Kapitel 2

„Was ist eigentlich gerade wirklich passiert?", fragte Ophelia, während sie mir einen Tee eingoss. Der wunderbare Geruch von Schwarztee mit Orange verbreitete sich und doch war mein Lächeln schief, da ich mich ertappt fühlte. Sie hatte es also doch bemerkt, die Gelegenheit aber genutzt, um mit mir zu üben. Das hätte ich mir denken können. Natürlich bekam sie so etwas mit. Ophelia war einfach zu clever und aufmerksam.

Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu sagen. Noch einmal anlügen würde ich sie nicht können. Darum seufzte ich leise.

„Wir hatten Besuch von einem Drachen. Ich musste ihn zurückbringen", gestand ich etwas kleinlaut. Sollte ich gleich alles genau erzählen oder lieber warten, bis sie nachfragte? Beide Optionen bargen die Gefahr, dass sie ungünstige Fragen stellte.

Ophelia runzelte nachdenklich die Stirn, bevor sie die Hände in die Hüften stemmte und mich anklagend ansah. „Und da sagst du mir nichts?", fragte sie anklagend. „Ich hätte ihn so gern gesehen", schwärmte sie, wobei sie aussah, als würde sie sich bereits vorstellen, wie er ausgesehen hatte. Ich wusste, dass sie Drachen mochte, doch es war einfach zu gefährlich gewesen. Dieser bestimmte Drache hatte sich zu seltsam verhalten. Wäre er bei Sinnen gewesen, hätte ich vermutlich auch mit ihm verhandelt und ihn gebeten, Ophelia auf sich reiten zu lassen. So hatte er mich aber fast dazu gebracht, ihn sogar anzugreifen. Dabei wollte ich diese edlen Tiere überhaupt nicht verletzen. Das hatten sie nicht verdient.

„Tut mir leid, aber hätte ich das zugelassen, hätte er womöglich unser Haus abgefackelt", erwiderte ich in dem Versuch, sie zu beschwichtigen. Es war jedoch die Wahrheit. So wie der Drache drauf gewesen war, war es ein kleines Wunder, dass niemand zu Schaden gekommen war. Noch immer ging mir das alles nicht aus dem Kopf. Was hatte man mit diesem armen Drachen gemacht? Warum hatte er derart gewütet?

Ophelia verzog noch mehr das Gesicht, bevor sie ihre Tasse an die Lippen hob und schwieg. Ihr Blick zeigte mit eindeutig, dass sie beleidigt war. Das hieß, dass sie die nächste Zeit nicht mehr mit mir sprechen würde, wenn ich sie nicht dazu bekam, mir zu verzeihen.

Einen Moment wägte ich ab, ob ich es aushalten würde, von ihr angeschwiegen zu werden oder ob ich lieber um Verzeihung betteln sollte. Es war seltsam, dass letzteres tatsächlich angenehmer klang. Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals wieder so abhängig von einer einzigen Person werden würde. Doch zu leugnen, dass Ophelia mein Herz erobert hatte, war zwecklos.

„Es tut mir wirklich leid", versuchte ich es noch einmal, um meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Ich wusste zwar, dass sich ihre schlechte Laune recht schnell wieder legte, doch schon ein paar Stunden damit waren es nicht wert. Daher versuchte ich schon jetzt, etwas zu finden, mit dem ich sie aufmuntern konnte. Ob sie wohl noch Lust auf mehr Übungen hatte?

„Ich finde nur, du hättest ..." Ihr Satz wurde unterbrochen, als es heftig gegen unsere Tür donnerte, sodass wir beide zusammenzuckten. Was war das denn? Ich blickte zu Ophelia, die meinen Blick genauso überrascht erwiderte, bevor wir beide synchron zum Ursprung des Geräuschs sahen. Jemand klopfte an die Tür, wie es schien.

Warum hatte mein Zauber nicht reagiert? Immerhin lag um das ganze Gebiet ein magischer Schleier, der mich sofort spüren ließ, wenn sich jemand fremdes näherte. Dieses Mal hatte er aber nicht angeschlagen. Wenn sie schon an unserer Tür waren, mussten sie Magie nutzen. Sonst wäre es ihnen gar nicht gelungen, so weit zu kommen.

Das machte mich misstrauisch und sorgte dafür, dass meine Alarmglocken klingelten. Wer war das? Wie hatte derjenige den Zauber umgangen? Er musste sehr mächtig sein und das wiederrum war gefährlich. Daher spannte ich mich bereits an.

„Erwartest du jemanden?", fragte Ophelia an mich gewandt. Sie wirkte genauso überrascht wie ich. Keiner von uns hatte hier wirkliche Bekannte, die uns besuchen kamen. Daher mussten es Fremde sein.

Auf Ophelias Frage schüttelte ich den Kopf. Zu mir gehörte der Besuch definitiv nicht und zu Ophelia auf gar keinen Fall.

„Nein. Ich ... nein", sagte ich, bevor ich mich erhob und Ophelia deutete, sitzen zu bleiben. Ich wollte nicht, dass sie sich einer potentiellen Gefahr aussetzte, aber natürlich tat sie nicht, was ich von ihr wollte, sondern erhob sich und folgte mir. Dabei wollte ich sie möglichst weit von einer drohenden Gefahr entfernt wissen.

Eigentlich war in meiner Nähe ein sicherer Ort, da ich sie dort beschützen konnte, doch ich wusste nicht, mit was ich es hier zu tun hatte. Daher behagte es mir gar nicht, als sie mir bis zur Tür folgte.

Als ich an den Fenstern vorbeiging, versuchte ich etwas zu erkennen, doch das gelang mir nicht. Dafür spürte ich etwas. Tiefe, dunkle Macht. Mehrere. Eine darunter kam mir bekannt vor. Der Magier, der den Drachen geritten hatte? Überraschenderweise war er nicht der stärkste von ihnen.

Vielleicht ein Magierkommando, dass uns zur Rechenschaft ziehen wollte, weil wir hier nicht leben durften? Aber würde dieses dann so aus dem Nichts hier auftauchen? War das nicht zu gefährlich?

Als ich zur Tür ging, um diese zu öffnen, stand davor der Mann mit den schwarzen Locken. Derjenige, der zusammen mit dem Drachen aufgetaucht war. Links und rechts an seiner Seite zwei Männer in Roben. Ich erkannte sie sofort als Magier einer renommierten Schule, was dazu führte, dass ich mich innerlich auf einen Kampf einstellte. Das bekannte, aufgeregte Kampfkribbeln kehrte zurück und schürte meine Lust auf Ärger. Diese kämpfte ich mit allen Mitteln nieder. Damit würde ich nur Ophelia in Gefahr bringen und das konnte ich nicht tun, wenn ich nicht riskieren wollte, dass sie verletzt wurde. „Was kann ich für Euch tun?", fragte ich versucht höflich, versperrte ihnen aber den Weg nach innen und zu Ophelia, die ein Stück hinter mir stand. Hoffentlich spürten sie meine Kampflust nicht. Das wäre unpraktisch, denn ich wusste, dass sie ein Talent hatte, diese nur noch mehr anzuheizen. Ich wollte es jedoch erst einmal friedlich versuchen.

„Sind sie das, Ronin?", fragte einer der beiden Männer an den Mann ohne Robe. Er hatte einen seltsamen Akzent, den ich nicht einordnen konnte. Zudem regte es mich auf, dass er über Ophelia und mich sprach, als wären wir nicht da.

Der Mann ohne Robe hieß also Ronin und war scheinbar doch Mitglied an der Mana Traeta. Hätte ich wissen müssen. Vermutlich hatte er keine hohe Stellung, was seine Kleidung erklären würde. Verdammt. Ich hatte es auf die leichte Schulter genommen und nun waren sie auch noch hier!

Ronin musterte mich eingängig, bevor er seinen Kollegen ernst zunickte. „Diese junge Dame hier auf alle Fälle", antwortete er und blickte dann an mir vorbei zu Ophelia. „Was sie betrifft, weiß ich nicht, ob sie die Anforderungen erfüllt."

Anforderungen? Oh nein, sie waren doch wohl nicht etwa hier, um uns auf die Mana Traeta zu holen! Ich hatte gedacht, dass sie nur hier waren, um uns zu verwarnen, doch damit hatte ich nicht gerechnet. Das war das, was ich eigentlich hatte vermeiden wollen.

Würden wir uns jetzt jedoch widersetzen, würden wir damit zu viel Ärger machen. Zudem spürte ich sowohl ihre Macht. Gegen sie zu kämpfen war nicht unmöglich, doch es würde viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Zu viel.

Mir war bewusst, dass Magier aller Welten auf diese Schule geholt wurden, oder mit Konsequenzen rechnen mussten. Ich hatte mich damals extra für diese Welt entschieden, weil hier kaum Magier lebten und man uns mit Glück nicht entdeckte. Da hatte ich mich eindeutig verkalkuliert. Hätte ich den Drachen nicht auf die leichte Schulter genommen und wäre sofort mit Ophelia verschwunden, hätte das hier vielleicht nicht geschehen müssen. Nun war es aber so und ich musste eine Lösung finden. Ob ich wohl einfach alle umbringen und dann fliehen konnte?

Mein Blick fiel zu Ophelia und ich verwarf den Gedanken sofort wieder. Sie würde das niemals gutheißen, da war ich mir sicher.

Langsam schob ich mich vor Ophelia, damit die Männer sie nicht mehr ansehen konnten. Meinen Blick richtete ich dabei ernst auf diese. „Es ist unhöflich die Frage zu ignorieren, wenn man schon beim Essen stört", wies ich sie mit ruhiger Stimme zurecht. Ich würde mich nicht einschüchtern lassen. Wenn diese Leute uns wirklich holten, dann nur zu meinen Konditionen. Hier gab es nichts umsonst.

„Wir kommen von der Mana Traeta", sagte der linke Mann in Robe. Sein Gesicht lag durch die Kapuze jedoch noch im Schatten, weshalb ich ihn nicht richtig mustern konnte. Die Robe zeigte leider nicht sonderlich viel seiner Statur. Sie machte ihn eher ein wenig klobig und unförmig.

Keiner von ihnen schien sich vorstellen zu wollen. Was für unhöfliche Leute! Es machte mich wütend und fachte das Kribbeln, das nur ihren Tod zur Folge haben würde, noch mehr an. Gedanklich ermahnte ich mich, dass ich mich unter Kontrolle hatte. Es war so lange gutgegangen, dann würde es das auch weiterhin. Zumindest, solange sie mich nicht weiter reizten.

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