Kapitel 7
Cabrio fahren war fast so wie fliegen. Als die Kirche von Henley, die Küste und der Hafen wieder vor mir auftauchten, die Möwen kreischten und Louis einfuhr, linderte das meine Euphorie nicht im geringsten.
Die Fahrt war schön gewesen. Erneut hörte ich das leise summen des Daches, nur diesesmal sperrte es uns ein und verhinderte die Sicht auf den Himmel, der strahlte.
Louis brachte das Auto zu stehen, ging zum Kofferraum und holte mehrere Kartons heraus. Die Feierabendliche Stimmung war fast zum greifen. Die Menschen eilten nach Hause. Sie verließen ihre Läden, trafen auf dem Weg in ihr Heim noch einige Bekannte, hielten Small Talk und umarmten ihre Frau, wenn sie über die Schwelle traten. Er würde sich bei ihnen über freche Käufer und unzuverlässige Arbeiter ausreden können und seine Sehnsucht gegenüber dem Sommer in Worte bringen.
Ich wollte nicht nach Hause.
Die Glocke des Ladens ließ mich zusammen zucken und ich merkte, das Louis mich anstarrte. ,,Würdest du..", sagte er, betont langsam. ,,Würdest du bitte die restlichen Kartons nehmen?" Anscheind wiederholte der die Frage und ich griff schnell nach ihnen. Ich begleitete ihn herein und ließ die Tür gleich auf, weil die Luft im Raum inneren zum ersticken schlecht war.
,,Der Nachteil, wenn die Sonne scheint. Sag mal, weißt du ob es hier irgendwo 'ne Klimaanlage gibt?"
Ich schüttelte den Kopf, aber es war anscheind ein rein rhetorische Frage gewesen, aufjedenfall redete er gleich weiter: ,,Ich hab mir gedacht, wir müssen hier jetzt erstmal aufräumen. Ausmisten und dann können wir ja vielleicht eine finden." Er sah sich um. ,,Aber vielleicht fangen wir erst morgen damit an.", mit einem Blick auf die Uhr.
Er zog sich einen Stuhl heran, setze sich breitbeinig hin und legte die verschränkten Arme auf die Lehne. Erneut ließ er seinen Blick schweifen. Es war jetzt sechs Uhr. Wir hatten noch stundenlang im Auto gesessen, den Geruch von Fast Food inhaliert und darüber geredet (er; reden, ich; schreiben), warum das ungesundeste Essen meistens das leckerste war.
,,Aber es ist ja nicht ungesund für unsere Seele.", hatte er gesagt. ,,Oder meinst du die will Knäckebrot mit etwas Lachs essen?"
Das würde aufjedenfall das Verhalten erklären, was manche Leute an den Tag legten, die sich an die Schöhnheitsideale unser Zeit klammerte.
,,Der Dachboden exestiert doch noch, oder?", fragte Louis plötzlich und stand auf. Ich nickte.
,,Ich bin gleich wieder da!", schrie er, dann verschwand er als Blitz und fuhr die Leiter zum Dachboden herunter.
,,Dumme Frage...", murmelte er währenddessen, ,,warum hätte er ihn wegmachen sollen?"
Nochmal schrie er, das ich dableiben solle, dann kletterte er geschwind hinauf und wurde von der Dunkelheit, die dort oben herrschte, verschluckt. Guuuuut, dachte ich mir, soll' er mal machen. Irgendetwas rapperte und klapperte und wurde über den Boden geschleift. Ärgerliches stöhnen hallte zu mir herunter, dann hatte er die Leiter erreicht.
Schwer atmend schob er schließlich eine Tafel zu mir. Sie war staubig und als Louis sachte pustete wirbelte er den Staub hoch. Fragend sah ich ihn an. Er lächelte.
,,Altes Schätzchen siehst du hier. Dachte, könnte ganz nützlich sein."
In seinen Augen blitze etwas auf, aber ich wusste nicht, was. Sanft fuhr er über das Holz, was sie Schieferblatte umgab und leicht abblätterte. Es sah weich aus unter seinen Berührungen. Ich wusste immer noch nicht, was er von mir wollte.
Er fing an in den Schubladen der Theke rumzuwühlen, dann kam er wieder auf mich zu. Er schien fast verlegen, als er mit Kreide in die Hand drückte. ,,Du kannst auf ihr schreiben, dann ist es fast so, als wenn wir sprechen würden."
Ich sah auf die Kreide, auf ihn und dann zur Tafel.
Er fuhr fort:,, Es ist bestimmt einfacher, als immer auf einem kleinen Blatt zu schreiben..."
Ich setze an, zog einen Strich und malte zwei Punkte. Ein lächelnder Smiley prangte uns entgegen und ich sah, wie er einen Schritt vorwärts machte. Ich überlegte, was ich schreiben sollte.
Danke.
Ich sah ihm gespannt dabei zu, was er malte, als er anfing die Umrisse von etwas zu formen.
,,Ich bin jetzt kein Picasso.." - Picasso ist überbewertet - ,,.. aber ich finde wir sehen trotzdem dufte aus."
Ich grinste, ich hatte nicht erkannt das wir das waren, aber ich ersparte mir einen Kommentar.
Woher hast du die Tafel eigentlich?
Es war was anders, als auf Papier zu schreiben. Du musstest dein Handgelenk anders bewegen,mehr Schwung holen. Es dauerte nicht lange und ich dachte nicht mehr darüber nach.
,,Von dem Dachboden."
ACH!
,,Sie hat Dad gehört.", er grinste gezwungen. ,,War schon zu meiner Kindheit hier, stand immer da... da in der Ecke und grüßte alle Willkommen. Er muss sie irgendwann auf den Dachboden gestellt haben." Erneut fuhr er sachte mit einem Finger über dessen Oberfläche. Dann band er zwei Bändchen an der Seite los und drehte die Tafel um.
,,Schau! Man kann sie umdrehen, hier ist ein liniertes Muster. Ich hab an ihr schreiben gelernt. Immer nach der Schule, kam ich hier her und Dad und ich haben zusammen gelernt. Und Noten lesen hab ich auch bei ihm gelernt. Wir konnten uns keine Musikschule leisten, aber er hat mir alles erzählt was er wusste. Er hatte eine ganz alte Gitarre, auf der wir gespielt haben... ich frage- ich frage mich ob die hier auch noch irgendwo rumliegt."
Er schluckte. Sie ist wunderschön.
,,Ich weiß."
Es ist echt super nett von dir, also das ich auf der Tafel schreiben darf also-
,,Alles gut, Rose. Und du meine Güte, guck dir meine Zeichnung mal genauer an. Wie fett hab ich uns gemacht? Ein nasses Tuch, Rose, schnell!"
Er lenkte mit einem andere Thema ab und ich machte mit, in dem ich nach hinten rannte und ein nasses Geschirrtuch spülte. Er sah es angewidert an. ,,Wie lange liegt das Ding schon hier?"
Ich verdrehte die Augen, wischte uns weg und zeichnete uns neu. Ich sah mir Louis Proportionen an, verinnerlichte sie und dachte sie mir als Bild an die Tafel. Ich fuhr die imaginären Striche entlang, versuchte seine Haare verwuschelt aussehen zu lassen und malte ihm ein keckes Lächeln. Er starrte es an. ,,Wo hast du das gelernt?", fragte er entsetzt und das es ihm anscheinend gefiel machte mich glücklich. Ich setze noch ein paar Punkte in sein Auge und jetzt glitzerten sie.
Ich kritzelte die Antwort: Zu viel Freizeit...
Er zog sein Handy aus der Tasche, fotografierte es ab und schüttete mich mit Komplimenten zu. Er übertrieb, aber ich fand es unheimlich süß.
Er schob die Tafel in die Ecke, in der sie immer gestanden hatte. Dann zog er Schokolade aus seiner Tasche hervor und grinste. Er warf sie mir zu, ich fing sie nicht auf und auf dem Boden zersplitterte sie in ihre Einzelteile. Er warf mir einen bösen Blick zu. Ich hob die Hände. Ich konnte noch nie fangen!!
,,Das ist keine Entschuldigung!", rief er. Wenigstens war der Boden sauber. Mum hatte geflucht, als die letzte Woche nach Hause kam, das sie noch nie so einen schmutzigen Boden gesehen hätte und warum sie sich das eigentlich antat. Sie wollte erstmal nach oben ein Bad nehmen.
Deine Schuld, wenn du sie mir einfach gegeben hätt-
,,Halt die Klappe."
Mein Handy vibrierte, Mum hatte mir einen Nachricht geschrieben und gefragt, wann ich nach Hause käme, das Essen würde kalt. ,,Du musst gehen, oder?"
In seiner Stimme hörte ich einen traurigen Unterton. Wo schläft er eigentlich?
,,Ich denke ich nehme mir ein Hotel, eine kleinen Pension... außerhalb. Mal sehen. Kannst dich darauf verlassen, das ich morgen wieder hier sein werde."
Kurz wollte ich ihn einladen, in unserem Gästezimmer zu übernachten, dann fiel mir auf das das ziemlich dumm wäre. Ich trat in die dunkle Nacht und ging zielstrebig nach Hause. Ich hatte keinen Hunger, hatte keine Lust auf Mum und auch nicht darauf, ihre Fragen zu beantworten, also stellte ich mir vor wie ich ins Bett fallen würde, glücklich.
Sie sah blass und erschöpft aus. Tiefe Augenringe machten sie älter, sie sah aus als hätte sie seit Stunden kein Auge zu getan, als ich eintrat und meine Schuhe auszog. Ich wollte nicht Mitleid empfinden. Vielleicht hatte sie einfach zu viel mit Lewi getrunken.
Im Bad bürstete ich mir meine Haare, putze die Zähne und schminkte mich ab. Meine Haut fühlte sich straff an, also cremte ich sie etwas ein und ließ mich, nur mit einem großen T-Shirt bekleidet, in meinem Bett nieder. Ich war nicht richtig müde. Ich schnappte mir ein Buch und fing an zu lesen, bis mir Harry Potter einfiel. Louis brachte anscheinend fiel mit ihnen in Verbindung.
Es war lange her, seit ich sie das letzte mal gelesen hatte und sobald ich die ersten Seiten aufschlug, war ich wieder in der Welt drin. Ich wollte auch zaubern können.
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