Spinnenfäden
Kapitel 11
3 Jahre zuvor
Ihr Geburtstag war nicht vorbei aber dennoch wünschte sich Nora sich sehnlicher als in ihr Zimmer zurückzukommen und das Geschenk entgegenzunehmen, das Alec ihr versprochen hatte. Sie war natürlich nicht blöd, sie kannte das süffisante Glitzern in den Augen von Männern, die vorhatten eine Frau zu vögeln. Alecs Blick war auch nicht anders und ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt als sie einen Blick über ihre Schultern warf und seinen dunkeln Augen begegnete.
Bereits jetzt zog er sie mit den Augen aus und Nora war so neugierig, dass sie sich am liebsten selbst vor ihm entkleidet hätte aber so einfach wollte sie es ihm nicht machen. Sie wollte verführt werden, wollte sich schön und weiblich fühlen ... sie wollte ... fühlen. Hitzige Leidenschaft und brennende Lust, eben alles wovon Liebesromane und Hollywood ihr eingeredet hatten, dass es das geben musste.
Manchmal wunderte sie sich selbst über ihr Kälte, ihre Unfähigkeit etwas zu empfinden und langsam aber sicher hegte sie den immer größeren Verdacht, dass mit ihr etwas ganz und gar nicht stimmte. Natürlich war sie in einem brutalen Umfeld groß geworden und deshalb ziemlich abgebrüht aber sie musste doch einmal irgendetwas empfinden. So wie sie dieses leichte kribbeln in ihren Magen spürte, wenn sie Alec breite Schultern, sein schönes Gesicht und die Muskeln registrierte und tatsächlich den Mann hinter dem Killer wahrnahm. Und dieser Mann gefiel ihr, mehr als ihr wahrscheinlich guttat.
„Du gehst schon, Kind?", fragte ihr Vater und erst da bemerkte Nor, dass sie sich vom Tisch erhoben hatte und anstatt ihre restlichen Geschenke aufzumachen, zur Richtung Tür gelaufen war. Zu ihm. Zu Alec. Als würde ein Band an ihr ziehen und sie dazu zwingen.
„Ich bin müde", log sie so perfekt, wie sie es immer vermocht hatte. Das verständnisvolle Nicken ihres Vaters sah sie nur aus den Augenwinkeln.
„Natürlich. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Guten Nacht, mein Kind."
„Guten Nacht, Vater", erwiderte sie schnell lief zur Tür und starrte Alec entgegen, während sie aus dem Raum glitt, den Flur durchtrat und die Treppe herauf eilte. Alec war hinter ihr und obwohl sie es ja selbst provoziert hatte, fühlte sie sich plötzlich gejagt.
Sie fühlte.
Angst. Panik und Unsicherheit.
Ein weiterer Blick über ihre Schulter bestätigte ihr Alecs Anwesenheit. Sein Blick lag auf ihr. Dunkel, verlockend und ... beängstigend. Was auch immer sein Geschenk sein würde, was auch immer sie sich darunter vorgestellt hatte. Es würde ihr nicht gefallen.
Nora blieb stehen, mitten auf einer der Stufen und Alec hielt erst inne, als er mit ihr auf Augenhöhe war.
„Du läufst weg?", fragte er fast schon amüsiert und wieder fühlte Nora etwas: Sterblichkeit.
Sie war eigentlich zu jung um sich über ihr eigenes Ableben Gedanken zu machen, aber jetzt wo sie ihm gegenüberstand und diese Dunkelheit in seinen Augen sah, sah sie sich selbst. Sie sah ihre Ermordung durch seine Hand, so unvermeidlich wie der morgige Sonnenaufgang.
Ihre Hand am Geländer begann zu zittern und Schweiß trat ihr auf die Stirn. Noch nie hatte sie Todesangst gespürt. Es war vollkommen neu für sie und die bereite plötzlich sich gewünscht zu haben, dass er sie fühlen lässt. Alecs Mundwinkel zuckten und er berührte mit einer unglaublichen Zärtlichkeit ihre Wangen, die nicht zu der Blutgier in seinem Blick passen wollte. Es war eine verhöhnende Geste, eine Triumphierende aber sie erkannte auch bedauern darin.
Langsam trat er noch eine Stufe herauf, Noras Zittern verstärkte sich und sie konnte spüren, wie das Blut in ihren Adern gefror als er sich zu ihr herunterbeugte und seine Stimme eiskalt über ihre Haut fuhr.
„Du siehst es, ich sehe die Panik in deinen Augen, Nora und sie ist das schönste was ich je gesehen habe." Sie erstarrte, als seine Lippen ihren Wagenknochen entlangfuhren und als er seine Hand in ihren Nacken legte und ihn umschloss, krallte sie ihre Fingernägel in seinen Arm um ihn abzuhalten. Um ihn davon abzuhalten sie zu verletzen. Wie konnte sie nur so blöd gewesen sein? Sie hatte immer gedacht jeden in diesem Haus überlegen zu sein, die Fäden in der Hand zu halten und plötzlich bemerkte sie, dass sie es gewesen war die sich in einem Spinnennetz verheddert hatte. In seinem Spinnennetz.
Geheuchelte Treue, unterdrückte Mordlust und eine Hingabe, die genauso wenig Echt war wie das aufgesetzte Lächeln ihrer Mutter, wenn sie dem Blick ihrer Tochter begegnete. Aber wenn sie ehrlich mit sich war, wusste sie, dass sie es hätte sehen können. Es lag die ganze Zeit vor ihr aber sie glaubte ja verlangen in seinen Augen zu sehen und Lust. Dieselbe Lust, die sie glaubte auch jetzt noch zu sehen. Aber sie hatte diese Lust falsch interpretiert. Es war nicht die Lust nach ihrem Körper, sondern nach ihrem Leben.
„Schade, dass es so schnell vorbeiging, ich hätte dir liebend gerne noch eine Weile dabei zugesehen wie du zappelst." Murmelte er und während sie hier beide standen, sah Nora zwei Wachen im Flur entlang gehen. Schnell öffnete sie den Mund, um nach Hilfe zu schreien, doch da legten sich seine Finger auch schon um ihre Kehle und raubten ihr den Atem.
„Nicht doch. Ich habe dir doch noch überhaupt keinen Grund gegeben, um nach Hilfe zu schreien." Alec hauchte einen Kuss auf ihre Wange und rieb seine Nase in ihrer Halsbeuge, während er darauf wartete, dass die Wachen weiterzogen. Dann schob er sie rückwärts die letzten Stufen hinauf, wobei Nora mehr als einmal stolperte und noch nur nichts tat, weil er zusätzlich zu ihrer Kehle auch noch ihren Oberarm umklammert hielt.
Ihr Rücken donnerte gegen ihre Zimmertür, die er einfach aufdrücke, die in ihr Zimmer schleppte und auf Bett warf. Nora rang nach der dringend benötigten Luft, die er ihr die ganze Zeit abgedrückt hatte und rieb sich über ihre schmerzende Kehle, während Alec zurück zur Tür ging, sie zuschob und verschloss.
Das unheilvolle Einrasten ihres Zimmerschlosses und das leichte Surren der elektronischen Verstärkung ließ ihr Herz rasen. Dieser zusätzliche Sicherheitsmaßname hatte Alec zu verantworten, genauso wie die Bruchsicheren Fenster und die schalldichten Wände.
Oh. Mein. Gott. Wie hätte sie nur so blind sein können? Er hatte sich seinen persönlichen Folterraum direkte in ihrem Zimmer eingerichtet und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Ihr eigenes Gefängnis und sie hatte all diese Maßnahmen mit einem Schulterzucken akzeptiert und nicht einen Gedanken daran verschwendet. Sie hatte es auf seine Ergebenheit, seine Faszination für sie geschoben. Den Willen sie zu beschützen, damit ihm ja keiner wegnehmen konnte, was sie ihm zugesichert hatte.
Sie könnte Schreien so sehr hasste sie sich für ihre Naivität aber das würde nichts bringen. Niemand konnte sie hören, niemand würde sie vermissen und ganz sicher würde sich niemand etwas dabei denken, wenn Alec die ganze Nacht in ihrem Zimmer blieb.
Wütend auf sich selbst, rappelte sie sich auf und sah sich nach ihren Möglichkeiten um. Wenn sie hier rauskommen wollte, musste sie gegen ihn ankämpfen. Und sie musste gewinnen. Sie musste...
Ein Knie landete auf ihren Rücken und drückte ihren Oberkörper in die weichen Laken, bis sie wieder glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Alecs Hände stützten sich neben ihrem Kopf ab, denn sie nach Luft schnappend zur Seite drehte und dann spürte sie wieder seine Hand in ihren Nacken.
„Du denkst darüber nach, wie du doch noch entkommen kannst. Du fragst dich, ob du etwas hast, was du mir über den Schädel ziehen könntest oder ob es etwas gibt, was du als Waffe verwenden kannst. Aber sei dir versichert, ich habe dafür gesorgt, dass es nichts davon in diesen Raum gibt, dass...Ahh!" Er schrie auf und unterbrach seine Ansprach, als sie sich vorbeugte, du ihm so kräftig in den Arm biss, dass er nach oben zuckte.
Er fluchte, packte erneut ihren Nacken und hielt sie diesmal so fest, dass sie sich ihm nicht entwinden konnte. Dann hob er sein Knie von ihrem Rücken drehte sie um, bis er über sie kniete und ihm ins Gesicht sehen konnte und dann schlug er zu.
Ihr Kopf wurde beiseite geschleudert. Der Schlag gegen ihre Wangenknochen war so heftig gewesen, dass sie für einen Moment Sternchen sah und eine Weile brauchte um sich davon zu überholen. So lange, dass sie nicht daran glaubt, sie rechtzeitig wieder zu sammeln um sich gegen seinen nächsten Übergriff wehren zu können. Aber der kam nicht. Egal wie lange ihre Gedanken sammelte, egal wie lange sie zu ihm hoch starrte. Es kam kein weiterer Schlag, keinen Übergriff, keine Schmerzen.
Alec saß auf ihr ohne ihr weh zu tun, sie konnte sogar ihre Hand an ihre Wange legen, um den Schmerz in ihrer Wange zu dämpfen und er saß einfach nur da. Thronte über ihr wie das Monster was er in Wahrheit war und starrte sie an.
Geschockt, verzweifelt und sehr sehr wütend. Sein Gesicht war angespannt, seine Muskeln verkrampft und dennoch sah er weiter auf sie herab und schien einen inneren Kampf mit sich auszuführen.
Dann schrie er kurz auf. Ein verzweifelter klang voller unterdrückter Wut und anderen Emotionen. Er griff nach ihren Händen, zog sie über ihren Kopf zusammen und hielt sie dort mit einer seine umfangen, während er die andere um ihren Hals legte. Er drückte zu, bis sie schmerzvoll aufwimmerte, dann ließen seine Finger wieder locker und er wirkte noch wütender, noch verzweifelter. Und Nora wurde klar, dass sie nicht ganz so dumm gewesen war wie sie geglaubt hatte. Ja, er hatte sie hereingelegt, sie in Sicherheit gewiegt und war ihr nun so nahe, dass er sie mit Leichtigkeit foltern und töten konnte. Doch während er sein Netz um sie spann, hatte er ihre Fäden auch nicht ganz abschütteln können. Denn er saß auf ihr, beherrschte sie, sie war ihm ausgeliefert. Er war kurz vor seinem Ziel und zögerte doch. Er kämpfte mit sich und vermochte es, abgesehen von der Ohrfeige gerade, nicht ihr wehzutun.
Er konnte es nicht.
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