Kapitel 17

,,Hat sie das wirklich gesagt?", fragte er lachend. ,,Meinte sie wirklich 'Solche Männer laufen einen doch nicht einfach um'?" Er lag vor Lachen fast am Boden. ,,Rose, das ist so lustig, denn ich hab dich umgerannt."

Ich hatte ihm von dem Treffen im Supermarkt erzählt und er hatte mich ganz ernst angeguckt, wie ich dort an der Tafel stand. Doch bei diesem Detail hat er die Behrrschung verloren. Fast war ein Lachen hysterisch.

Er versuchte sich wieder zu fassen. ,,Ok - also - ja.", er kicherte. ,,Und - ist dieser Ralph der gleiche Junge wegen dem du die Party verlassen hast und ich dich einsammeln musste?"

Amy und Stella hatten an diesem Tag von Ralph erzählt - genau wie auf der Party, nachdem er versucht hatte Selbstmord zu begehen. Das hatte mich mitgenommen. Ich kam mir in diesem Moment so unglaublich dumm vor. Ich hatte nicht gemerkt, dass es jemandem genauso wie mir ging. Wir hätten Freunde seien können.

Ein tiefes Gefühl von Panik durchfloss mich, als ich darüber nachdachte, dass er mich vielleicht genauso wie Stella und Amy sah - überflächlich und überheblich. Ich fürchtete, so wirkte ich auf einige.

Doch ich wusste genau: Es war schlimmer. Niemand hatte an Ralph gedacht, als sie die Nachricht von einem Suizidversuch erfahren hatten. Alle dachten an mich - und das nur, weil ich den ersten, verdammten Schultag geschwänzt hatte!

Ich konnte nichts dafür - das musste auch Ralph wissen. Doch sicherlich hatte er sich nach diesem Vorhaben Respekt gewünscht. Und den hatte ich bekommen, von Menschen, die noch nie zuvor mit mir geredet hatten. Genau das, was er hätte erfahren sollen.

Er wollte sterben - vielleicht will er das immer noch. Und das ist ein schreckliches Gefühl. Alle Menschen waren verschieden. Vielleicht hatte er Mitleid gewollt - das hatte ich ihm weggenommen. Vielleicht hatte er Entschuldigungen hören wollen - ebenso wie das erste, hatte ich statt ihm dieses erfahren. Warscheinlich wollte er einfach nur, dass Menschen wussten, dass er exestierte.

Und das wollte ich nicht.

,,Worüber denkst du nach?", fragte Louis leise und stand auf, um sich neben mich zu stellen. ,,Über Ralph? Rose, du kannst doch nichts dafür."

Ich nickte leise. Er wuschelte mir durch's Haar. ,,Dann sag ihm das.", meinte er. Ich sah zu ihm herrauf.

,,Wo wohnt er?", fragte Louis schon weiter und war plötzlich voller Tatendrang. ,,Wir besuchen ihn. Nein - doch - wir schenken ihm Schokolade! Weißt du, ob er irgendetwas besonders mag?"

Das war es ja: Ich wusste garnichts über ihn. Aber Schokolade mag jeder.

Er nahm meine Hand und verschrenkte unsere Finger. ,,Kommen, wir gehen einkaufen. Wir machen ihn wieder gesund. Wir machen ihm einen Gesundheits-Korb. Rose! Rose!", er zog mich aus dem Laden, um die Ecke und zu seinem Auto. ,,Wo ist nochmal er nächste Supermarkt?"

Ich schrieb ihm die Adresse auf. Er sah mir kurz in die Augen. ,,Das ist der Supermarkt wo Amy und Stella waren, oder?"

Erneut nickte ich. Er schlug auf das Lenkrad. ,,Perfekt! Zwe Fliegen mit einer Klappe! Falls du nämlich nach diesem Erlebmniss ein Supermarkt-Trauma erlitten hast, setzen wir dem jetzt ein Ende!"

Ich konnte nur lächeln. Ich konnte nicht anders. Es war, als wenn er übernatürliche Fähigkeiten besaß. Mit seinen Augen Mundwinkel hochziehen, zum Beispiel. Und ich lieb-

Ich keuchte, als ich auf das Tacho sah. Vor meinem inneren Augen sah ich uns an einem Baum kleben. Platt, kaputt, tod. Er fuhr viel zu schnell.

Er verlangsamte etwas. Aber das auch nur, weil wir auf den Parkplatz einbogen. Sobald das Auto still stand, sprang er heraus. ,,Komm!", rief er lachend. Wow, er benahm sich ja wirklich, als ob jede Minute einen Unterschied machen würde. Innerlich zuckte ich die Schultern und setzte mich in Bewegung.

Er hatte sich schon einen Wagen geschnappt. ,,Steig ein.", sagte er und ich kam garnicht dazu, ihn ungläubig anzugucken, denn ehe ich mich versah befand ich mich in dem Einkaufswagen und schmiss alles in den Wagen, an das ich rankam.

Ich quitschte lachend auf, als er viel zu schnell um die Ecke fuhr, um dann ruckartig vor einer Hausfrau stehen zu bleiben, die grade die Inhaltsstoffe von einem Pudding studierte. Sie sah uns abschätzig an, als wartete sie auf eine Entschuldigung. In meinem Übermut grinste ich sie nur an und Louis lachte laut auf.

Vor einem riesigen Regal, nur mit Süßigkeiten, blieben wir stehen. ,,Ich schlage vor, wir kaufen einfach alles.", lachte er. ,,Ich kann mich nicht entscheiden. Was er wohl am liebsten mag?" Er zog sich symbolisch die Ärmel nach oben.

,,Erstmal Schokolade...", murmelte er und schmiss mir mehrer Tafeln auf den Schoss. Er guckte sich weiter um, zuckte dann mit den Schultern, und legte noch mal welche nach. Auch mehrer Flaschen Bier landeten in dem Wagen.

,,In Amerika war ich einmal so betrunken, das ich in einem Park aufgewacht bin. Ohne Hose. Oder Schuhe. Die Blicke der Menschen, als ich nach Hause irrten, war köstlich."

Wenn immer er von Amerika erzählte, blitzen seine Augen vor Freunde auf. Wäre er auch nach Hause gekommen, wenn Gunnar noch leben würde?

,, - aber ich hatte meine Schlüssel verloren. Ich kam nicht in meine eigene verdammte Wohnung. Und dann sah ich eine Frau. Sie hieß Marie und sie sollte meine erste große Liebe sein. Wir waren zwei Jahre zusammen. Kurz bevor Gunnar sterben sollte, stritten wir uns. Und dann ging ich wieder nach Europa und ließ sie in Amerika zurück."

Louis ist wie dein Vater, hörte ich die Stimme meiner Mutter. Wenn es Probleme gibt, rennt er weg. Aber das stimmte nicht. Ich wusste das, ich fühlte das. Denn Louis schämte sich dafür. Louis war ein guter Mensch. Und mein Vater war ein elender Familienverräter.

Doch das er über seine Liebe redete, schmerzte mich. Nur ein kleines Zucken in der Magengegend. Er wechselte so schnell das Thema, dass ich nicht länger darüber nachdenken konnte.

,,Wir sollten ihm Musik kaufen!", rief Louis. ,,Musik macht jeden glücklich." Wir standen vor dem Musik Regal. Fast wartete ich auf Stella und Amy. Oder auf ein Aufblitzen einer Kamera. Auch wenn ich mich dieses mal in Pose werfen würde.

Wir durchstöberte einige CD's und kamen zu dem Schluss, dass es keinen Sinn machte, etwas zu kaufen, ohne zu wissen was er mag. Also beließen wir es bei zwölf Tafeln Schokolade, Bier und einem Buch, von dem Louis der Meinung war, er müsste es unbedingt besitzen.

So begaben wir uns wieder in's Auto. Ich wusste wo Ralph wohnte - Henley war klein. Wir fuhren gut zehn Minuten und ich war aufgeregt. Was, wenn er uns nicht sehen wollte. Er kannte uns beide doch kaum!

Louis nahm erneut meine Hand, als er sah, wie sehr ich zitterte. ,,Du wirst ihm bestimmt eine Freude bereiten.", murmelte er und klingelte. Eine gefühlte Ewigkeit machte niemand auf und ich wollte schon wieder gehen, als eine gestresst aussehen Frau im Türrahmen stand und uns erstaunt anguckte.

,,Wer seid ihr?", fragte sie, machte uns jedoch Platz um eintreten zu können.

Louis antwortete. ,,Wir sind Freunde von Ralph.", sagte dieser. ,,Wir wollten ihn besuchen." Er hob den Korb hoch und lächelte sie an. ,,Dürfen wir?"

Sie war still geworden. Anstatt was zu sagen, führte sie sie ins Wohnzimmer. ,,Setzt euch doch.", sagte sie und zeugte auf das Sofa. Eine Stille entstand, nachdem wir dieser Aufforderung nachgegangen waren.

Irgendwann platze es aus ihr heraus. ,,Wir wollen kein Mitleid.", sagte sie. ,,Leute, die dazu beigetragen haben was passiert ist und es jetzt wieder - ", sie guckte auf den Korb, ,,gut machen wollen - mit solchen Leuten wollen wir nichts zu tun haben."

Ich zuckte zusammen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Es war ein Fehler gewesen. Es war ein Fehler gewesen! Ich konnte seine Mutter nicht angucken. Sie hatte soviel durchgemacht. Sie war so stark.

,,So ist es nicht.", stellte Louis klar und drückte meine Hand leicht. ,,Rose, wie ich, würden das niemals tun."

Bei meinem Namen wendete sich ihr Blick an mich. ,,Rose Parker.", stellte sie fest. ,,Das Mädchen, das nicht sprechen kann." Sie sah mich von oben bis unten ab. Ich machte mich immer kleiner, kleiner, kleiner.

,,Mutter!", hörte ich plötzlich Ralph rufen. Er erschien im Raum. Er hatte anscheinend die ganze Zeit zugehört. ,,Ich denke, ich habe Besuch?", fragte er herausfordernd. ,,Den kann ich auch in meinem Zimmer begrüßen."

Er nickte uns zu. Seine Mutter zuckte fürchterlich zusammen. ,,Wie du meinst...", meinte sie leise. ,,Du findest mich in der Küche, wenn - "

,, - irgendwas ist. Ja. Danke."

Ralph ging entschlossen vor uns her. ,,Immer mir nach.", sagte er. Wir gingen eine Treppe hoch. Das Haus der Laiser war klein, aber gemütlich eingerichtete. Überall hingen Bilder von Ralphs Familie. Er, mit seinem Vater, seine Sanbrug bauend. Auf dem Rücken seiner Mutter, als er ganz klein war. Als er lachend in eine Pfütze sprang.

Er war vor seinem Zimmer stehen geblieben. Er machte die Tür auf. Sein Zimmer war klein, sehr dunkel und zugestellt, von der Decke bis zum Boden gefüllt mit DVDs, Büchern. Jeder freie Platz an seiner Wand war mit Postern zugeklebt. Überall wo ich hinschaute - ich sah Herr der Ringe. Das war das ultimative Nerd Zimmer.

,,Also - hallo.", begrüßte er uns. ,,Tut mir leid wegen meiner Mutter - wir sind - es, ehm - nicht - gewohnt - Besuch zu empfangen." Er stotterte. Er hatte ein viel zu großes T-Shirt an. Seine Jogginghose war zerissen. Er war so groß wie ich, also viel kleiner als Louis. Dementspechen musste er, genau wie ich immer, den Kopf recken.

,,Louis.", stellte er fest. ,,Und Rose." Er sah mich an.

Ich steckte ihm meine Hand hin, doch er bewegte sich nicht. ,,Was wollt ihr hier?", fragte er.

Louis hielt ihm den Korb hin. ,,Schokolade für dich. Wir wollten dich besuchen und gucken wie es dir geht. Und wir dachten, wenn macht Schokolade nicht glücklich? Oder... glücklicher. Jeder liebt Schokolade!"

Ralph sah ihn einen langen Moment an. Unsicher fing Louis nun an, mit dem Korb vor seiner Nase zu wedeln. Auf Ralphs Gesicht breitete sich ganz, ganz langsam ein Lächeln aus.

,,Leute.", sagte er. ,,Ich bin laktoseintolerant."







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