Kapitel 1.4

Neugierig flog ich ein Stück näher heran und kniff die Augen zusammen, um zu erkennen, was er tat. In seinen Händen war irgendwas. Ein grünes Kraut.

War das etwa Silbergarbe? Das würde erklären, warum der Drachen darauf reagierte.

Drachen waren verrückt danach und ließen sich damit locken. Es war also sehr schlau, dass er es nutzte. Gleichzeitig brachte er sich damit aber auch in Gefahr. Etwas, dass mir egal sein sollte, doch ich betrachtete das Schauspiel dennoch. Immerhin stand noch immer meine Heimat auf dem Spiel.

An sich wäre es vermutlich sogar gut, wenn der Drache den Magier fraß. Dann wäre ich ihn los. Ich wusste aber nicht, ob nach ihm gesucht werden würde. Das wiederum könnte sogar noch mehr Ärger machen. Es war schwer, sich zu entscheiden, was ich tun sollte.

Weil ich das Gefühl hatte, er brauchte Hilfe, hob ich meine Hände und setzte das fort, was ich angefangen hatte.

Erneut spürte ich das Kribbeln in meinen Händen und Fingern. Dieses Mal sammelte es sich jedoch schneller und wurde auch schneller warm. Als die Magie ihren Höhepunkt erreicht hatte, senkte ich meine Hand, als würde ich mit meinen Krallen Stoff zerfetzen wollen, aber eigentlich erschuf ich einen Riss zwischen den Welten. Es war nicht ganz einfach, da ich nicht genau wusste, woher der Drache gekommen war. Allerdings hoffte ich darauf, dass seine Gegenwart den Zauber beeinflusste und somit das Portal in die richtige Welt ging.

In der Luft bildete sich zuerst ein dunkler Streifen, der schließlich langsam zur Seite aufging und ein verschwommenes Bild eines Tales zeigte. Gerade, als es so weit aufgehen wollte, dass man hindurchpasste und ich den Drachen hineinlocken konnte, spürte ich Hitze auf mich zukommen. Erneut ließ ich mich fallen und sah noch, wie der Feuerstoß das Portal verschluckte und damit verschloss.

Die Spitzen meiner Haare wurden angesenkt und ein abartiger Geruch machte sich breit. So wie Wut in meinem Bauch.

Fluchend zog ich mich noch weiter zurück.

Scheinbar hatte der Mann Probleme, den Drachen abzulenken. Sollte ich mich darum jetzt auch noch kümmern? Gerade eben hatte es doch noch ausgesehen, als hätte er ihn unter Kontrolle. War es vielleicht mein Zauber, der ihn angelockt hatte?

Erneut kam ein Feuerball auf mich zu und ich wich aus. Nur war das Problem jetzt, dass dieser direkt auf die Stelle zuflog, an der unser Haus stand.

Frustriert biss ich mir auf die Wange und sah zu, wie dieser gegen den Schild krachte und verschwand. Ich spürte den Aufprall sehr deutlich, denn der Zauber war mit mir verbunden. Einen weiteren Aufprall würde der Schild nicht aushalten. Dazu war der Drache viel zu stark. Für solche Angriffe hatte ich den Schild nicht erschaffen.

Frustriert knirschte ich mit den Zähnen, bevor ich am Boden landete. Mit einem tiefen Atemzug streckte ich die Hand aus. Die Magie sammelte sich in Form von violetten, sandkörnergroßen Farbpunkten in der Luft zwischen meinen Handflächen. Leichter Wind kam auf, der meine Haare bewegte, bevor sich die Partikel langsam zu einer kleinen Kugel formten. Diese wurde größer, bis sie die Größe meines Kopfes hatte. Nach und nach lösten sich kleine Stücke davon, die in mehreren Kreisen um den violett schimmernden Ball herumflogen, als würden sie diesen schützen.

Mit meinem Fokus war ich in der Lage genügend Magie zu bündeln, um dem Magier zur Hand zu gehen und mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Damit würde ich auch Hilfe besorgen können, die mich schützte, bis ich den Zauber beendete.

Ich richtete meine Augen auf die Kugel. Die Ringe um sie herum bewegten sich langsam, während dunkle Stellen den Anschein erweckten, dass es sich um eine Weltkugel handelte.

An den Ringen leuchteten es hell auf, bevor dieses Leuchten sich zu Runen formte, die eine Inschrift bildeten. Teilweise zeigten sie aber auch einfache Zeichnungen von Wesen. Mich interessierten jedoch die Anhänger, die sich langsam an den Ringen bildeten. Nur einer davon war im Moment wichtig. Er zeigte ein katzenartiges Wesen, das begann, zu leuchten, als ich meine Aufmerksamkeit darauf lenkte.

Meine Magie floss in die Kugel, die wieder stärker strahlte. Sie verstärkte meine Magie so sehr, dass diese eine Brücke zur Heimatwelt des Tieres schlagen konnte.

Obwohl das alles nicht lange dauerte, hatte ich doch das Gefühl, dass es wie in Zeitlupe geschah. Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wie das Tier aus dem Boden kam. Dort bildete sich ein Schatten, der immer größer wurde, bis meine Vorstellung real wurde. Das Schwarz formte ein Wesen, das langsam aus dem Boden wuchs und fast genauso groß wie der Drache wurde.

Es bildete sich schwarzes Fell und blutrote Augen, die mich direkt ansahen. Langsam senkte die schwarze Katze den Kopf, als würde sie mich begrüßen wollen.

Als ich meine Hand hob, hob auch sie synchron den Kopf, bevor sie ihre warme, weiche Nasenspitze kurz an meine Handfläche legte. So begrüßte mich Kaela immer.

Mich überkam ein vertrautes Gefühl, das nicht nur etwas mit der Wärme ihrer Schnauze zu tun hatte. Ich spürte, dass sie versuchte, mit mir mental Kontakt aufzunehmen, obwohl sie eigentlich auch ohne diese Verbindung sprechen konnte. Allerdings war es so viel intimer und auch viel angenehmer, weshalb ich es zuließ. Sofort spürte ich ihren Geist in meinen Gedanken. Nicht aufdringlich, aber verständlich. Obwohl sie mir nur Bilder und keine richtigen Wörter schickte, verstand ich. Darum nickte ich, als Zeichen, dass sie loslegen konnte. Dabei hoffte ich, dass es ihr gelang, den Drachen abzulenken, ohne selbst verletzt zu werden.

Kaela war zwar eine besonders starke Höllenkatze, doch ein Drache war nun einmal ein ganz anderes Kaliber.

Ein Schnurren zeigte mir, dass sie verstanden hatte, als sie sich von mir löste.

Das Fell an ihren Pfoten begann rötlich zu glühen, bevor es Feuer fing. Mit einem Satz über mich hinweg, begann sie auf unsichtbaren, in der Luft hängenden Wegen zu laufen und so immer weiter hinaufzusteigen. Es war ein majestätischer Anblick, der mir jedes Mal wieder die Sprache verschlug.

Ich ließ mich nur kurz ablenken, bevor ich mich wieder meines Planes entsann. Ein einfaches Portal würde nichts bringen. Es war zu leicht zu zerstören. Also würde ich eines erschaffen müssen, das stabiler war. Das würde kein leichtes Unterfangen werden, da war ich mir sicher. Vor allem nicht, da um mich herum ein Kampf tobte. Ich stand zwar nicht im Zentrum, doch die Magie war in Wallung gebracht und reichte bis zu mir.

Das würde schon den Grundzauber erschweren und dann war auch noch die Frage, wie ich den Drachen hindurchbringen konnte. Aber das würde später kommen.

Tief ein- und ausatmend, konzentrierte ich mich auf die Magie um mich herum. Sie pulsierte und vibrierte, während sie versuchte, meinem Wunsch Gestalt zu verleihen. Mein Fokus strahlte dabei so hell, dass sein Licht mich ebenfalls einhüllte.

Ich liebte es, Magie zu nutzen. Sie wärmte mich von innen und gab mir ein gutes Gefühl. Nicht unbedingt Macht, aber Geborgenheit. Als wäre sie ein Teil von mir, den ich zu oft wegschloss.

Schließlich sammelte sich die Magie an den Ort, an dem ich das Portal erschaffen wollte. Oberhalb der Baumkronen, damit der Drache leichter hinein zu locken war, bildete sich ein Kreis aus blauem Schimmer, der als Anker dienen würde. Zwischen diesen Schimmern würde ich das Portal öffnen und so würde es nicht so leicht zu zerstören sein. Hoffte ich.

Nur für mich trug es die wunderschönen Farben eines Sonnenaufgangs. Für andere wäre die Magie an sich vermutlich gar nicht sichtbar. Die Magie in ihrer Urgestalt war nur von sehr wenigen wahrnehmbar.

Für mich war es jedoch ein prächtiges Farbenspiel, das einen Riss in die Welten machte und mir zeigte, woher der Drache kam.

Als das Portal geschaffen war, öffnete ich meine Augen und atmete aus. Erneut erblickte ich die wunderschöne, recht idyllisch wirkende Wiese hinter dem Portal. Sie lud dazu ein, sich auf den Rücken zu legen und einfach nur zu entspannen. Obwohl ich den Ort nicht kannte, spürte ich ein leichtes Gefühl von Heimweh, schüttelte dieses jedoch ab.

Damit war das auch geschafft. Jetzt musste ich das Portal nur noch aufrechterhalten, bis der Drache wieder durch war. Was nicht sonderlich leicht werden würde, sollte ich auch noch den Drachen hineinlocken müssen. Das Portal sollte nichts Dauerhaftes sein, weshalb ich es mit Magie versorgen musste, bis ich es wieder verschwinden ließ. Dadurch würde es auch nicht sofort bei einem Angriff zerfallen, wie die letzten paar Male. Allerdings musste ich so meine Konzentration teilen und meine Magie in regelmäßigen Wellen zu dem Zauber fließen lassen.

Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte den Drachen schließlich wieder zwischen den Wolken. Eigentlich war es sogar sehr schwer, seine Gestalt auf dem weißen Hintergrund der Wolken nicht zu erkennen. Allerdings musste ich zweimal hinsehen, um zu verstehen, was da vor sich ging. Der Magier hatte es doch tatsächlich geschafft, sich auf den Drachen zu setzen und ihn zu reiten. Er stellte sich dabei zwar nicht sonderlich geschickt an, aber es war ein Anfang. Damit konnte ich arbeiten, weshalb ich meinen Geist auch zu Kaela ausstreckte.

//Lock ihn zu mir//, wies ich meine Dämonenkatze an, die mir mit einem Schnurren antwortete. Ein deutliches Zeichen, dass zumindest sie ihren Spaß an der ganzen Sache hatte. Vermutlich würde auch ich es mehr genießen, wenn ich nicht permanent Angst um Ophelia hätte. Ob sie mittlerweile schon etwas mitbekommen hatte oder tat der Hörschutz seine Aufgabe und schirmte alles ab, was um das Haus herum passierte?

Das Kribbeln des Kampfes begann bereits in meinem Magen vorzudringen, doch ich kämpfte dagegen an, dem Drang nachzugehen. Ich würde mich nicht hinreißen lassen, das hier zu genießen oder gar auf den Drachen zuzustürmen.

Während ich den Himmel beobachtete, ballte ich die Hände zu Fäusten, um nicht einzugreifen. Allerdings verbesserte ich meine Sicht, um auch zu erkennen, was da vor sich ging. Es war zu vergleichen mit einem Teleskop, das man scharfstellte. Auf Dauer wäre es allerdings nicht gut für meine Augen und würde Kopfschmerzen verursachen.

Hoch oben – zwischen den Wolken – erschien die Dämonenkatze wie aus dem Nichts. Direkt vor dem Drachen. Es schien ihn so sehr zu verwirren, dass er abdrehte. Drachen waren nicht dumm. Sie waren sogar sehr intelligent. Ich würde fast behaupten intelligenter als Menschen, doch mit diesem hier stimmte etwas nicht. Entweder er war gerade in der Brunft – eine Zeit, in der Drachen nur noch daran dachten sich fortzupflanzen – oder er hatte irgendwas verabreicht bekommen, was ihn so werden ließ. Ob der Mann damit etwas zu tun hatte?

Machte er vielleicht sogar Experimente mit Tieren? Allein die Vorstellung machte mich unglaublich wütend, doch ich ermahnte mich immer wieder, nicht einzugreifen. Es war nicht meine Sache, was er mit den Tieren tat. Er gehörte hier nicht hin und ich wollte ihn nur noch zurückschicken.

Wenn dem so war, tat mir der Drache zwar mir leid, allerdings konnte ich ihm nicht helfen. Ich hatte meine eigenen Probleme und würde mich nicht in die von anderen einmischen und dabei Gefahr laufen, die, die mir wichtig waren, zu verletzen.

Kaela verschwand immer wieder und tauchte wieder auf, bis sie es schaffte den Drachen Richtung Portal zu treiben. Der Magier war noch immer auf seinem Rücken und schien sehr verwirrt, sogar ängstlich. Seine Mimik war jedoch von hier unten schwer zu deuten. Trotzdem belustigte mich das irgendwie.

„Was soll das?", rief mir der Mann aufgebracht zu. Ich grinste lediglich. Erwartete er wirklich eine ernsthafte Antwort auf diese Frage? Er hatte diesen Drachen immerhin in meine Welt gebracht und ich würde ihn zurückbringen. Mehr Hilfe konnte er nicht erwarten. Er hatte nicht einmal danach gefragt!

„Das Portal bringt euch in eure Welt zurück", rief ich zurück, wobei ich Magie nutzte, damit ich nicht so sehr schreien musste und er mich trotzdem verstehen konnte.

Ich hörte, wie er fluchte und dann war der Drache auch schon durch das Portal, welches sich hinter ihm schloss. Sofort ließ ich die Magie dorthin verebben, damit er nicht doch noch zurückkehren konnte. Wobei er dazu wohl nicht einmal mein Portal brauchte. Wie war er eigentlich hierhergekommen?

Schnell schüttelte ich den Gedanken ab. Im Grunde war es unwichtig. Verhindern konnte ich es sowieso nicht und jetzt war erst einmal Ruhe.

Leise seufzend betrachtete ich meine Umgebung. Die Magie hatte zum Glück keinen großen Schaden angerichtet, doch das Drachenfeuer hatte einige der Bäume versenkt. Noch immer stieg Rauch auf.

Ich hob meine Hand und nutzte die Magie des Windes, um die Rauchbildung einzudämmen. Es wäre nicht gut, wenn dieser Rauch die Feuerwehr herholen würde. Niemand wusste, dass wir hier lebten, und auf Menschen hatte ich keine Lust.

Kaela tauchte neben mir auf und rieb ihren Kopf an meinem Arm. Ich ließ meine Finger durch ihr wunderbar weiches Fell gleiten, um mich so etwas zu beruhigen und mich bei ihr zu bedanken. Ihr sanftes Schnurren half mir dabei. „Was für ein Tag", murmelte ich leise seufzend, während ich bewusst atmete, um meine instinktive, körperliche Reaktion niederzukämpfen. Diese Sache hatte mich wirklich dazu gebracht, mehr Magie zu benutzen, als ich eigentlich sollte. Daher spürte ich auch ein gewisses Maß an Erschöpfung in mir. Ich sollte definitiv an meiner Ausdauer arbeiten. So viel faulenzen tat meinem Körper nicht gut.

„Meri, alles in Ordnung?", erklang eine besorgte, zögerliche Stimme hinter mir, die mich zucken ließ.

Ich wandte mich überrascht um und entdeckte Ophelia, die neugierig zu mir und dann zu Kaela blickte. Mir war klar, dass sie die verbrannten Bäume bereits entdeckt haben musste. Sie waren auch nicht zu übersehen.

Ich lächelte schief, während ich mir eine Ausrede einfallen ließ. Obwohl ich den Kurznamen, den sie mir gegeben hatte, nicht mochte, ließ ich sie gewähren. Ephemera war ein zu ungewöhnlicher Name, das war mir klar.

Wichtiger war jetzt der Grund, warum sie hier draußen war und was sie gesehen hatte. Ihr Blick war jedoch eher verwirrt, sodass sie vermutlich gerade erst gekommen war. Vielleicht redete ich mir das aber auch nur ein, weil ich es mir wünschte.

„Ich habe lediglich geübt", sagte ich schief lächelnd und log ihr damit direkt ins Gesicht. Manchmal musste das jedoch sein. Ich wollte sie nicht beunruhigen. Wenn sie nichts von selbst ansprach, dann hatte sie es vermutlich auch nicht gesehen. Ich würde ihr keinen Hinweis geben, dass es anders sein könnte.

Ophelia verzog ein wenig verärgert das Gesicht. „Ohne mich?", fragte sie tadelnd. Ein Zeichen, dass sie mir meine Geschichte abkaufte, was mich fast erleichtert ausatmen ließ. Damit hätte ich mich aber verraten und das wollte ich nicht. „Und dann richtest du auch noch so viel Chaos an", wies sie mich zurecht, was mich grinsen ließ. Gut, dass sie die kaputten Bäume auf mich schob.

„Entschuldige", sagte ich beschwichtigend, aber nicht wirklich schuldbewusst. Immerhin hatte ich ihr eine Lüge aufgetischt. Daher fühlte ich mich auch nicht schuldig. Zumindest nicht für das, was sie mir vorwarf. „Ich wollte dich nur nicht verletzen. Immerhin hast du gesehen, dass ich den Zauber nicht unter Kontrolle hatte."

Es waren Notlügen, denn ein Drache würde nur dafür sorgen, dass sie auf dumme Ideen kam. Das wiederum wäre nicht gut für ihre Gesundheit. Vermutlich auch nicht für meine, obwohl ich wesentlich mehr aushielt als sie.

Ophelia verzog ihr Gesicht noch weiter. „Dann üb jetzt mit mir", forderte sie energisch. Mir war bewusst, dass sie nicht lockerlassen würde, bis ich zusagte. Darum nickte ich.

„In Ordnung", stimmte ich zu, denn so würde ich sie am schnellsten beruhigen können. Zudem hatten wir alle Zeit der Welt und konnten tun, was auch immer uns gerade in den Sinn kam.

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