange von ihm drückten.„Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz! Komm! Sie an was ich dir geschenkt habe!"
Er zog seine Tochter mit sich um das Haus, wo sich ein kleines Gewächshaus mit exotischen Pflanzen befand, zu dem allein Nora und ein Gärtner Zutritt hatten. Es war ebenfalls ein Geburtstagsgeschenk gewesen, aber sie war lange nicht mehr dort gewesen. Offensichtlich, den sonst hätte sie sicher schon früher bemerkt was hier vonstattenging.Sie war überwältigt.
„Alec erzählte mir von deinem aufkeimenden Interesse für die Astronomie und ich habe gedacht, dass man dein Gewächshaus so gut ergänzen konnte." Nora ging auf den schicken Unterstand neben dem Gewächshaus zu. Es war nicht mehr als eine Art Schleppdach aus Glas. Ohne Wände, nur eine Große Glasplatte diente als Dach, auf dem man bei Regen zusehen konnte wie das Wasser herabfloss. Ohne Zweifel um sich Optisch dem Gewächshaus anzupassen. Doch in der Mitte des Daches war schräg ein Rohr eingearbeitet. Ein großes Teleskop. Er hatte ihr eine Sternenwarte geschenkt.
„Papa, das ist wundervoll." Und das meinte sie ernst.Am Ende des Fernrohres war ein bequemer Sessel um ihr stundenlanges Stehen zu ersparen.
„Ich habe mich informiert. Bei gutem Wetter kannst du damit fast jeden Planeten unseres Universums sehen und darüber hinaus. Es hat sogar eine Technik für Infrarotbilder, mir wurde erklärt, dass dies nötig sei wenn du ernsthaft forschen willst."
Ihr Vater hatte schon immer ein Händchen dafür gehabt, seiner Tochter Dinge zu schenken, die sie absolut begeisterten, obwohl sie doch alles hatte was sie je wollen würde. Magnus grinste breit, ging zu ihr hinüber und strich ihr liebevoll über die Haare. Man konnte von dem Mann halten was man wollte, aber Nora wusste, dass er sie liebte. Auch wenn sie ihm solche Gefühle nicht entgegenbrachte. Das sollte sich undankbar anhören, aber wenn man den Psychologiebüchern Glauben schenken konnte, so war dies seine eigene Schuld. Nora war eine Psychopathin.
Sie war nicht dazu in der Lage wirklich tiefe Gefühle zu entwickeln, was an der massiven Gewalt lag, mit der sie hatte aufwachsen müssen. Die gnadenlose Brutalität, die ihr eigener Vater zu einem Teil ihrer Kindheit gemacht hatte, hatte ihre Psyche beschädigt, so sehr dass sie ihn einfach nicht so lieben konnte wie er sicherlich gerne gehabt hätte. Ironie des Schicksals.Als Magnus wieder ins Haus zurückging und Nora sich ihrem Geschenk zuwandte, spürte sie Alecs dunkle bedrohliche Gestalt hinter sich. Wie eine schlechte Angewohnheit, die man einfach nicht loswurde.
„Langsam wird der alte Mann sentimental", flüsterte Alec und Nora grinste in sich hinein.
„Nicht mehr als sonst. Wenn es um mich geht, tut er einfach alles."
„Dich beschützten tut er nicht.", knurrte er und eine seiner Hände berührte eine Strähne ihres langen nussbraunen Haares. Als es kurz ziepte, blickte Nora über ihre Schulter und starrte direkt auf Alecs Brust.
„Ich kann auf mich selbst aufpassen." Sie wagte es nicht ihn in diesem Punkt zu widersprechen, sie wussten beide dass es so war. Magnus liebte, schätzte und verwöhnte seine Tochter, solange sie nicht gegen ihn rebellierte. Er mochte ihren Verstand und war unglaublich stolz auf ihre Hochbegabung, aber wenn man genauer hinsah, schien sie nicht mehr für ihn zu sein als eine wertvolle Antiquität. Unbezahlbar und Unersetzlich aber dennoch einfach nur ein Ding. Den einzigen Menschen den Magnus wirklich wahrhaftig liebte war ihre Mutter. Er bestrafte sie, er kettete sie mit Gewalt an sich. Niemals würde er sie gehen lassen. Egal was Lisa auch tat: Magnus würde ihr nie so viel Schaden zufügen, dass sie daran zerbrach. Das war Liebe. Eine kranke, perverse Art von Liebe und die einzige der Nora jemals begegnet war.
„Du bist zu clever um die Sackgasse nicht zu bemerken, in die dein Leben zusteuert. Deine Intrigen und Psychotricks mit den Leuten um dich herum klappen nur solange, wie dein Vater an der Macht ist. Danach bist du Freiwild für jeden Mann auf diesem Gelände. Aber du hast Glück, Prinzessin, denn ich habe dich zuerst gesehen."
Nora sah zu ihm herauf. Wieder gab es absolut nichts Falsches an seinen Worten und obwohl diese bitterböse Tatsache ihr Angst machen sollte in nicht allzu ferner Zukunft nur noch Beute zu sein, lächelte sie. Sie lächelte weil Alec so weit war. Aus einem Diener, der nur seinen Job machte war ein Mann geworden, der einer Obsession für seine Herrin verfallen war.
„Bekomme ich von dir eigentlich auch ein Geschenk?", fragte Nora mit belegter Stimme. Alec ließ einen seiner Finger von ihrem Haar zu ihren Schultern gleiten, ein lüsternes Funkeln trat in seine Augen.
„Oh ja."
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