Kapitel 11
Es stimmt also; nach Trauer kommt Wut. Während man bei Trauer vorallem auf sich selbst spezialisiert ist, sich fragt warum das eigene Leben so scheiße und die Liebe nicht so einfach wie bei Twilight ist, sich aber selbst die Schuld für alles gibt und ein paar Krokodilstränchen rausdrückt, sucht man bei Wut die Schuld bei anderen und lässt all seinen Kummer an ihnen aus. Das ist viel befriedigender und besser für die Seele, als alles in sich hineinzufressen und sich selbst tausend mal zu überdenken.
Ich hatte also Wut.
Auf Stella, auf Amy, auf Louis. Auf den Besitzer des Supermarktes weil er sich zu fein für eine 'Sale'-Aktion führt. Und auf meine Mum weil sie mich zum einkaufen geschickt hat, obwohl sie seit Tagen nicht da war und erst mit mir redet wenn sie etwas braucht. Die Sachen liegen jetzt kreuz und quer durch Henley verteilt und ich hatte Angst das ich 'ne Anzeige wegen Erregung öffentliches Ärgernisses bekam.
So weit, so gut.
DIESE BESCHISSENE STELLA. Und Amy diese nachplappernde, nicht selbstständige Kreatur, die an Stellas Lippen hängt als wäre sie Barack Obama persönlich und warscheinlich auch vom Empire State Bulding springen würde, wenn die liebe Stella das will. Würde ihre bei den Worten "Ich fang dich auf" vertrauen und dann sterben.
Louis habe ich vertraut, aber das war ziemlich naiv, wir lernten uns ja vor nicht einem Monat kennen. Und doch kannte er mich besser als alle anderen.
Ich lag auf meinem Bett, hatte noch nicht mal was gegessen und trank einen Kaffee nach dem anderen. Zu meiner Linken ein Buch, vor mir mein Computer mit einem guten Film, zu meiner Rechten mein Seelenbuch.
Ich blätterte die letzten Seiten durch und merkte das ich mit meinen Einträgen ziemlich nachgelassen hatte. Ich lass mir die ersten Zeilen meines letzten Textes durch:
1. April , Mittwoch
Ist es komisch wenn man "Tagebuch" schreibt, wenn jemand anderes im Raum steht und einen anguckt, nicht weiß das man stumm ist und auf eine Antwort wartete? Ich glaube es ist das erstemal, das ich das machen. Ich bin mir nicht mal sicher ob außer Mum überhaupt jemand weiß das ich meine Gedanken aufschreibe. Eigentlich sieht dieser Louis Tomlin-
RATSCH. Das war die Stelle gewesen, wo Louis mir das Buch unter meinen Händen weggezogen hatte. Ich berührte den Riss und musste leicht grinsen, welches sich aber rasch wieder verpflüchtete als ich meine Mum an der Tür klopfen hörte. Ich ignorierte sie.
Ich sollte das echt wieder regelmäßiger machen, es hat mir eigentlich immer gut getan. Als Oma noch lebte-
,,Rosie, Schätzchen, mach die Tür auf. Bitte."
-hat sie immer gesagt ich soll nicht nachdenken, einfach machen. Und ich-
,,Rose Magdalena, in diesem Haus gibt es keine verschlossenen Türen!"
-habe es versucht, aber dann ist sie gestorben. Kann nicht sagen das ich sie sonderlich vermisse, hat mich immer angeschrien ich soll mehr im Leben stehen und nicht immer überlegen, welche Gefahren auf mich zukommen würden. Ich hab das Gefühl das das alle dauernd sagen. Aber soviel denk ich doch garnicht nach, sonst wäre ich ja nicht auf Louis zugegangen.
,,Mach doch bitte die Tür auf, Maus, ich will mit dir reden."
Ich kann aber nicht reden und ich will es auch nicht.
,,Mausi..."
Ihre Worte kann sie sich sparen. Ich versuchte mich auf den Film vor mir zu konzentrieren, aber ich schaffte es nicht und schnappte mir stattdessen einen Stift.
18. April, Samstag
Ich will schreiben, das ich Louis hasse, aber das kann ich nicht. Obwohl ich denke das ich das tue. Aber dann wieder denke ich das das ziemlich egoistisch ist, aber eigentlich weiß ich nicht was ich denke und niemand kann mir helfen, das heraus zu finden. Ich war sogar so verzweifelt das ich kurz überlegt habe zu beten. Ich bin an einem neuen Tiefpunkt angelangt.
Ich stoppte kurz. Mich überkam nicht wie sonst das Gefühl der Erleichterung.
Ich... ich weiß wirklich nicht. Ich komm mir doof dabei vor das ich das hier schreibe. Vielleicht sollte ich nicht mehr schreiben, aber ich bin ja nicht glücklich und ich hab mir immer gesagt das ich erst aufhöre, wenn ich glücklich bin.
Aber- ich habe doch aufgehört, als ich Zeit mit Louis verbracht habe. Und das bringt mich wieder zum weinen. Ich wollte doch wütend sein, schreie ich mich innerlich an und schmeiße das Buch gegen die Wand. Dann stehe ich auf, hebe es hoch und schleudere es aus dem Fenster.
Ich will nicht denken können. Ich will meinen Verstand ausschalten können, wie es anderen können und einfach machen und über meine Fehler lachen können, aber ich nehme mich selbst zu ernst, ich will nicht darüber nachdenken.
Ich drücke mir ein Kissen auf meine Ohren und schluchtze theatralisch hinein, vergrab mich in der Bettdecke und will schreien, aber ich kann es immer noch nicht.
Das erstemal dachte ich soviel gleichzeitig das ich nicht aufschreiben konnte, was.
Ich wünschte Louis wäre zu mir gekommen und hätte irgendwas gesagt, etwas was gezeigt hätte, das er mich wenigstens wahrgenommen hat. Er war aufgewühlt, aber ich doch auch. Was war es das wir nicht zusammen trauern konnten? Machte man das unter Freunden nicht so? Waren wir keine Freunde? Gewesen?
Ich versuchte das Gefühl von Wut wieder in mir zu entfachen, aber ich musste an seine Augen denken. Und seine Haare die er so süß verstrubbelte. Ich schmeckte den salzigen Geschmack von Tränen auf meiner Lippe.
Ich hatte seine Nummer... vielleicht konnte ich ihm schreiben... ich nahm mein Handy und sah mir unseren Chat an... das war eine schlechte Idee. Dann fiel mir auf, das er sein Profilbild seit dem letzten mal, wie seinen Status, geändert hatte. Kurz dachte ich es wäre Photoshop, aber die Bäume im Hintergrund wiegten sich in die gleiche Richtung wie seine Haare. Louis und Ed Sheeran lachend, ein Schnappschuss, wie alte Freunde. Ein Stich in mein Herz.
Er hatte so viele Geheimnisse.
Und ich würde die Antworten niemals erfahren.
Ein erneutes Klopfen ließ mich hysterisch auflachen. Warum kann sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Ich riss die Tür auf, sah ihren erschrockenen Blick und schlug die Tür wieder zu, schloss diesmal aber nicht ab. Ich hörte wie sie nach unten ging. Drückte sich vor ihrer hysterischen Tochter.
Ich schloss die Augen, setze mich auf mein Bett und atmete ein und wieder aus.
Mum klopfte nicht, sondern kam mit einem riesige Tablett meiner Lieblingsspeisen rein und setze sich zu mir.
,,Willst du mir erzählen was passiert ist?"
Den Klang ihrer Stimme hatte ich so vermisst. Ich merkte garnicht das ich immer noch weinte, bis sie eine Träne auffing und an ihrer Hose abwischte. Dann zog sie mich an ihre Brust und streichelte meinen Kopf.
,,Es geht um Lewis Jungen, oder?"
Ich nickte unter Zittern und schniefte. ,,Sei nicht traurig, Liebes, du bist besser als er. Wenn er dich verletzt hat er dich nicht verdient."
Aber... aber was wenn ich selbst Schuld bin?
,,Meine kleine Rosie... ich will nicht das du weinst... vielleicht ist es besser das er weg ist."
Ich guckte zu ihr hoch und sah ihr verschwommenes Gesicht. Sie guckte ernst, aber liebevoll und ich schlang meine Arme um sie, als Zeichen, das sie weiterreden sollte. ,,Hast du.. noch nie darüber nachgedacht... das er genauso wie dein Vater ist? Überleg was er gemacht hat... Lewi hat mir das alles erzählt. Er war von einem Tag auf den anderen Weg, ist abgehauen, hat noch ein wenig von ihrem Geld mitgelassen und hat sich nie wieder gemeldet. Genau wie Dad gegangen ist..."
Diese wahre Erkenntnis traf mich und ich sackte weiter in mich hinein.
,,Er hat Lewi und Gunnar im Stich gelassen, als sie ihn am dringensten brauchte... Gunnar hatte keine Chance seinen Sohn noch einmal zu sehen, keine Chance, ihm Lebwohl zu sagen... genau wie wir."
Sie soll aufhören, aufhören, aber es stimmt und ich will es hören und doch nicht und plötzlich fragte ich mich, wie ich Louis nur jemals ansehen konnte. Das was er gemacht hatte war schrecklich und beispielslos und ich schüttelte mich. Ich hätte wohl alles gemacht was er sagte, weil ich sosehr jemanden brauchte, das ich nicht einmal darauf achtete, wem ich mein Herz ausschüttete.
,,Ich wollte nichts sagen, aber ich war immer dagegen das ihr euch trefft... du verdienst nur das beste, Rose, ich liebe dich und ich will nur das Beste für dich. Immer."
Ich hatte meine Knie an meinen Brust gezogen und sie umklammert, als wolle ich mich selbst festhalten.
,,Iss etwas, meine Kleine. Und morgen werden wir dir alle Gedanken über ihm vertreiben. Versprochen, Süße. Ich hab dich lieb."
Und mit diesen Worten verließ sie das Zimmer und ließ mich mit Lasagne zurück. Sie war so lecker und ich war so dankbar. Ich machte Musik an, die Rolladen runtern und zündete Kerzen an, während ich weiter Schokolade in mich hineinstopfte und entschlossen an meinen Augen rieb, aber die Tränen Vorräte waren sowieso leer.
Und obwohl man es nicht tuen sollte legte ich mich in einem Flammenmeer schlafen.
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