Opfer und Fallen

Kapitel 9
Jetzt
Nora spürte ihn. Die finstere Konzentration mit der Alec den Wagen durch die Nacht steuerte, brannte neben ihr wie ein Leuchtfeuer, dass sie einfach nicht aufwärmen wollte. Es war ein kaltes Licht, so eisig, dass es ihr die Haut verbrannte.
„Du hast mir immer noch nicht gesagt, wo wir hinfahren", meinte Nora kühl ohne wirkliches Interesse an ihrem Zielort zu haben. Egal welchen Weg Alec auch beschritt: Sie würde mit ihm gehen und über die Leichen und den Schmerz hinwegsteigen, die er hinterließ, wie Brotkrumen.
„Zu einem Freund", meinte er und Nora seufzte.
„Du hast keine Freunde. Du hast Opfer und der Rest hat einfach Pech gehabt, dir über den Weg zu laufen." Das Zucken in seinen Mundwinkel wurde diabolisch und so grausam, dass es sie ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Das konnte nur er: Nora hatte nie vor irgendetwas Angst gehabt, aber er war dazu in der Lage. Er, seine psychotische Art und diese ständige Gewaltbereitschaft.
„Bist du mein Opfer, Nora?"
In ihr flammten Bilder auf. Sie sah sich selbst, nackt auf einen Tisch geschnallt und er thronte über ihr.
Vergewaltigung.
Verstümmelung.
Tod.
Und sie wusste, dass er dasselbe sah und sich auch sein Puls von dieser Vorstellung beschleunigte – nur aus einem anderen Grund. Er freute sich darauf, er sehnte sich danach und sie selbst hoffte nur, dass dieser Augenblick noch eine Weile auf sich warten ließ. Denn so würde es unweigerlich zwischen Ihnen enden, ihre Ermordung war Teil des Deals zwischen Ihnen.
„Vielleicht. Oder du bist meines." Erklärte sie kalt. Er lachte, während Nora nach hinten auf die Rückbank griff um ihre Tasche zu sich zu ziehen und ihr E-Bock aus einer Seitentasche zu holen. Sie hatte nicht viel mitnehmen können, weder aus ihrer Heimat noch aus dem Haus in der Ukraine, das sie nun gerade verließen. Sie hatte nur das wichtigste eingepackte: Anziehsachen eine Zahnbürste, ein Laptop und ihr E-Book. Alecs Gepäck sah ähnlich aus: Sachen, Hygiene-Artikel und etwas zur Unterhaltung, nur das sein Unterhaltungsmedium kein Buch oder ein Computer war, sondern ein Etui mit Skalpellen und Zangen.
Der Wagen hielt als Nora das Buch aktivierte und gerade mit dem Prolog von Dracula begonnen hatte. Sie hielten an einer Tankstelle, wo Alec an der Seite parkte, während er immer noch dieses verrückte Lächeln auf den Lippen hatte.
Er sagte nicht, was er hier wollte, aber Nora konnte sich denken, dass er etwas zu Essen besorgte und bevor er die Tür hinter sich zuschlagen konnte rief Nora ihm nach:
„Ich will ein Käse-Sandwich und ein Wasser ohne Kohlensäure!" Alec warf ein Blick zurück in den Fahrerraum und irgendetwas blitzte in seinen dunklen Augen auf. So tödlich und so unheimlich das jede normale Frau eingeschüchtert gewesen wäre. Auch in Noras Kopf rauschte das Blut, aber sie zwang sich zu einem süßen, sinnlichen Lächeln und blickte einladend unter langen dunklen Wimpern zu ihm auf.
„Bitte", hauchte sie hinterher und schob leicht die Unterlippe nach vorne. Alecs grinsen wurde noch kälter.
„Ach, Nora ich freue mich so sehr darauf immer wieder in deinen ausgehöhlten Kopf zu ejakulieren. Die Erinnerung an deine Schreie werden mit bis in alle Ewigkeiten eine Latte bescheren." Nora zuckte nicht einmal zusammen. Auch ihre Angst war verflogen, denn sie wusste, dass er ihr diese Dinge nur sagte, um sie zu ärgern. Eine merkwürdige Art des Neckens, das mehr Wahrheit enthielt, als ihr lieb war.
„Du sagst immer so süße Sachen", flirtete sie zurück und Alec warf die Wagentür hinter sich zu und verschloss den Wagen. Allerdings nicht um sie einzusperren, ein Zug an den Hebel ihrer Tür und die Sicherung würde sich öffnen. Er tat es, weil er tatsächlich Angst hatte, jemand könnte sie ihm aus dem Wagen stehlen. Nora sah ihm so lange nach bis seine hoch gewachsene, breitschultrige Gestalt im Laden verschwunden war und wollte sich, dann wieder auf ihr Buch konzentrieren als neben ihr ein weiterer Wagen hielt.
Ballernde Musik, vier junge johlende Männer, die sich gegenseitig laut aufzogen und gleichzeitig aus den Wagen ausstiegen. Sie trugen Lederjacken, Taschenmesser und ein Gangabzeichen auf der Brust während sie rumblödelten. Sie hörten auch nicht auf al einer von ihnen, der Fahrer Nora im Wagen entdeckte und auch seine Kollegen auf sie aufmerksam machten. Es folgten Pfiffe, Kussmünder, obszöne Gesten und einer hatte sogar die Nerven sich auffordernd in den Schritt und fassen und Stöße in ihre Richtung anzudeuten. Diese Männer waren nicht älter als Nora selbst und waren dermaßen widerlich, dass Nora nur die Nase rümpfte und ihnen einen hochmütigen Blick zu warf. Was sie sahen. Überraschend für eine Bande junger Männer, die im kargen Licht der Trankstellenbeleuchtung, in einem aufgetreten Zustand eine Frau anmachten. Aber sie bemerkten es und die Stimmung kippte.
„Was ist, Schlampe? Hat es dir noch keiner so gut besorgt, dass du von deinem hohen Ross abgestiegen bist? Komm her ich korrigierte das sofort!"
Nora legte den Kopf schräg und sie beschloss spontan auch Alec ein wenig zu ärgern. Mit einem Grinsen auf den Lippen, von denen die Männer offensichtlich verwirrt schienen, legte sie ihr Buch beiseite, löste den Gurt und stieg aus dem Wagen. Drei der Junge keiften und kicherten, während der Mann, der ihr das Angebot unterbreitet hatte, etwas geschockt wirkte. Sie ging direkt auf ihn zu. Er war etwa einen Kopf größer als sie, schmächtig mit Aknenarben auf dem Gesicht und zerzausten blonden Haaren, die tatsächlich irgendwie süß aussahen.
Ihr eigener entschlossener Blick schien die Alarmglocken in ihn schrillen zu lassen und bevor Nora sich ihm wirklich gegenüber stellen konnte wich er einen Schritt zurück. Vielleicht war es aber auch nur ihr eigener Wahnsinn der sie erschreckte. Sie wusste, dass si auf außenstehende gruselig wirkte, denn jeder, der nur ein wenig darauf achtete, sah, dass die Emotionen in ihrem Gesicht fehlten. Dass sie kalt war, innerlich leer und alles tun würde, um einmal richtig zu fühlen. Als Kind und als Teenager hatte Nora geglaubt, dass es nur ein Ausdruck ihrer Rationalität war, doch nachdem sie nach dem Überfall ihres Familienhauses von einer Ärztin kontrolliert worden war, wusste sie es besser: Nora war eine klinische Psychopathin.
Ihr Gehirn schaltete nicht richtig und schloss keine und wenn nur sehr langsam Verbindungen mit dem Teil des Hirns der für emotionale Aktivitäten zuständig war. Sie konnte sich nicht vorstellen, wer Überraschter war: Sie selbst oder Alec. Sie hatten beide geglaubt, er wäre der Verrückte von ihnen beiden, aber sein Gehirn war normal, während ihres sich mit Gefühlen schwer stellte.
„Ein Kuss", bot sie bittersüß an. Der junge Mann blinzelte verwirrt und seine Freunde schauten sich gegenseitig verwirrt an.
„Was?", fragte einer.
„Ein Kuss. Wenn du es schaffst mich etwas fühlen zu lassen, komme ich mit euch mit." Sofort betrachteten die Männer sie in dem kargen Licht genauer und Mr. Akne leckte sich über die trockenen Lippen. Er straffte die Schultern und wollte vor seinen Freunden offensichtlich kein Feigling sein, obwohl alles in seinen Kopf danach schrie, sich von ihr fernzuhalten.
„Okay, Baby." Sagte er etwas mutiger, machte aber nur langsam einige Schritte auf sie zu. Zu langsam, denn noch bevor er auch nur in ihre Nähe kam, wurde er an der Schulter gepackt herumgedreht und eine Faust landete in seinem Gesicht. Als das Geräusch von zersplitterten Knochen und das panische Flehen des Jungen die Nacht erfüllte, zuckten Noras Mundwinkel.
Sie fühlte.
Sie fühlte Freude.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top