Kapitel 4
,,Wo warst du?", rief meine Mutter mir entgegen, als ich das Haus betrat und die Schuhe auszog. Sie stand in der Küche. Ihre Hand rührte in gleichmäßigen Bewegungen die Masse, die sich in den Töpfen befand, durch und sie sah mich fragend an.
Ich zuckte mit der Schulter verschwand schnell nach oben, ehe sie weiter nachfragen konnte. Ich warf mich auf mein Bett und begutachtete meine Hand. Die schnell aufgeschrieben Zahlen bildeten mit ihrer schwarzen Farbe einen Kontrast und ich fuhr einmal drüber. Ich fuhr den eingebauten Kringel der zwei nach und beschloss, die Nummer einzuspeichern- sein Kontakt erschien bei WhatsApp.
Live life for the moment because everything else is uncertain!, lautete sein Status und ich verdrehte die Augen, ehe ich sah wie sein Profilbild genau in der Sekunde wechselte. Er war online und ich runzelte die Stirn. Ich dachte sofort an New York, als ich das typische, gelbe Taxi sah und ich biss mir auf die Lippe. Man sah nur seinen Rücken.
Ich wollte ihn nicht anschreiben, weil ich beschlossen hatte, ihn zappeln zu lassen. Ich schloss die App schnell wieder und legte das Handy neben mich, ehe ich aufstand und versuchte, die Farbe von meinem Ballen zu bekommen. Meine Mutter rief, dass das Essen fertig war und ich ging runter, weil ich das Wort Essen gehört hatte. Ich setzte mich an unseren kleinen Tisch und roch, dass es Lasagne gab.
Eine große Portion landete auf meinem Teller und ich fing an zu essen, sie lehnte sich vor. Sie fuchtelte mit dem Besteck in der Luft und fing an zu reden, ehe sie geschluckt hatte. ,,Was hast du denn so gemacht?", fragte sie. ,,Du warst plötzlich nicht mehr da."
Wow, sie hatte noch nicht mal gemerkt wie die Tür ins Schloss gefallen ist.
Ich zeigte nach draußen und sie hörte auf, weiter nach zu fragen. So war das meistens, immer, für immer. Ich aß auf und stellte den Teller in die Spühlmaschine. Sie wollte, dass ich hier bleibte und ich seuftze, setzte mich wieder hin. Dann kam wieder die Stille auf und ich suchte nach einem Thema, über das wir beide reden konnten. Ich nahm mir einen Zettel.
Wie geht es Lewi?, ich schob ihr den Zettel zu. Sie kratzte sich am Kopf.
,,Sie macht einen auf arme, verlassene Frau und jammert ununterbrochen, womit sie das denn verdient hätte. Sie redet kaum über diesen Jungen und wenn, dann versteh ich ihre Ansätze nicht. Eigentlich kann man zu der ganzen Sache nur die Augen verdrehen."
Ich nickte. Was für Ansätze?
,,Sie schluchtzt immer theatralisch auf, ehe sie von Krebs, Wahnsinn und Undankbarheit redet. Zwischen durch macht sie New York runter und eine Blumenvase ist dem Stuhl durchs Fenster gefolgt."
Sie nickte lachend, als ich das Gesicht verzog und ich grinste. Sie musste herausfinden was mit Louis und Lewi passiert war, denn es interessierte mich brennend. Meine Mum sprach weiter:,, Nun besucht sie Gunnars Grab und jammert da weiter. Gut."
Sie machte mir unbemerkbar klar, dass sie sonst anstatt bei mir, bei ihr wäre und ich stand auf. ,,Warum gehst du?"
Ich antwortete nicht und sie erhob sich, schob den Stuhl zurück und machte sich an den Abwasch, stellte die Spülmaschine an. Ich sah es als Einladung, zu gehen und befand mich schließlich auf Facebook, auf dem Bett liegend. Ich hasste Facebook.
Es war ein demütigendes, abscheuerregendes Netzwerk und die Stasi unserer Zeit. Der einzigste Grund, warum ich mich in diesem befand, war die bessere Möglichkeit der Lästerei auf Ebene ihrer Selfies meiner Klassenkamaraden und die peinliche Schau ihrer Geschenke, die ihnen ihre Väter tagtäglich in den Hintern steckten. Sie nervten mich dermaßen an.
Ich erwischte mich dabei, wie ich Louis Tomlinson googlen wollte und klappte den Laptop zu. Das reichte, Rose. Beruhig dich mal. Mutter schrie irgendwas, aber ich ignorierte es. Wenige Sekunden später platzte sie in mein Zimmer.
Sie stand mitten im Raum und rümpfte die Nase. ,,Hier stinkts."
UND WAS WILLST DU JETZT VON MIR?
Sie wedelte mit der Hand vor sich herum, ignorierend der Tatsache, dass sie alles nur verteilte. Sie hatte ihre Handtasche um und den Autoschlüssel in der Hand.
,,Kommst du mit in die Stadt? Frauen Nachmittag."
Sie zwinkerte mir zu und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, weil es schon so lange her war, dass wir was unternommen hatten. Ich wollte mich umziehen, aber sie winkte ab. ,,Lass deine löchriche Jogginghose ruhig an, vielleicht schenken sie uns, wenn sie denken wir können uns nichts leisten, was."
Ich nahm mir meinen Geldbeutel und ging nach unten, packte eine Flasche Wasser mit ein und ging zur Tür, Mum folgte mir. Ich blickte mich um, als sie mir nicht zum Auto folgte, sondern das Haus der Nachbarn ansteuerte und Lewi abholte. Ich fühlte mich verarscht und die gesamte Lust, die ich gespürt hatte, war verschwunden. Enttäuschung machte sich breit. Entnervt stieg ich ins Auto und enthedderte meine Kopfhörer.
Wenn Mum Stadt sagte, meinte sie nicht unser lausiges Dorf am Rande Norwegens, sondern unser BIG CITY eine halbe Stunde entfernt. Sie holte eine Parkkarte und Lewi meinte, ich sollte meine Ohren nicht kaputt machen, worauf ich ihr am liebsten den Stinkefinger gezeigt hätte.
Die beiden bummelten durch die Passage und ich schlürfte energielos hinterher, war ja sowieso über. Ich tippte Mum auf die Schulter, um ihr zu zeigen, dass ich in den Kleidungsladen wollte, aber sie schlug meine Hand weg. Ok, dann eben nicht.
Ich ging einfach und betrat den Laden. Ein Klingeln zeigte auch den Verkäuferinnen, dass ein Kunde in ihr Reich eingebrochen war und ich entzog mich ihren Blicken, in dem ich mir eine Hose schnappte und in die Umkleidekabinen ging. Sie passt nicht.
Ich quetschte mich rein und sah mich an. Mit den Kinder kriegen gäbe es bei mir wohl keine Probleme, bei meiner Monsterhüfte. Auf diese Erkenntnis beschloss ich ein Eis zu holen. Ich schleckte es und setzte mich auf eine Bank, holte mein Handy heraus. Als ich erneut seine Schrift auf meiner Haut sah, schrieb ich ihm.
Ich: Du bist Schuld, wenn die Auftragung deiner Krebs erregenden Mittel in Form von Kugelschreiber zu meinem Tod führt.
Er war nicht online und ich steckte mein Handy wieder ein. Eine Taube stand vor mir und ich warf ein Stück Waffel nach ihr. Mein Handy vibrierte.
Louis: Dieses Risiko musste ich wohl in Kauf nehmem, um deine Nummer zu erhaschen.
Ich verdrehte die Augen.
Louis: Ich wette, du lächelst grade. Siehst süß dabei aus.
Ich grinste und stand auf. Ich musste Lewi und Mum wieder finden, ich wollte nach Hause. Sie schrie, als sie mich sah.
,,Rose Magdalena!" Schrei meinen beschissenen Namen doch noch lauter durch die Gegend, damit ihn ja auch nur jeder hörte. ,,Wo warst du?"
China, mit dem Kaiser Reis essen. Sie kam tadelend auf mich zu. ,,Wagst du es einfach abzuhauen!"
Definiere abhauen. Aber was soll's, ich bin wieder die böse. Kann man nichts machen. Lewi gab ihr dummes Kommentar. ,,Das Antisoziale muss sie von ihrem Vater haben."
Mich mit meinem Vater zu vergleichen machte mich nicht wütend, sondern traurig und meine Augen brannten. Ich weinte viel zu schnell los und ich hasste Lewi dafür, dass sie diese Seite zum Vorschein brachte. Ich fand keinen Zettel, deswegen formte ich die Worte mit den Lippen und wies Mum an, aufzupassen.
,,Fragt sich nur, warum dein Sohn weg ist."
Ich zwinkerte und sie guckte mich verachtend an. Mum atmete tief ein. Wir gingen zum Auto und sie schloss es auf. Die Fahrt war angespannt. Mir gingen ihre Worte nicht mehr aus dem Kopf und Lewi sagte kein Wort, entschuldigte sich nicht, obwohl sie genau wusste, dass es unfair gewesen war. Die Tannen zu meiner rechten jagten an mir vorbei und als wir endlich wieder in Henley einfuhren, war ich froh, dass ich unsere Nachbarin gleich nicht mehr sehen musste. Ich wartet darauf, dass Mum mit mir kam.
Als sie mit ihr mitging wusste ich, dass ich alleine war.
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