Kapitel 3
„Hast du es wirklich in Erwägung gezogen, zu fliehen?", fragte Ophelia, als wir unsere Sachen zu Ende packten.
Wir hatten alles von der Liste besorgt und auch weitere Sachen zusammengesammelt, die wir wohl brauchen würden. Daher hatten wir jetzt zwei volle Koffer.
„Hatte ich, ja", sagte ich, während ich den Koffer schloss. Meine Lust auf diese Schule war so gering, dass ich mich wohl sehr schnell unbeliebt machen würde. Vermutlich fing ich mit jedem Streit an, nur um mich abzureagieren. Hoffentlich war jemand darunter, der mir Kontra geben konnte. Sonst würde es langweilig werden.
„Wäre das nicht zu gefährlich gewesen?", fragte Ophelia zögerlich. Dabei klang sie, als hätte sie Angst, was ich durchaus verstand. Ich hatte die Wahl zwischen Schule oder vermutlich ein Leben lang von Magiern mit ihren Dämonen gejagt zu werden. Keines davon klang wirklich angenehm, aber letzteres machte Ophelia vermutlich am meisten Angst. Mir wäre es eigentlich egal gewesen, führten wir doch schon immer ein Leben in den Schatten der Gesellschaft. Allerdings wollte ich nicht, dass das ewig so blieb. Daher hatte ich mich Ophelia zuliebe dafür entschieden, die Schule zu besuchen und ihr eine Chance zu geben.
Ein Seufzen verließ meine Lippen. „Ja. Zumindest irgendwie", gestand ich widerwillig. Mir wäre es lieber, wenn wir weiter über das Thema schwiegen, so wie wir es die letzten Tage auch getan hatten. Allerdings rückte die Abreise immer näher und somit würde Ophelia mir diesen Gefallen nicht mehr tun.
Da ich Ophelias Fragen nur ungern unbeantwortet ließ, waren solche Gespräche für mich immer sehr schwierig. Ophelia war sehr neugierig, doch das würde sie irgendwann vor eine Wahl stellen, die sie nicht treffen sollte. Davor hatte ich Angst. Ich wollte sie in Sicherheit wissen, auch wenn ich der denkbar unpassendste Mensch dazu war.
Ich versteifte mich bereits, weil ich damit rechnete, dass sie fragte, doch sie schwieg. Etwas, was ich nicht erwartet hatte. War sie von der Situation vielleicht zu sehr überfordert?
Eine Weile herrschte Schweigen zwischen uns, bis sie dann doch den Mund öffnete, um zu fragen. Allerdings war die Art der Frage überraschend. „Du magst diese Schule nicht, kann das sein?", wollte Ophelia schließlich nachdenklich wissen. Dass sie extra fragen musste, zeigte mir, dass sie nicht sicher war, ob sie meine Reaktion auf das Ganze richtig gedeutet hatte.
„Nein, tue ich nicht", stimmte ich zu, wobei ich weiterhin angespannt blieb. Ich würde die Antworten knapphalten. Dass hinter meiner Abneigung gegenüber dieser Schule mehr stand, würde ich erst verraten, wenn sie es explizite wissen wollte.
„Liegt es an den Dämonen?", fragte sie weiter, während auch sie endlich ihren Koffer schloss. Wir hatten beide zwei Stück dabei, was vorrangig an den Büchern und Materialien lag, die einen eigenen Koffer einnahmen. Es war gar nicht so leicht gewesen, alles zu bekommen.
Ich zögerte mit meiner Antwort. Die Dämonen waren nicht der vorrangige Grund, aber einer, warum ich Ophelia in Gefahr sah. „Das ... ja, ich denke, dass kann man so sagen", stimmte ich schließlich zu. Die Dämonen dort waren zwar unter einem Pakt gestellt, doch das hieß nicht, dass sie keinen Ärger machen konnten. Dazu kam, dass wir vermutlich auch einen eingehen mussten. So hatte ich es verstanden. Etwas, was mich nervös machte. Was, wenn es nicht klappte? Oder noch schlimmer, wenn es uns gelang?
„Muss man vor ihnen Angst haben?", wollte Ophelia wissen, wobei sie zu mir blickte wie ein kleines Kind, das Angst vorm Schwarzen Mann hatte. Ihre orangefarbenen Augen zeugten davon, dass sie nicht ganz menschlich war. Allerdings lag darin ein Schimmern, wie es nur selten vorkam, wenn sie mich anblickte. Zum Glück war es nur ganz kurz vorhanden. Als hätte sich in ihr etwas kurz geregt und sich dann wieder schlafengelegt.
Ich lächelte schief, aber irgendwie auch erleichtert, dass mit ihr alles in Ordnung war. „Nein. Sie sind verpaktet. Somit können sie dir nichts tun und es ist auch nicht so, dass Dämonen unbedingt Menschen angreifen", versicherte ich ihr schnell, um sie zu beruhigend. Ihr Angst zu machen war nicht meine Absicht. Auch, wenn ich es nicht würde, sollte zumindest Ophelia die Schulzeit genießen.
Ophelia legte ihren Kopf schief, doch ihre Augen waren wieder normal. So normal, wie orangefarbene Augen sein konnten. „Und warum magst du sie dann nicht?", fragte sie, als könnte sie mir nur schwer folgen.
Ich atmete tief ein und stieß die Luft dann etwas frustriert wieder aus. Da war die Frage. Jetzt brauchte ich nur noch eine passende Antwort, aber zum Glück hatte ich schon eine, die zumindest recht nah an der Wahrheit war. „Genaugenommen habe ich Angst vor der Vorstellung einen solchen Pakt einzugehen", gestand ich mit verzogenen Lippen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte. Auch, was Ophelia betraf.
Ihre Augen wurden groß und ungläubig. „Werden wir das müssen?", wollte sie wissen. Hatte sie nicht zugehört? Vermutlich nicht, so wie die Männer sie verängstigt hatten.
„Ja, leider." Es wäre sinnlos sie dahingehend anzulügen. Immerhin wurden darum die Magier überhaupt gesucht. Hätte man uns ignoriert, wenn es nicht vor 16 Jahren zu Problemen gekommen wäre?
Ophelia ließ plötzlich ihre Schultern hängen. „Ich hatte gehofft, dass ich einfach nur meine Magie lernen könnte", sagte sie niedergeschlagen. Es schien sie wirklich zu enttäuschen, dass dieser Pakt dazugehörte. Da konnte ich sie aber verstehen. Wer wollte schon einen Dämon an seiner Backe kleben haben?
Ich trat zu ihr und tätschelte ihr den Kopf. „Schon gut, das wirst du auch", versicherte ich. Damit wollte ich sie etwas aufheitern, denn diese Enttäuschung stand ihr nicht. Selbst ohne Paktpartner würde sie hoffentlich genug lernen. Sollte die Schule sie dann weiterhin ausbilden. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass dem nicht so war.
„Ich möchte aber nicht, dass du unglücklich bist", brachte sie hervor, was mich lächeln ließ. Manchmal war sie wie ein kleines Kind, was mich an unsere Vergangenheit erinnerte. Sie war als Kind so süß und unschuldig gewesen. Ich hatte versucht, es ihr zu bewahren, doch ich hatte es wohl nicht geschafft. Eine Sache, für die ich mich vermutlich sogar noch rechtfertigen musste, wenn das so weiter ging. Dabei war es noch lange nicht Zeit.
„Aktuell habe ich abgewogen und es ist einfacher auf diese Schule zu gehen, anstatt wegzurennen. So haben wir beide zumindest etwas davon und müssen uns nicht permanent verteidigen", erklärte ich, wobei ich ihr die Wange tätschelte. Es fiel mir schwer das zu sagen, doch es entsprach der Wahrheit. Leider war im Moment die Schule die beste Wahl. Was nicht hieß, dass es eine gute Option war. Mir wäre sehr viele andere lieber gewesen. Allerdings musste ich nehmen, was ich bekam und daraus das Beste machen.
Ophelia seufzte leise und ließ die Schultern hängen. Dabei war sie bis vor kurzem noch sehr froh gewesen, auf die Schule gehen zu können. Es tat mir leid, dass ich ihre gute Laune zerstört hatte, doch es war einfach so unglaublich schwer, sie anzulügen.
„Haben wir alles?", fragte sie und blickte die beiden Koffer an. Ihr Blick war irgendwie noch immer recht abwesend und ihre ganze Haltung zog mich mit runter.
Das machte mir schon wieder schlechte Laune, doch ich nickte trotzdem. Wenn wir etwas vergessen hatten, würde ich Möglichkeiten finden, es zu holen. Ich würde mich nicht einschüchtern lassen, obwohl ich wusste, dass es nicht leicht werden würde, das Schulgelände zu verlassen. Gerade in den niedrigeren Jahrgängen wurde man sehr genau beobachtet. Was nötig war, da ein Dämonenpakt nicht sonderlich ungefährlich war. Weder für die Magier noch für die Menschen um ihn herum. Daher hoffte ich, dass die Schule fähige Leute hatte, die sich um die Sicherheit kümmerten.
Ophelia gab ein leises Seufzen von sich und als sie nach ihrem Mantel griff, weil wir gleich hinausgehen wollten, klopfte es heftig an unserer Tür. Ich verdrehte ein wenig meine Augen, nahm meinen Mantel und öffnete dann die Tür. Es war der Mann, der bereits beim ersten Mal hier gewesen war und mit mir gesprochen hatte. Auch heute trug er wieder eine rote Robe mit goldenen Verzierungen, die ihn sehr edel wirken ließ.
Interessant war jedoch der großgewachsene Dämon, der neben ihm stand. Er war sicherlich über zwei Meter groß, was durch seine dicken, gebogenen Hörner auch noch verstärkt wurde. Zudem hatte er Ziegenbeine, die ihn größer und bedrohlicher wirken ließen. Mir war sofort klar, dass er da war, um uns einzuschüchtern, damit wir taten, was der Mann wollte. Warum sonst sollte er derartig dämonisch aussehen? Es sei denn, er konnte seine Gestalt nicht verbergen.
Kurz wägte ich ab, was es wohl war. Ein Dämon, der nicht in der Lage war, sein Äußeres so zu verstecken, dass er als Mensch durchging, war eher schwach. Somit müsste ich keine sonderlich große Angst vor ihm haben. Hatte er diese Gestalt aber bewusst gewählt, wäre er durchaus eine Gefahr, da das ein gerissenes Manöver war.
Ich schenkte dem Teufel ein höfliches Lächeln, das keinerlei Angst zeigte. Er war immerhin nicht der erste Dämon, dem ich über den Weg lief und zum Glück war das auch für Ophelia der Fall. Hoffentlich würde er ihr keine Angst machen, sonst musste ich mir Mühe geben, nicht in Kampfstimmung zu geraten.
Langsam wandte ich mich dem Mann zu und schenkte auch ihm ein Lächeln. Allerdings kalt. „Wir sind gleich so weit", sagte ich und versuchte meine Stimme freundlich zu halten. Die Verwirrung in seinem Blick war dieses kleine Spielchen tatsächlich wert. Er wirkte, als würde er nicht verstehen, was hier los war und als hätte er eindeutig mit einer anderen Reaktion gerechnet. Selbst der Dämon, der leicht mit seinem Bein scharrte, wirkte auf mich, als hätte er bestimmte Instruktionen bekommen, die er nun nicht mehr ausführen konnte.
Die rubinroten Augen des Dämons richteten sich auf mich, bevor er begann, mich eingängig zu mustern. Ich ließ mich davon nicht stören. Immerhin wusste ich, was er sah. Eine junge Frau mit rotem Haar und orangefarbenen Augen, die fast schon in ein Gold übergingen.
Da er mich so musterte, schenkte ich ihm sogar ein neckendes Zwinkern, was ihn so sehr verwirrte, dass seine Augen groß wurden. War er es nicht gewohnt, dass man mit ihm flirtete? Dabei hatte er doch eine überaus ansehnliche Gestalt. Oder war das wieder nur ich?
Der Mann räusperte sich. „Beeilt euch", sagte er mit rauer Stimme. Er schien ebenfalls nicht genau zu wissen, was er nun tun sollte, versuchte es aber nicht zu zeigen.
Kaum hatte er das gesagt, trat Ophelia hinter mich. Sie war bereit und hatte ihre Koffer in der Hand, während meine neben mir an der Tür standen.
„Seid wenigstens so höflich und nehmt unsere Koffer, wenn Ihr Euch schon nicht vorstellt", sagte ich mit einem zuckersüßen Lächeln. Wenn er uns schon zu dieser blöden Schule bringen musste, konnte er auch hilfreich sein. Immerhin schien er nicht einmal jetzt Interesse daran zu haben, sich vorzustellen.
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